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Tiere und Pflanzen

Von Baumeistern und Bauern

Wolfgang Schießl ist ist beim BN aktiv und ehrenamtlicher Biberberater im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen. Also, eigentlich berät er natürlich nicht die Biber, sondern die Bauern. Die rufen ihn an, wenn ein Feld überflutet oder ein Fraßloch im Maisacker ist. Dann versucht Schießl, Brücken zu bauen und Frieden zu stiften. Meistens gelingt es ihm. Unsere Autorin Heidi Tiefenthaler hat ihn begleitet.

Wenn Wolfgang Schießl redet, sind seine Hände immer in Bewegung. Und reden ist wichtig in seinem Job, manchmal auch schweigen. »Wenn einer gerade so richtig loswettert, dann darf ich eines nicht – altklug rüberkommen und sagen, ist doch alles nicht so schlimm«, erklärt Schießl. Und nicht nur er, auch seine Frau ist in dieser ersten Stufe der Deeskalation gefragt. Zu Hause hält sie die Stellung. Wenn dann ein aufgeregter Bauer anruft, ist ihre ruhige Art genau richtig. »Dann ist schon mal die erste Luft raus«, sagt Wolfgang Schießl und man hört, wie froh er um dieses gute Teamwork ist. Schießl ist 69 Jahre alt, groß, braun gebrannt und hager. In kurzer Sporthose, Achselshirt, Turnschuhen und blauem Leinenbeutel über der Schulter hätte ich ihn eher für einen Marathonläufer auf dem Weg zum Training als für den ehrenamtlichen Biberberater ge-halten, den ich heute treffen sollte.


Verständnis für Bauern und Biber

Wenn Wolfgang Schießl vor Ort geschädigte Bauern trifft, dauert es manchmal noch fünf oder zehn Minuten, bis der größte Frust raus ist. Dann sieht er sich die Sache in Ruhe an, lässt den Landwirt erzählen und holt schließlich seine Liste raus, das wahrscheinlich wichtigste Instrument bei seiner Arbeit. Auf ihr steht, wie viel Raps, Mais, Weizen und so weiter durchschnittlich auf einem Hektar wächst und wie viel der Bauer dafür auf dem Markt bekommen würde. Schießl überschlägt dann, welche Entschädigung der Landwirt für einen gemeldeten Schaden zu erwarten hat. Manchmal hat der Biber einen Bach gestaut und so ein anliegendes Feld unter Wasser gesetzt, manchmal hat er sich auch direkt an Mais, Raps & Co. gütlich getan. »Wichtig ist, dass auf der Liste ›Bauernverband‹ und nicht etwa ›Landratsamt‹ steht«, erklärt Schießl und grinst. Nach zehn Jahren im Einsatz kennt er seine »Kundschaft« ziemlich gut, die Bauern ebenso wie die Biber. Verständnis für beide zu haben, ist sein Job – sein ehrenamtlicher wohlgemerkt. 28 Stunden im Monat steckt er da hinein. Dass ihm beim Biber das Verständnis leicht fällt, kann ich unschwer heraushören. Das Fleißige, aber auch das leicht Anarchische am Biber gefallen ihm. »Der baut einfach und fragt keinen.«


Landschaftsgestaltung nach Biberart

Heute hat es Schießl mit einem überfluteten Weizenfeld zu tun. Bevor er dort in zwei Tagen einen Vor-Ort-Termin mit der Unteren Naturschutzbehörde und dem Landwirt hat, will er sich selbst ein Bild von der Situation machen. Wir fahren also kreuz und quer durch die Felder und landen schließlich an einem unscheinbaren Rinnsal. Etwa 40 bis 50 Zentimeter breit, fließt es, gesäumt von Gebüschen und Bäumen, in einem unsichtbaren Betonbett schnurstracks durch die landwirtschaftlichen Flächen. Da hält Wolfgang Schießl, inzwischen mit Gummistiefeln ausgestattet, plötzlich inne und hebt den Finger ans Ohr. »Da plätschert’s, da is’ was,« sagt er. Wir finden ein paar abgebissene Äste im Wasser, ein kleines Querbauwerk und schon fließt das Bächlein nicht mehr schnurgerade, staut sich ein bisschen und macht einen Bogen, ehe es wieder in die menschengemachte Spur zurückwechselt.

