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Deusmauer Moor: Kaltluftsee statt "Autobahnsee"

Das Deusmauer Moor in der Oberpfalz ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. So bietet das Niedermoor mit seinem Kaltluftsee ideale Bedingungen für pflanzliche Raritäten wie die beiden Eiszeitrelikte dickblättrige Sternmiere und die Himmelsleiter. Es ist kaum zu glauben, dass dieser einmalige Lebensraum in den 1960er und 1970er Jahren einem Freizeitsee geopfert werden sollte.

Eine kaum bekannte ökologische Rarität ist das Deusmauer Moor nahe Velburg: Eines der wenigen größeren Niedermoore im Oberpfälzer bzw. Fränkischen Jura, aber nicht nur deswegen ein einzigartiger Platz. Das Talbecken der jungen Schwarzen Laaber bildet dort einen "Kaltluftsee", an dessen "Boden" es selbst im Hochsommer zu Nachtfrösten kommen kann.

Dadurch haben sich in der dortigen Vegetation sogenannte Eiszeitrelikte erhalten: Pflanzen wie die dickblättrige Sternmiere und die Himmelsleiter, die in Zentraleuropa heute nur noch hier vorkommen. Ansonsten findet man sie nur im hohen Norden, wo kältere Temperaturen und auch sonst weit unwirtlichere Bedingungen vorherrschen.


Der Traum von einem Freizeitsee

Mit dieser Rarität wäre es vorbei gewesen, wenn eine Idee realisiert worden wäre, die Ende der sechziger Jahre die Politik und weite Teile der Bevölkerung begeisterte: Sie sah vor, das Deusmauer Moor bis auf den gewachsenen Boden auszubaggern und dort einen 5,5 Kilometer langen und 400 Meter breiten Freizeitsee anzulegen. Segel- und Ruderboote sollten hier unterwegs sein, Schwimmer und Taucher – das sollte Touristen und Geld in die Region bringen, die nicht nur unter dem riesigen amerikanischen Truppenübungsplatz Hohenfels litt, sondern insgesamt als "strukturschwach" galt.

Maßgeblich vorangetrieben wurde das Vorhaben von dem örtlichen CSU-Landtagsabgeordneten Ludwig Rupp, der Anfang 1970 sogar einen einstimmigen (!) Landtagsbeschluss erreichte für den "Autobahnsee", wie er bald genannt wurde. In früheren Jahren hatte Rupp sich lange Zeit für eine Entwässerung und Trockenlegung des Moors für landwirtschaftliche Zwecke eingesetzt, doch im Jahr 1962 erbrachte ein Gutachten der Bayerischen Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau, dass da nicht viel zu holen war: Der Zugewinn an landwirtschaftlicher Nutzfläche wäre gering gewesen.

Stattdessen hatte die Landesanstalt in ihrem Gutachten vorgeschlagen, in einem Teil des Gebiets entlang der geplanten Autobahn einen großen Weiher anzulegen, die eigentlichen Moorflächen aber unter Naturschutz zu stellen, selbstverständlich unter Ausklammerung der landwirtschaftlich genutzten oder "verbesserungswürdigen" Flächen. Den besonderen Wert des Moores bestätigte das Gutachten:

"Es darf darauf hingewiesen werden, dass im Deusmaurer Moor im Jahre 1964 erstmals in Bayern Stellaria crassifolia (dickblättrige Sternmiere) von Herrn Apotheker G. Roßkopf aus Bodenwöhr-Opf. und Herrn Oberamtsmann O. Mergenthaler, Regensburg, entdeckt wurde. Es handelt sich dabei um zwei Fundstellen, wo diese nordische, arktisch-subarktische Pflanze zusammen mit Carex diandra, Carex limosa, Menyanthes trifoliata, Stellaria palustris, Comarum palustre u.a.m. ziemlich zahlreich auftritt. Ihr Vorkommen, das hier als Relikt zu betrachten ist, ist auch deshalb interessant, da im Deusmaurer Moor noch mehr sonst selten gewordene nordische Arten wie Polemonium coeruleum, Carex dioeca, u.a. zu finden sind."

