Zum Projektbericht der Weideschutzkommission: Staatsregierung will wolfsfreie Zonen durch die Hintertür
Nachdem die Europäische Kommission mehrfach bestätigt hatte, dass laut FFH-Richtlinie die von den almwirtschaftlichen Verbänden im bayerischen Alpenraum geforderten ‚wolfsfreien Zonen‘ nicht möglich sind, wurden 2018 im Bayerischen Aktionsplan Wolf sogenannte nicht schützbare Weidegebiete eingeführt. In diesen Gebieten kommt laut Aktionsplan ein Wolfsabschuss bereits bei einer Gefährdung von Nutztieren in Betracht, ohne dass alternative Maßnahmen wie Herdenschutz angewandt werden müssen. Damit bewegt sich die Staatsregierung auf rechtlich sehr dünnem Eis, denn die Prüfung von Alternativen zum Abschuss - wie zum Beispiel Herdenschutzzäune oder -hunde und Behirtung - ist vor einem Abschuss laut FFH-Richtlinie und Bundesnaturschutzgesetz zwingend erforderlich.
Die Zusammenfassung des Projektberichts der Weidekommission zur Einstufung der ‚Zäunbarkeit von Flächen als Schutz gegen Wolfsübergriffe‘ bestätigt nun die Befürchtung, dass damit wolfsfreie Zonen durch die Hintertür eingeführt werden sollen. Die Bewertungsparameter, anhand derer die (Nicht-)Zumutbarkeit von Herdenschutzzäunen festgelegt werden, setzen die Schwelle so niedrig an, dass ein großer Teil der Weideflächen im Alpenraum als nicht zäunbar definiert wird. So langt z.B. das Kreuzen eines Weges durch die Weidefläche, um diese als „nicht zumutbar zäunbar“ zu definieren (sh. Hintergrund). Weitere Maßnahmen des Herdenschutzes wie Herdenschutzhunde und/oder Behirtung werden ohne ausreichende Begründung als ‚kaum möglich‘ eingestuft und in der Folge ‚nicht zumutbar zäunbar‘ mit ‚nicht schützbar‘ gleichgesetzt. Die Möglichkeit der Entnahme im Einzelfall ist hier schon bei Angriffsversuchen eines Wolfes auf Weidetiere vorgesehen. Die Tatsache, dass die Schwellen so niedrig angesetzt wurden, ist auch ein Ergebnis der Besetzung der Kommission, in der klare Befürworter von wolfsfreien Zonen an der Entwicklung der Kriterien mitwirkten.
In den nicht schützbaren Weidegebieten bekommen im Gegensatz zum restlichen Bayern betroffene Landwirte im Fall eines Wolfsriss auch ohne Herdenschutz einen Schadensausgleich vom Land Bayern. Damit entfällt ein wichtiger Anreiz für die Anwendung von Herdenschutzmaßnahmen.
„Wenn aufgrund der Ausweisung als nicht schützbares Weidegebiet große Teile des Alpenraums und teilweise auch in Mittelgebirgen ohne Herdenschutzmaßnahmen bleiben, besteht die Gefahr, dass es viele Risse gibt und sich zudem Wölfe gerade hier an Nutztiere als Beute gewöhnen. Das wäre schlecht auch für alle anderen Weidetierhalter in Bayern,“ so Uwe Friedel, Wolfsexperte des BN. Er kritisiert, dass den Weidetierhaltern in den ‚nicht schützbaren Weidegebieten‘ die falsche Hoffnung gemacht werde, dass sich durch vereinfachte Wolfsabschüsse Angriffe auf Weidetiere verhindern ließen. Denn Wölfe überwinden in Kürze weite Distanzen und so kann es bei Weidetieren ohne Herdenschutz jederzeit zu Rissen kommen: „Hier ist Frust bei den Tierhaltern vorprogrammiert, die im falschen Glauben gelassen werden, der Schutz wäre mit dem Gewehr zu bewerkstelligen,“ so Friedel.
„Gerade weil die Umsetzung von Herdenschutz im Berggebiet sehr schwierig sein kann, sind hier Hilfestellung für die betroffenen Almbauern und kreative Lösungen gefragt. Dank der Förderrichtlinie für den investiven Herdenschutz werden die Tierhalter/innen mit den Kosten nicht allein gelassen. Wir kämpfen dafür, dass auch die laufenden Kosten des Herdenschutzes erstattet werde, z.B. aus dem Topf der Agrarumweltmaßnahmen.“, so Friedel weiter.
Hintergrund: Bewertung der Bewertungsparameter, durch die eine ‚nicht zumutbare Zäunbarkeit‘ definiert wird.
- Beim Bewertungsparameter „Hangneigung“ wurde die Zumutbarkeit deutlich zu niedrig angesetzt. Diese gilt bereits ab einer Neigung von 40% (vier Meter Höhenunterschied auf 10 Meter Länge) auf 15% der Zaunlänge. Bei dieser Neigung ist eine Zäunung zwar erschwert, aber nicht so sehr, dass eine Zumutbarkeit generell ausgeschlossen werden kann.
- Durch den Bewertungsparameter „Waldweiden im Weiderechtsbezirk“ werden diese Flächen grundsätzlich als nicht zumutbar zäunbar definiert. Es müssten allerdings weitere Faktoren wie Hangneigung, Grabbarkeit u.a. betrachtet werden um eine zumutbare Zäunbarkeit von Waldweideflächen auszuschließen.
- Durch die Bewertungsparameter „Weg schneidet Feldstück“ und „Gewässer schneidet Feldstück“ werden Feldstücke, die durch einen Weg oder ein Gewässer geschnitten werden, grundsätzlich als „nicht zäunbar“ eingestuft. Dies ist aus fachlicher Sicht abzulehnen, da es für diese Fälle technische Lösungen gibt (z.B. selbstschließende Herdenschutz-Weidetore). Die Einstufung ist nur in Einzelfällen vorzunehmen, wenn die verfügbaren technischen Lösungen nicht anwendbar sind.
- Durch den Bewertungsparameter „Einsprungmöglichkeit“ werden Feldstücke mit natürlichen Einsprungmöglichkeiten grundsätzlich als „nicht zäunbar“ eingestuft. Auch diese grundsätzliche Einstufung ist abzulehnen, da durch eine Versetzung des Zaunes o.ä. die Einsprungsmöglichkeit aufgehoben werden kann.
- Durch den Bewertungsumfang „Feldstücksumfang und - geometrie“ werden Feldstücke mit einem Umfang größer als 15 Kilometer und einer nicht nachvollziehbaren Parzellierung bzw. Fläche kleiner als ein Hektar und mit langgezogener und schmaler Form als nicht zumutbar zäunbar definiert. Hier ist kritisch zu hinterfragen, wie eine „nicht nachvollziehbare Parzellierung“ festgestellt wird, bzw. wann ein Feldstück als „lang und schmal“ definiert wird.
Internetlinks:
Projektbericht der Weideschutzkommission: https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/itz/dateien/herdenschutz_projektbericht_ak_weideschutzkommission.pdf
Weitere Informationen zum Wolf: https://www.bund-naturschutz.de/tiere-in-bayern/wolf
Weitere Informationen zum Herdenschutzprojekt: www.lifestockprotect.info
Für Rückfragen:
Uwe Friedel, BN-Artenschutzreferat, Mobil: 0151/14 16 80 74, E-Mail: uwe.friedel@bund-naturschutz.de