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Was ist artgerechte Tierhaltung?
Hühner, Schweine und Kühe – sie alle liefern uns als Nutztiere wertvolle Lebensmittel. Eine artgerechte Haltung erspart ihnen Schmerz und Stress und achtet ihre natürlichen Bedürfnisse nach Bewegung, Beschäftigung und Kontakt mit Artgenossen.
Essen Sie Fleisch, Eier und Milchprodukte? Dann ist Ihnen bestimmt wichtig, dass die Tiere, von denen diese Lebensmittel stammen, gut – also artgerecht – gehalten wurden. Doch was heißt das eigentlich genau?
Eine gesetzliche Definition des Begriffs "artgerechte Tierhaltung" gibt es nicht. Prinzipiell weiß der Verbraucher also nicht, was dahinter steckt, wenn Fleisch oder andere tierische Produkte entsprechend gekennzeichnet sind. Dass die gesetzlichen Regelungen des Tierschutzgesetzes und der Tierschutz-Nutztierhaltungsverodnung eingehalten wurden, davon sollte man in der Regel ausgehen können. Tierschutz-, Verbraucher- und Naturschutzverbände sind sich allerdings einig, dass diese Gesetze in ihrer jetzigen Form keine artgerechte Tierhaltung sicherstellen. BUND und BUND Naturschutz fordern deshalb eine gesetzlich definierte und verpflichtende Kennzeichnung von tierischen Lebensmitteln. Sie soll dem Verbraucher klar zu erkennen geben, ob die Nutztiere hinter den Produkten artgerecht gehalten wurden.
Das natürliche Verhalten einer Tierart soll das Vorbild für eine artgemäße Haltung sein. Wie ernährt sich das Tier natürlicherweise? Wie reinigt, ruht und bewegt es sich? Und welchen Kontakt braucht es zu seinen Artgenossen? Diese je nach Art unterschiedlichen Bedürfnisse eines Tieres sollte eine artgerechte Haltung soweit nur irgend möglich beachten. Und natürlich müssen die Nutztiere so gehalten werden, dass sie keine Verletzungen, keinen Stress oder Schmerzen erleiden.
Artgerechte Tierhaltung: Was brauchen Hühner, Schweine oder Kühe?
Hühner sind gesellig, natürlicherweise bilden sie Gruppen von etwa 20 Hennen, einigen Junghähnen und einem erwachsenen Hahn. Sie verbringen viel Zeit damit, gemeinsam auf Futtersuche zu gehen. Bei Dämmerung suchen sie sich einen hochgelegenen Schlafplatz, um sicher vor Bodenfeinden zu sein. Wer Hühner im Freien beobachtet hat, weiß, dass sie gerne flattern, picken, scharren, hacken – und auch neugierig sind. Sie baden sich zur Körperpflege in „selbstgebauten“ Kuhlen im Sand oder in der Erde und fühlen sich im Freiland nur so richtig wohl, wenn sie Schutz in Form von Bäumen, Hecken oder Sträuchern in der Nähe wissen.
Schweine sind neugierige, lernfähige und intelligente Tiere. Mehrere weibliche Schweine leben natürlicherweise in Gruppen und mit ihren Jungen zusammen. Soziale Kontakte zu den Artgenossen sind daher wichtig. Die meiste Zeit des Tages verbringen Schweine mit der Nahrungssuche – das heißt sie wollen Wühlen, Scharren, Schnüffeln, sich bewegen und etwas erkunden. Ihre Füße sind eher für weichen Untergrund ausgelegt, was für Stroheinstreu, statt der heute üblichen Spaltenböden spricht. Sie ruhen gerne in der Gruppe und auf sauberem, weichem und trockenem Untergrund. Zur Körperpflege scheuern (z.B. an Baumstämmen) und suhlen sich Schweine gerne.
Kühe sind ausgesprochene Herdentiere. Sie brauchen Kontakt zu Artgenossen, etwa in Form von gegenseitiger Körperpflege oder auch dem „Aufreiten“ oder „Hornen“. Andererseits müssen sie auch die Möglichkeit haben, einen Abstand zu anderen Kühen einzuhalten, der ihrem Rang entspricht. Bei der Futtersuche legen sie natürlicherweise weite Strecken zurück, sie fressen quasi während des Gehens. Rinder scheuern sich gerne und brauchen trockene und saubere Liegeflächen – etwa zum Wiederkäuen.
Hierfür gibt es leider zahlreiche Beispiele – aus der Massentierhaltung, aber teilweise auch aus kleineren Betrieben. Denn die heute gesetzlich erlaubten Haltungsformen sind in vielen Fällen alles andere als artgerecht. So leiden beispielsweise Kühe, die tagaus tagein angebunden sind an Schmerzen in den Fußgelenken; Schweine, die auf den inzwischen üblichen Spaltenböden stehen und liegen, haben oft peinigende Gelenkerkrankungen, offene Druckstellen oder Schleimbeutelentzündungen. Aufgrund von Platzmangel, Langeweile oder Stress in der Massentierhaltung beißen sie teilweise in die Metallstangen ihrer Ställe oder, noch schlimmer, sich gegenseitig Teile von Ohren und Schwänzen ab. Trotz EU-Verbot (seit 1994) wurden deshalb 2018 noch über 90 Prozent aller Ferkel in der EU die Schwänze gekürzt.
Mast- und Legehühner entwickeln in der Massenhaltung aufgrund von Platzmangel, schlechten Böden und Schadgasen oft Knochenverformungen, Fußballenentzündungen und Erkrankungen des Atemtraktes. Weil ihnen die natürliche Futtersuche fehlt, picken sie sich teilweise gegenseitig blutig.
Die genannten Missstände sind wohlgemerkt nur eine Auswahl dessen, was in der landwirtschaftlichen Tierhaltung falsch läuft. Vieles davon haben die wissenschaftlichen Berater der Bundesregierung in Sachen Landwirtschaft (Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) bereits 2015 in einem Gutachten festgestellt und kritisiert (Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung). Die Anstrengungen und Fortschritte der Politik in puncto artgerechter Tierhaltung sind leider trotzdem überschaubar.
Eine artgerechte Haltung endet mit einer Schlachtung ohne Qual
Gerade am Ende eines Nutztierlebens stehen heute oft unnötiger Stress und viel Leid: lange Transporte zu den wenigen verbliebenen Schlachthöfen und Schlachtung im Akkord mit den daraus entstehenden Missständen wie schlechte Behandlung der Tiere und mangelnde Betäubung vor der Schlachtung. Die Coronapandemie hat die für Mensch und Tier unhaltbaren Strukturen in der Schlachtindustrie zuletzt wieder einmal ans Tageslicht gebracht. Die Qual der Tiere, aber auch grausame Arbeitsbedingungen am Fließband in den großen Schlachtstätten müssen endlich thematisiert und abgeschafft werden.
Der BUND Naturschutz fordert deswegen eine Rückkehr zu kleineren, regionalen Schlachthöfen, wie es sie früher gab. Viele kleinere Schlachtstätten von Metzgereibetrieben mussten in den vergangenen Jahrzehnten schließen. Sie gaben unter dem Druck der Konzernriesen, die billiger schlachten können, wegen überhöhter Gebühren, etwa für die Fleischbeschau, und nicht zuletzt wegen überzogener EU-Hygienerichtlinien auf. Inzwischen gibt es auch neue Ansätze wie etwa die Weideschlachtung. Sie sind aber noch in den Anfängen.