Bald danach wurde das Deusmauer Moor mit Beschluss des Landratsamts Parsberg vom 1.8.1965 als Naturschutzgebiet "vorläufig sichergestellt".

Allerdings war seither auch die Idee eines künstlichen Gewässers in der Welt. Aus dem von der Landesanstalt vorgeschlagenen "großen Weiher" wurde unversehens ein 4 Kilometer langer See, unter dem das wertvolle Moor einfach verschwinden sollte. Nicht nur MdL Rupp lockte dieser See, auch Landräte, Bürgermeister und die zuständigen Behörden begeisterten sich dafür. Die lokale Zeitung unterstützte das Vorhaben und druckte viele zustimmende bis euphorische Leserbriefe ab, in denen auch immer wieder die als felsenfeste Überzeugung verkleidete Hoffnung zum Ausdruck gebracht wurde, die Finanzierung des aufwendigen Vorhabens sollte kein Problem sein, weil es dafür bis zu 95 Prozent Zuschüsse gebe.


Der Wert des bestehenden Moores

Nur wenige stellten sich der allgemeinen Begeisterung entgegen, darunter der Hemauer Apotheker und Heimatpfleger Dr. German Roßkopf. Als einer von wenigen kannte er den botanischen Wert dieses Moors, weil der darüber seine botanische Doktorarbeit geschrieben hatte. Er warnte vor den gigantischen Kosten, wenn dort "mehr als 10 Millionen Festmeter [Moorboden] auszukoffern" und abzutransportieren wären. Vor allem aber bemühte er sich, der Öffentlichkeit in Leserbriefen den besonderen Wert des Gebietes nahezubringen:

"Ein Blick auf die geologische Karte von Bayern zeigt, dass wir im Tal der Schwarzen Laaber das östliche Zutagetreten des Eisensandsteins im Frankenjura kennen, dessen Schichten allgemein nach Südosten einfallen. Die Laber hat hier wasserführende Ablagerungen angeschnitten, die zahlreiche Quellen speisen. (…)

Die aufsteigenden kalten Quellen haben zusammen mit den anderen edaphischen Gegebenheiten einen Kaltluftsee entstehen lassen, in dem sich Pflanzen behaupten konnten, wie sie sonst in unseren Breiten nur im Anschluss an die Eiszeit häufiger vorkommen. So wurde 1964 im Deusmauer-Moor die dickblättrige Sternmiere in ihrem südlichsten Vorkommen festgestellt. Eine Reihe weiterer hochnordischer Arten hat in den Labermooren nach der Eiszeit Zuflucht gefunden, etwa die prächtige Himmelsleiter. (…) Das Deusmauer-Moor ist im Frankenjura und im gesamten nordbayerischen Raum einmalig." (Leserbrief 13.10.1969)


Naturschutz als Hindernis

Tatsächlich gab es für die Anlage des Sees nur noch ein größeres Hindernis, wie die Zeitung für den Landkreis Parsberg in geradezu rührender Offenheit feststellte:

"Möglicherweise wird der Naturschutz ein Wort mitsprechen. Das Deusmauer Moor ist Naturschutz-gebiet. Man nimmt an (sic!), dass seltene Pflanzen hier zu finden sind."

Der längst erbrachte botanische Nachweis wurde so flugs zu einer bloßen "Annahme" herabgestuft. Doch einer der Förderer des Projekts hatte einen Vorschlag, den die Zeitung als interessant ansah:

"Um den Beweggründen des Naturschutzes entgegen-zukommen, könnte zugleich mit dem See ein Pflanzen-garten in einem Teil zwischen Deusmauer und Lengenfeld geschaffen werden. In diesem Gebiet könnten die Pflanzen des gesamten Seegebiets umgepflanzt werden. Wenn dieser Teil mit Wander-pfaden durchzogen würde, wäre für Schulklassen und Naturfreunde eine Exkursionsmöglichkeit und in Verbindung mit dem See eine weitere Attraktion entstanden." (6.10.1969)

Den Quellwasser-durchströmten Moorboden und den Kaltluftsee hätte man dann freilich mitverpflanzen müssen. Dass solche Biotop-Verpflanzungen nicht funktionieren und noch nie funktioniert haben, wusste man offenbar nicht oder wollte es nicht wissen.


