Umweltschützer wehren sich gegen Angriff auf Donau durch Europäische Union
Versteckt im "Bericht einer hochrangigen Gruppe für das Transeuropäische Verkehrsnetz" im Auftrag der Europäischen Kommission unter Leitung des ehemaligen europäischen Kommissars für Verkehr van Miert, droht ein Angriff auf letzte europäisch bedeutsame Flusslandschaften entlang der Donau in Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Mit der Forderung nach einem Ausbau auf eine Tauchtiefe (engl. "draught" entspricht ca. der Abladetiefe) von mindestens 2,50 Meter unabhängig von der Jahreszeit im Abschnitt zwischen Straubing und Vilshofen sowie dem "Ausschalten der Engpässe" im weiteren Donauverlauf wird der Druck auf die Bundesregierung und die anderen Staaten, zum Ausbau der Donau mit Staustufen und weiteren Eingriffen massiv erhöht. Entscheidungen hierzu werden die europäischen Umwelt- und Verkehrsminister sowie der Regierungschefs bis Ende des Jahres in Brüssel fällen. Würde das Transeuropäische-Netz-Paket beschlossen, wäre Deutschland mitverantwortlich für die Zerstörung von 1000 km europaweit einzigartigen Flusslandschaften an der Donau.
Der Bund Naturschutz fordert gemeinsam mit dem Bayerischen Landesbund für Vogelschutz, dem World Wide Fund for Nature Deutschland und Österreich (WWF) und dem österreichischen Naturschutzbund die Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder sowie die europäischen Umwelt- und Verkehrsminister auf, die Pläne der Europäischen Kommission im Rahmen der Revision von Leitlinien über das Transeuropäische Verkehrsnetz zu stoppen. Die Donau muss von der Prioritätenliste der EU-Kommission gestrichen sowie die Definition als Projekt von "europäischem Interesse" mit neuen Ausbaustandards zurückgenommen werden.
Unter der italienischen Ratspräsidentschaft, die noch bis Ende 2003 reicht, will die EU-Kommission unter dem Titel "Europäische Wachstumsinitiative" die Leitlinien für den Ausbau der transeuropäischen Netze verändern. Für Projekte in der Größenordnung von 220 Milliarden Euro soll ein "europäisches Interesse" per Verordnung festgelegt werden. Durch die Hintertür würde nach dem Vorschlag der EU-Kommission vom 1.10. 2003 als "Erweiterung des Vorhabens Nr. 18: Binnenwasserstraße Rhein-Main-Donau im gesamteuropäischen Korridor VII" auch die Donau als "vorrangiges Vorhaben" festgeschrieben werden.
Als Einzelabschnitte werden im Anhang des Vorschlages u.a. genannt:
"Straubing-Vilshofen (2013)
"Wien-Bratislava (2015), grenzübergreifender Abschnitt
"Palkovicovo-Mohàcs (2014)
"Verkehrsengpässe in Rumänien und Bulgarien (2011)
Diese Einstufung hätte zur Folge, dass statt bisher 10 Prozent bis zu 30 Prozent der Baukosten von der Europäischen Kommission übernommen würden. Ebenso sind "grenzübergreifende Planfeststellungsverfahren" geplant, die einen Abbau von demokratischer Kontrolle und Mitwirkungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft befürchten lassen.
Bei ihren Ausbauvorstellungen bezieht sich die EU-Kommission auf den van Miert Bericht vom 27. Juni 2003. Darin wird im Gegensatz zu den bisher geltenden internationalen Vorgaben über die Rahmenbedingungen für den Ausbau ausgeführt: "Die Gruppe stellt fest, dass der Abschnitt Vilshofen-Straubing einen wesentlichen Engpass auf der Rhein-Main-Donau-Strecke darstellt und betont, dass der Ausbau dieses Abschnitts unabhängig von der Jahreszeit eine Tauchtiefe (engl. draught) von mindestens 2,50 m gewährleisten sollte, damit unter Wahrung des Umweltschutzes eine zuverlässige Langstrecken-Binnenschifffahrt von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer entwickelt werden kann. Die Gruppe ist jedoch der Ansicht, dass die von Deutschland für den Abschnitt Vilshofen-Straubing gewählte technische Option diese ganzjährige Schiffbarkeit nicht sicherstellt." Dies würde weit über die bisher festgelegten internationalen Standards hinausgehen. Demnach muss die Donau an 240 Tagen im Jahr (60 Prozent der schiffbaren Zeit) für Schiffe mit einer Tauchtiefe von 2,50 Metern befahrbar sein. Diese Anforderungen werden in Österreich erfüllt und sind auch mit einem Ausbau ohne Staustufen zwischen Straubing und Vilshofen möglich.
Von den Ausbauplänen wären in Österreich, Ungarn, Kroatien, Bulgarien und Rumänien auf mehr als 1.000 Kilometern drei Nationalparke, als Weltkulturerbe eingestufte Gebiete und mehrere Ramsar-Schutzgebiete betroffen. Nach ersten Schätzungen sind mehr als 60 Prozent der von der EU als "Flaschenhälse" definierten Strecken Natura 2000-Gebiet oder Natura 2000 würdig. Die Naturschutzverbände warnen vor einem Aushebeln der europäischen Umweltrichtlinien zum Schutzgebietsnetz "Natura 2000" und werden den internationalen Protest gegen die Ausbaupläne massiv verstärken.