Wildtiere zu Gast bei Freunden "
Der Besuch des Bären in den bayerischen Alpen nach 170 Jahren Abwesenheit hat zum einen gezeigt, dass eine große Akzeptanz in der Bevölkerung für rückkehrende Wildtierarten besteht, zum anderen wurden aber auch fehlende Erfahrung, mangelnde Vorbereitung und organisatorische Defizite im Umgang mit faszinierenden Wildtieren überdeutlich.
Der Bund Naturschutz (BN) fordert die Rücknahme der Abschussgenehmigung und einen 5-Punkte-Plan zum Wildtiermanagement in Bayern mit Mitteleinsatz für Wildbiologen, breiter Öffentlichkeitsarbeit und finanziellen Entschädigungsmöglichkeiten. „Dass der Großteil der Bevölkerung den Bären in Bayern mit offenem Herzen aufgenommen hat, sollte nun Anstoß für die Politik sein, künftig besser vorbereitet zu sein – denn der nächste Bär kommt bestimmt“, so Hubert Weiger, Vorsitzender des BN.
Wildtierland Bayern "
Neben dem Bären kommen auch andere Arten wieder nach Bayern bzw. Deutschland zurück: Luchse leben mittlerweile wieder in vielen Mittelgebirgen wie dem Bayerischen Wald, Wölfe aus Polen haben sich in Sachsen und Brandenburg angesiedelt und einzelne Elche besuchen Bayern. Ein Hauptgrund für die Ausrottung dieser Tierarten war nicht die Veränderung des Lebensraumes, sondern die jahrhundertelange Bejagung.
Auch deshalb muss mit erneuten Abschussgenehmigungen dieser streng geschützten Tierarten besonders zurückhaltend umgegangen werden. Auch wenn der junge Bär während seiner Reviersuche quer durch die Alpen in Bayern bei der Futtersuche ungewöhnlich nah an Siedlungen herangekommen ist und von einigen Experten ein Verlust der natürlichen Distanz zum Menschen befürchtet wird - dies darf kein Grund für den sofortigen Abschuss sein. Beim Bärenmanagement wird weltweit in solchen Fällen immer erst auf Fang (Falle oder Betäubung) gesetzt, auf Besenderung und Vergrämung und erst wenn alle diese Maßnahmen ergebnislos waren, kann im Extremfall auch getötet werden. In Bayern wurde der allerletzte vor dem ersten Schritt gemacht. Maßgeblich dafür war fehlende Vorbereitung, fehlende Erfahrung und völlig fehlendes technisches Equipment für Fang und Vergrämung. Der BN plädiert daher für die Rücknahme der Abschussfreigabe.
Da der nächste Bär sicher kommt und auch andere Wildtiere auf dem Vormarsch sind, müssen daher nun die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Denn trotz Verlusten und Verschlechterungen der Lebensräume in Bayern (Zerschneidungen durch Straßen, Ausdehnung von Siedlungen etc.) gäbe es genügend Bereiche, in denen Bär und Co wieder heimisch werden können – wenn wir sie lassen. In den bayerischen Alpen sind dies v.a. die großen Naturschutzgebiete von den Allgäuer Hochalpen bis zum Nationalpark Karwendel.
5-Punkte-Aktionsplan für Bär und Co in Bayern
Das kurze Gastspiel des Bären in Bayern hat große Defizite im Umgang mit dieser Tierart aufgezeigt. Sie sind symptomatisch für die Defizite, die in Bayern generell für die Rückkehr der großen Wildtiere bestehen. Der BN hat daher seine Forderungen zum Wildtiermanagement erneuert und fordert die bayerische Staatsregierung auf, den Bärenbesuch zum Anlass zu nehmen, diese nun endlich umzusetzen:
1. Der Freistaat Bayern muss umgehend ein Wildtiermanagement nach dem Vorbild z.B. Österreichs aufbauen. Der BN hat dem Umweltministerium seit längerem vorgeschlagen, eine Art eigenes „Wildbiologisches Kompetenzzentrum Bayern“ nach dem Vorbild anderer Länder einzurichten. Ein festes Beratungsteam von Wildbiologen (ca. 5 Personen für Biber, Luchs, Wolf und Bär), ausgestattet mit entsprechenden Gerätschaften zu Fang, Betäubung und Besenderung, soll sich gezielt um früher ausgerottete und nun wiederkehrende Tierarten und mögliche Konfliktfälle kümmern. Dieses Wildtiermanagement kann auf dem erfolgreichen System der Biberberater, wo Bayern bereits Vorbildfunktion hat, aufbauen (landesweit bereits bestehend 2 hauptamtliche und über 200 ehrenamtliche Biberberater). Ebenfalls integriert werden in das zu schaffende landesweite Wildtiermanagement sollte die derzeitige Projektstelle Luchsberater und die über 100 ehrenamtlichen Luchsberater in Bayern.
2. Der Freistaat Bayern schafft umgehend staatlich finanzierte Möglichkeiten (Härtefonds), mit denen Landnutzern und Nutztierhaltern Schäden von Bär, Wolf, Luchs und Biber finanziell ausgeglichen werden können. Zudem sind finanzielle Hilfen für Vorsorgemaßnahmen (z.B. Herdenschutzhunde) zu gewähren. Eine Kooperation mit speziellen Versicherungen ist zu prüfen.
3. Ein landesweiter naturschutzfachlicher Aktions- und Managementplan (Analyse von Wanderkorridoren, Ausbreitungsbarrieren, Netz großräumiger Schutzgebiete, abgestufte Aktionsformen bei Konfliktsituationen) für entsprechende Wildtiere, vorrangig sind Bär und Wolf, wird umgehend nach dem Vorbild anderer Bundesländer erarbeitet.
4. Es muss eine intensive Öffentlichkeitskampagne mit Information über diese Arten in der Bevölkerung erfolgen. Wir haben über viele Menschengenerationen verlernt, mit großen Wildtieren umzugehen. Für deren langfristige Akzeptanz ist der Abbau von Vorurteilen und mitunter tief sitzenden Ängsten zwingend erforderlich. Dazu sind auch „Runde Tische“ in den jeweiligen Regionen zwischen Politik, Landnutzern und Naturschutz zu schaffen.
5. Analog zu den bereits bestehenden Biber- und Luchsberatern ist als Ansprechpartner vor Ort ein ehrenamtliches Bärenberatersystem insbesondere im Alpenraum aufzubauen.
Der BN hat hierfür dem Bayerischen Umweltministerium seine Unterstützung und Partnerschaft angeboten. Seit Jahren betreut der BN das sehr erfolgreiche Bibermanagement in Bayern und wirkt zusammen mit anderen Verbänden beim Luchsberatersystem und der Akzeptanzförderung für Wölfe mit.
Erfolg des europäischen Artenschutzes
In ganz Europa leben nach Auskunft des WWF ca. 50.000 Bären. Die größten Populationen befinden sich in den Karpaten und auf dem Balkan; an Deutschland / Bayern grenzen jedoch nur sehr kleine Populationen an. Es laufen deshalb zahlreiche auch von der EU geförderte staatliche Schutzprojekte für den Bären. Die Bäreneinwanderung und die allmähliche Ausbreitung von Einzeltieren ist ein Erfolg des europäischen Artenschutzes, der durch bislang nicht vorbereitete Länder nicht gefährdet werden darf.
gez. Prof. Dr. Hubert Weiger
Landesvorsitzender