Der Biber nutzt die kleinen Seitenbäche der Altmühl gerne, um sich eine Wasserlandschaft ganz nach seinem Geschmack zu gestalten. Ein Stück weiter vorne haben wir den Schadensfall entdeckt: Ein paar biberbreite Fraßwege führen in das angrenzende Weizenfeld und eine Schlammschicht zeigt, dass hier vor kurzem noch das Wasser stand. Matschige Traktorspuren und ein Berg von Ästen, Laub und Schlamm zeugen davon, dass der Bauer das Problem bereits auf seine Art gelöst hat. Der Bach fließt jetzt wieder relativ zügig ab, aber eine ausladende Kurve im Bachverlauf beweist, dass der Biber hier fleißig an einem Damm gebaut hat, um das Wasser zu einem kleinen Teich aufzustauen. Zum Schwimmen haben Biber gerne Gewässer mit mindestens einem halben Meter Tiefe. Wo diese fehlen, schaffen sie sich eben welche.

Sisyphusarbeit

Schnell ist klar, dass der Fall wohl unterhalb der Bagatellgrenze liegen wird. Was den Landwirt in Rage ge-bracht hat, macht auf dem Papier summa summarum voraussichtlich keine 50 Euro Schaden aus. Manchmal sieht es im ersten Moment eben schlimmer aus, als es dann tatsächlich ist. Da heißt es für Schießl, klug und empathisch kommunizieren. Großzügig sein, zuhören, Verständnis zeigen. Das hat er in den Biberberater-Kursen gelernt und aus der Erfahrung. Es ist wichtig, dass die Landwirte sich gehört fühlen. Dann besteht weniger die Gefahr, dass sich Konflikte verschärfen. Und vielleicht wächst dann auch eine nächste Bauerngeneration heran, die den Biber als Mitbewohner dieser Landschaft sieht und nicht mehr als Feind.

Klar ist, dass der Biber an diese Stelle zurückkehren und unverdrossen weiterbauen wird. Schießls Job ist also in gewisser Weise der eines Sisyphus, aber das macht ihm nichts aus. »Nein, frustrierend ist die Arbeit nicht – sie geht halt nie aus.« Weil der Biber im Landkreis bleiben und seinen Lebensraum immer weiter gestalten wird. »Er will bauen, das ist sein Instinkt«, sagt Schießl. Dann zeigt er mir noch einen seiner Lieblingsbäche: Drei Dämme innerhalb von wenigen hundert Metern hat der Biber dort angelegt, einer davon mehrere Meter hoch, die obere Baukante sauber mit Schlamm verputzt. »Sehn’ Sie des? Sehn’ Sie des?« Schießl stürmt jetzt mit großen Schritten voran, sodass ich kaum mehr hinterherkomme. »Des macht der alles mit seine kleinen Händchen.« So viel Begeisterung kann man einfach nicht widerstehen und ich freue mich an der kleinen Urlandschaft, die hier entsteht – kostenlos und als wertvoller Lebensraum für zig gefährdete Arten.

Lieber mal offline

Mittagspause. Wir sitzen auf der »Ingrid-Bank« neben einer kleinen Streuobstwiese, die Wolfgang Schießl »nebenher« mit BN-Kollegen der Ortsgruppe pflegt. Circa 15 Stunden im Monat gehen mit Wiesenpflege, Fledermausschutz und Kindergruppe sicher auch nochmal drauf. Ingrid heißt seine Frau und ein kleines silbernes Schild gibt der Bank ihren Namen. Ruhig ist es hier und man kann weit ins Land schauen. Schießl streckt die langen Beine aus. Das Handy hat er wie meistens ausgeschaltet, weil er es nicht leiden kann, immer »online« zu sein. Für Erreichbarkeit sorgt ja seine Frau zu Hause in der Einsatzzentrale. »Das macht die gut«, sagt er nochmal. Und dass es gut ist, ein gemeinsames Hobby zu haben, jetzt, wo die Kinder längst groß sind.