Der BN schaltet sich offiziell ein

"Der Naturschutz" sprach tatsächlich ein Wörtchen mit. Im November 1969 lehnte der Bund Naturschutz, damals noch von München aus, den geplanten See im Deusmauer Moor entschieden ab und bezog sich dabei neben renommierten Professoren wie Kraus, Merxmüller und Gauckler auch auf die Dissertation von German Roßkopf.

Der BN schlug stattdessen vor, den See auf der für den Pflanzengarten vorgesehenen Fläche jenseits der Autobahn zu errichten, wo er mit einer Länge von 800 Metern und einer Breite von 400 Metern allerdings deutlich kleiner ausgefallen wäre. Statt 11 Millionen Kubikmetern Masse müsste dann nur eine Million Kubikmeter ausgekoffert werden. Und natürlich sprach sich auch der BN nachdrücklich für die beschleunigte endgültige Unterschutzstellung des Deusmauer Moores aus.

Die Befürworter des Autobahnsees waren von dem BN-Vorschlag – erwartungsgemäß – wenig begeistert. Als "Kompromisslösung" schlugen sie daher vor,

"das Moor nördlich von Deusmauer zu belassen, den See also in Nordostrichtung zwischen Dietkirchen und Oberwiesenacker anzulegen. Er wäre ausreichend groß für den Wassersport und reine Erholungsstätte (…). Dem Naturschutz bliebe dann noch die Hälfte des Moores." (19.11.1969)

Doch auch damit konnten sie sich nicht durchsetzen, wie die damalige BN-Verbandszeitschrift "Blätter für Naturschutz" in Heft 2/1970 meldete:

"Der Wirtschaftsausschuss des bayerischen Landtags hat sich den Vorschlägen des Bundes Naturschutz angeschlossen und den ursprünglichen Plan fallengelassen, dass Deusmauer Moor zu überfluten." (BfN 2/1970, S. 27)


Endlich Naturschutzgebiet

Trotzdem dauerte es noch bis zum 26. Mai 1980, bis der damalige bayerische Umweltminister Alfred Dick die "Verordnung über das Naturschutzgebiet Deusmauer Moor" mit 73,3 Hektar endgültig ausfertigte. Inzwischen ist das Moor auch Bestandteil des Fauna-Flora-Habitat-Gebiets "Talmoore an der Schwarzen Laaber".

Noch im gleichen Jahr konnte der Bund Naturschutz dort mit staatlicher Förderung beträchtliche Flächen erwerben, die im unmittelbaren Anschluss an den naturnahen Bachlauf der Schwarzen Laaber (Landkreis Neumarkt) in einem großräumigen Talmoorabschnitt zwischen Unterweickenhof und Dietkirchen gelegen sind. Diese Flurstücke weisen reine typische Kalkflachmoorbestände mit Erlenbruchwald, Großseggenried, Kleinseggensümpfen und Hochstaudenfluren auf.

Vor der Überflutung mit einem Autobahnsee konnte das Deusmauer Moor mit seinen wertvollen Eiszeitrelikten also bewahrt werden. Ob die kälteliebenden Pflanzen allerdings auch den Klimawandel überstehen werden, ist leider alles andere als sicher.

In jedem Fall schützt und pflegt die 1974 gegründete Kreisgruppe Neumarkt des Bund Naturschutz das Deusmauer Moor nach besten Kräften. Und sie feiert dort jeden Sommer ihr traditionelles Moorfest, bei dem alle Interessierten Moorführungen aus nächster Nähe erleben können: Schon ein Abenteuer, wenn der Boden unter den Füßen schwankt und der für die Wanderung vorsorglich ausgegebene lange Stecken bei Belastung plötzlich um 60 Zentimeter ins "Nichts" absackt.


Weitere Informationen

Roßkopf, German: Das Deusmauerer Moor

Ein kurzer, aber sehr kundiger Artikel über das Deusmauer Moor von jenem pflanzenkundigen Apotheker, der über das Deusmauer Moor promoviert und maßgeblich zu seiner Rettung beigetragen hat, dankenswerterweise auf der Website der Stadt Velburg für die Öffentlichkeit dokumentiert.