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Tiere und Pflanzen

Artenschutz in Bayern

Tiere, Pflanzen, Pilze: Sie alle spielen für unser Überleben eine wichtigere Rolle als wir oft ahnen. Der Artenschutz soll dafür sorgen, dass sie in ihrer Vielfalt erhalten bleiben – auch hier in Bayern. Doch wie funktioniert Artenschutz eigentlich konkret?

„Think globally, act locally“ lautet die Devise für einen wirksamen Artenschutz. In den Weltmeeren und im tropischen Regenwald mag die höchste Artendichte der Welt zu finden sein, doch beim Artenschutz geht es um jede einzelne Region. Schließlich sind die meisten Arten auf bestimmte klimatische und geografische Lebensräume angewiesen und auch in Deutschland finden sich wahre Schatzkästchen der Natur.

Warum Artenschutz?

In Bayern leben etwa 60.000 bis 62.000 Tier- und Pflanzenarten, die meisten davon in naturbelassenen Wäldern oder Feuchtgebieten. Besonders hoch ist ihre Dichte auch in der bayerischen Alpenregion. So liegen vier der fünf Hotspots der biologischen Vielfalt, die das Bundesamt für Naturschutz in Bayern lokalisiert hat, in oder an den Alpen.

5,7 %

Tierarten

ausgestorben

3,5 %

Pflanzenarten

ausgestorben

Doch dieser Reichtum schwindet zusehends: Von den Tieren, Pflanzen und Pilzen, die für die Rote Liste der in Bayern gefährdeten Arten untersucht wurden, sind aktuell über 40 Prozent bedroht. 5,7 Prozent seiner Tier- und 3,5 Prozent seiner Pflanzenarten hat Bayern bereits verloren. Besonders beunruhigend: Auch ehemals häufige Arten ziehen sich mittlerweile aus weiten Landesteilen zurück.

Der Artenschutz hat die Aufgabe, wild lebende Tier- und Pflanzenarten sowie deren Lebensräume zu erhalten. Sein wichtigstes Ziel ist es, das massive Artensterben zu stoppen und so die biologische Vielfalt zu sichern. Wichtig: Beim Artenschutz geht es nicht darum, einzelne wild lebende Pflanzen oder Tiere zu schützen, sondern um den Erhalt ganzer Populationen, so nennt man alle Individuen einer Art in einem bestimmten Gebiet.

In Deutschland sind die Zuständigkeiten im behördlichen Artenschutz zwischen Bundes- und Landesebene aufgeteilt. Die Bundesbehörde (BfN) ist vorrangig für Fragen zur Ein- und Ausfuhr geschützter Arten zuständig. Die Landesbehörden beschäftigen sich mit allen Fragen im Zusammenhang mit Besitz und Vermarktung sowie Meldung und Buchführung.

Die Zuständigkeiten auf Landesebene teilen sich in Bayern wiederum verschiedene Behörden. Grundsätzlich verantwortlich ist als Oberste Naturschutzbehörde das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. Für Ausnahmegenehmigungen ist aber beispielsweise meist die Regierung als Höhere Naturschutzbehörde zuständig. Weitere Zuständigkeiten verteilen sich auf das Landesamt für Umwelt, die Landesanstalt für Landwirtschaft, die Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen sowie die Kreisverwaltungsbehörden als Untere Naturschutzbehörden.

Zuständigkeiten im Artenschutz in Bayern

In Bayern und ganz Deutschland genießen grundsätzlich alle wild lebenden Tiere und Pflanzen laut Bundesnaturschutzgesetz den sogenannten allgemeinen Artenschutz. Das ist die schwächste Form des Artenschutzes. Es ist generell verboten, wild lebende Tiere zu beunruhigen, zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Ihre Lebensstätten dürfen nicht ohne vernünftigen Grund beeinträchtigt oder zerstört und wild wachsende Pflanzen nicht entnommen werden. Jeder darf aber beispielsweise wild wachsende Früchte, Pilze, Tee- oder Heilkräuter in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf sammeln. Wichtig ist dabei, pfleglich mit den beernteten Pflanzen umzugehen und nur dort zu sammeln, wo kein Betretungsverbot besteht (also z.B. nicht in Naturschutzgebieten).

Eine Regelung dieses allgemeinen Artenschutzes ist wohl vor allem Gartenbesitzern bekannt: So dürfen Gartenbäume und -hecken zum Schutz brütender Vögel zwischen 1. März und 30. September nicht ganz abgeschnitten werden. Schonende Form- und Pflegeschnitte sind aber erlaubt.

Besonders oder streng geschützte Arten

Für bestimmte Arten geht der gesetzliche Schutz in Bayern und ganz Deutschland aber deutlich weiter. Sie stehen wegen ihrer Gefährdung unter besonderem oder sogar strengem Schutz. Welche Arten das betrifft, ist in den Begriffsbestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes (vergleiche § 7 BNatSchG) festgelegt und nicht etwa – wie oft vermutet – in der Roten Liste. Die Aufnahme in die Rote Liste erfolgt nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten und hat keine direkte gesetzliche Wirkung. Das Bundesnaturschutzgesetz führt aber keine einzelnen Arten auf. Im Wesentlichen wird dort auf deutsche oder europäische Richtlinien und Verordnungen hingewiesen, in denen die betreffenden Arten aufgelistet sind.

Die meisten besonders oder streng geschützten Arten genießen ihren Status aufgrund internationaler Abkommen wie etwa der Europäischen Vogelschutzrichtlinie. So zählen alle europäischen Vogelarten zu den besonders geschützten Tieren. Streng – also noch stärker – geschützt sind unter anderem alle Fledermausarten, Biber, Fischotter, alle europäischen Greifvögel und Eulen, Amphibien wie der Moorfrosch und der Kammmolch oder Reptilien wie die Zauneidechse.

Für besonders und streng geschützte Arten gelten über den allgemeinen Artenschutz hinausgehende Verbote, wie etwa das Besitz- oder Vermarktungsverbot. Welche Verbote das im Einzelnen sind, ist in den §§ 44 ff. des BNatSchG festgelegt. Während Verstöße gegen den Allgemeinen Artenschutz zumeist Ordnungswidrigkeiten darstellen, werden Verstöße gegen besonders oder streng geschützte Arten häufig bereits als Straftaten eingestuft, die Geld- oder Freiheitsstrafen nach sich ziehen können.

Spätestens seit die allseits beliebten Honigbienen spürbar weniger werden, ist das Problem Artensterben auch in der breiten Bevölkerung angekommen. Das hat das bayerische Volksbegehren für die Artenvielfalt 2019 eindrucksvoll gezeigt. Immer mehr Menschen fordern nun wirksame Maßnahmen gegen das Verschwinden von Tier- und Pflanzenarten. Denn es gibt zwar bereits viele gute nationale sowie internationale Zielvereinbarungen, bewirkt haben sie bisher allerdings zu wenig. Das weltweite Artensterben geht unvermindert weiter.

Gründe für das massive Artensterben

Die wichtigsten Gründe für das Artensterben sind auch in Bayern:

  • Verlust und Zerschneidung von Lebensräumen
  • intensive Land- und Forstwirtschaft
  • Klimawandel
  • Eintrag von Nähr- und Schadstoffen
  • invasive (gebietsfremde) Arten

Für eine Trendwende braucht es ein echtes Umdenken, vor allem in den Bereichen Landwirtschaft, Ernährung, Verkehr und Flächenverbrauch. Ein schlagkräftiger und durchsetzungsstarker staatlicher aber auch ehrenamtlicher Artenschutz muss außerdem finanziell und personell viel besser ausgestattet werden.

Maßnahmen: Was macht "der" Artenschutz konkret?

Zum Artenschutz gehört grob gesagt alles, was hilft, wild lebende Tiere und Pflanzen sowie ihre Lebensräume zu erhalten. Vieles davon passiert auf behördlicher, gesetzgeberischer Ebene. Etwa, wenn ein neuer Nationalpark oder ein neues Naturschutzgebiet ausgewiesen oder ein Fluss renaturiert wird. Auch planerische Instrumente wie Umweltgutachten gehören zum Artenschutz. Sie sollen beispielsweise im Vorfeld klären, ob ein Eingriff (etwa Straßenbau, Gewerbeansiedlung, Baugebiet) seltene Tiere oder Pflanzen bedroht.

Der Artenschutz will auch die genetische Vielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt sichern und unterstützt deshalb zum Beispiel Saatgutbanken oder Zuchtprogramme in Zoos. Dies gehört aber nicht zu seinen Hauptanliegen.

Anstöße von Umweltverbänden

Nicht zu vergessen allerdings: Viele Gesetze, Vorschriften und Schutzgebiete gäbe es gar nicht, wenn Naturschutzverbände sich nicht vehement dafür eingesetzt hätten. Auch erfolgreiche Wiederansiedlungen, etwa von Biber oder Wildkatze in Bayern, müssen zwar behördlich genehmigt werden. Die Initiative geht aber oft von der Zivilgesellschaft aus, in den beiden genannten Fällen vom BUND Naturschutz.

2750

Hektar

Schutzgrundstücke

750

Hektar

Pachtgrundstücke

1.000.000

Stunden

ehrenamtlicher Naturschutz

Auch bei den geschützten Lebensräumen spielen Umweltverbände eine Rolle. So hat der BN mittlerweile rund 2.750 Hektar wertvoller Flächen in Bayern erworben und sichert sie damit langfristig. Weitere 750 Hektar hat er gepachtet. All dieser ökologische Reichtum lässt sich nur pflegen, weil Menschen in Bayern Jahr für Jahr etwa eine Million Stunden ehrenamtlich im Naturschutz arbeiten.

Wie bedroht eine Art ist, hängt nicht nur davon ab, wie viele Individuen es noch gibt. Eine wichtige Rolle spielt auch der Zustand des Lebensraumes und wie erfolgreich die Art sich fortpflanzt. Trotzdem sind Zählungen nach wie vor eine wichtige Bewertungsgrundlage. Eine andere Möglichkeit sind DNA-Analysen, etwa anhand von Kotproben. Stellen haupt- und ehrenamtliche Artenkenner bei ihren Beobachtungen fest, dass die Individuen einer Art über einen längeren Zeitraum hinweg abnehmen, sie sich weniger oder kaum noch fortpflanzen oder der Lebensraum massiv geschrumpft ist, kann eine Gefährdung vorliegen. Die Koordination solcher Beobachtungen und Felderhebungen geht von den zuständigen Ämtern aus. Sie beauftragen Wissenschaftler, die über entsprechende Artenkenntnis verfügen. Die wissenschaftlichen Grundlagen fußen aber oft genug auf jahre- und jahrzehntelangen Beobachtungen und akribischen Dokumentationen ehrenamtlicher Artenkenner.

In Deutschland sind der Natur- und Artenschutz im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und in der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) rechtsverbindlich geregelt. Der Artenschutz wird aber stark von europäischen und anderen internationalen Regelwerken beeinflusst. Gesetze der Bundesländer wie das Bayerische Naturschutzgesetz (BayNatSchG) oder der Alpenplan ergänzen die nationalen gesetzlichen Grundlagen.

In der EU sind die Vogelschutzrichtlinie, die FFH-Richtlinie sowie die EU-Artenschutzverordnung wichtig, in Europa darüber hinaus die Berner Konvention. Zu den bedeutendsten weltweiten Abkommen für den Artenschutz zählen das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) und die Bonner Konvention zum Schutz wandernder, wildlebender Tierarten (CMS). Das Internationale Abkommen zur Regelung des Walfangs mit der Internationalen Walfangkommission (IWC) ist ein Beispiel für ein Übereinkommen, das nur für eine bestimmte Tiergruppe gilt.

Arten-Know-how oft aus dem Ehrenamt

Der ehrenamtliche und verbandliche Artenschutz ist eine wesentliche Größe beim Ringen um die biologische Vielfalt. Allein die rund 6.000 Aktiven des BN haben im Jahr 2021 eine Million Stunden ehrenamtlicher Arbeit geleistet, einen großen Teil davon im klassischen Artenschutz. So erhalten sie beispielsweise Streuobstwiesen, auf denen unzählige seltene Tier- und Pflanzenarten vorkommen. Sie retten Amphibien vor dem Straßentod, schaffen Winterquartiere für Fledermäuse und Nistplätze für Vögel, pflegen Orchideenwiesen oder renaturieren Moore.

Bei wissenschaftlichen Maßnahmen wie Artenschutzprojekten oder Biotopkartierungen ist der Geldgeber zwar oft der Staat. Das Spezialwissen dafür haben sich die beauftragten Artenkenner aber nicht selten in ihrer Freizeit und durch ehrenamtliche Tätigkeiten im Naturschutz erarbeitet, weil in den verschiedenen Studiengängen kaum noch Artenkenntnis gelehrt wird. Umso bedenklicher, dass auch im ehrenamtlichen Naturschutz ein deutlicher Rückgang an versierten Artenkennern zu beobachten ist.

Der BUND Naturschutz hat vor einigen Jahren erstmals unter dem Schlagwort Erosion der Artenkenner darauf hingewiesen, dass immer weniger Menschen Spezialwissen in diesem Gebiet aufweisen. Und jene, die es noch haben, werden immer älter. Unter dem Slogan "Entdecke Dein Naturtalent" bietet der BN inzwischen viele Artenkenntnis-Seminare an – im Sommer vor allem in den BN-Kreis- und Ortsgruppen überall in Bayern. Dort heißt es dann raus in die Natur und Vögel, Wildblumen oder Pilze direkt vor Ort kennenlernen. Im Winter bietet das BN-Bildungszentrum zahlreiche Artenkenntnis-Seminare für alle interessierten Einsteiger online an. Die Nachfrage ist erfreulicherweise groß.