Almen in Gefahr - Intensivierung macht auch vor den Almen nicht Halt
Almen zählen zum Herzstück des Naturschutzes. Doch die hohe Bedeutung der Almen für den Arten- und Biotopschutz ist zunehmend in Gefahr, denn selbst vor den Almen macht die Intensivierung in der Landwirtschaft nicht Halt. Auf zahlreichen Almen ist die artenreiche, naturschutzfachlich hochwertige Flora und Fauna mittlerweile radikal verarmt. Teilweise hat sogar eine komplette Umstellung der Vegetation von hochwertigen, nach dem Bayerischen Naturschutzgesetz geschützten Magerrasen zu artenarmen Fettweiden stattgefunden.
Schlüsselfaktor für diese Intensivierung ist die Erschließung und hierbei insbesondere der Almwegebau. Allein im Allgäu wurden in den letzten 10 Jahren 63 km neue Almwege gebaut. Nur noch 8 % der 1.380 Almen in Bayern haben keinen direkten Anschluss mit einem Pkw-befahrbaren Weg. Jeder Almwegebau ist mit einem Eingriff in die wertvolle Natur der bayerischen Berge verbunden:
* Jeder Almweg kann zu einer Nutzungsintensivierung führen, wird es doch viel leichter und billiger, Material und Vieh auf die Alm zu transportieren. Insbesondere die Anlieferung und Ausbringung von Mineraldünger und von Gülle aus dem Talbetrieb führt binnen kurzem zu einer radikalen Verarmung der almtypischen Tier- und Pflanzenwelt.
* Beim Almwegebau entstehen zwangsläufig neue Einschnitte und Aufschüttungen - über Jahrzehnte offene Ansatzpunkte der Erosion und weithin sichtbare Landschaftswunden.
* Jeder neue Almweg überbaut wertvolle Vegetation und wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Dass es sich bei dieser überbauten Fläche um keine "zu vernachlässigende Größe" handelt, wie immer wieder behauptet wird, ist nicht richtig. Allein im Allgäu wurden in den vergangenen 10 Jahren ca. 22 ha Land unter neuen Almwegen begraben.
* Neubauten von Almwegen verschärfen die in den bayerischen Alpen generell bereits hohe Belastung störempfindlicher Tierarten, wie z.B. Auerhuhn oder Birkhuhn. Der Verkehr durch die Almbauern selbst sowie durch Erholungssuchende, wie Mountainbiker oder Skitourengeher, bringen zusätzliche Beunruhigungen in zuvor ruhige Gebiete. Die Wiederausbreitung früher heimischer, störempfindlicher Tierarten wie den Luchs, wird massiv behindert.
Aber auch sog. "alternative" Erschließungen, wie der Hubschraubertransport, können zu gravierenden Einbußen bei der Arten- und Biotopqualität führen, wie das Beispiel der Dicklalm am Wendelstein zeigt, auf die 2001 palettenweise Mineraldünger per Hubschrauber geflogen wurde.
Der Bund Naturschutz kann durchaus nachvollziehen, dass Almbauern eine gute Erschließung ihrer Alm wünschen und unterstützt dies auch, sofern sichergestellt ist, dass damit weder durch die Erschließung selbst, noch durch Folgewirkungen der Erschließung Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft entstehen.
Um sicher zu stellen, dass Erschließungen nicht mit Risiken für die wertvolle Naturausstattung der bayerischen Berge verbunden sind, fordert der Bund Naturschutz die Staatsregierung auf, Erschließungen und die Bezuschussung von Erschließungen eng an ökologische Kriterien zu koppeln. Insbesondere beim Almwegebau ist die Kehrtwende mehr als überfällig, wie die aktuellen Wegebauprojekte in Oberbayern zeigen:
Wallgauer Alm im Estergebirge (Landkreis Garmisch-Partenkirchen): Die Rinder auf der nur rund 20 Gehminuten von der Krüner Alm gelegenen Wallgauer Alm wurden bislang vom Hirten der Krüner Alm problemlos mitversorgt. Doch seit heuer betreut die Wallgauer Weidegenossenschaft ihre Kühe selbst. Zwar dauert der Fußweg von der bereits vorhandenen Forststraße zur Alm nur ca. 15 Minuten, trotzdem hat die Weidegenossenschaft gleich einen neue, ca. 1 km langen neuen Almweg beantragt. Der Weg ist durch wertvollsten Bergwald und extrem artenreiche Alm-Weideflächen geplant. Selbst das Bayerische Landwirtschaftsministerium räumt ein: "Die Planung für den Weg berührt sowohl artenschutzrechtliche Aspekte als auch nach Art. 13 d BayNatSchG geschützte Biotopflächen."
Roßalm am Geigelstein (Landkreise Rosenheim und Traunstein): Immer noch aktuell ist der geplante Weg auf die Roßalm am Geigelstein. Der BN hat in einem umfangreichen Gutachten die vielfältigen Beeinträchtigungen durch diesen Wegebau aufgezeigt (s.a. PM 19/ 2001 vom 16.7.2001). Dennoch hält die Staatsregierung an diesem völlig unsinnigen Wegebauprojekt fest.
Gedereralm bei der Kampenwand (Landkreis Rosenheim): Lediglich 1/4eine Viertel Stunde Gehzeit sind der Anlass für das Almwegeprojekt Gedereralm. Auch hier verläuft die geplante Trasse durch wertvollste Lebensräume. Orchideenreiche Kalkmagerrasen und Birkwild-Lebensräume sind durch den neuen Weg bedroht.
Alle Projekte sind nicht nur ökologisch unsinnig, sondern auch eine Verschwendung von Steuergeldern. 70 % der Kosten für jede Almstraße zahlt der Steuerzahler ! Allein für die in den letzten 10 Jahren gebauten Almwege im Allgäu wurden 7,3 Millionen EURO aus Steuermitteln ausgegeben.
Um die hohe ökologische Bedeutung der Almen zu sichern, fordert der Bund Naturschutz die bayerische Staatsregierung deshalb auf:
a) Erstellung eines Konzepts für die umweltgerechte Versorgung der letzten Almen ohne Pkw-befahrbaren Weg unter Prüfung aller Erschließungsvarianten (Spezialfahrzeug, Hubschrauber, Materialseilbahn, Tragtiere). Hunderte von Beispielen aus dem Alpenraum zeigen, dass mit diesen alternativen Versorgungsarten eine vollwertige, kostengünstige und naturverträgliche Anbindung möglich ist.
b) Aufstellung klarer Kriterien für die Bindung der Bezuschussung von Erschließungen an ökologische Vorgaben,
c) Beteiligung der Naturschutzverbände sowohl bei den unter a) und b) aufgeführten konzeptionellen Festlegungen wie auch bei allen neuen Einzelmaßnahmen, unabhängig vom Schutzstatus.
Der Bund Naturschutz begrüßt, dass als Nachfolge des 2001 aufgelösten Almpaktes einer runder Tisch zur Zukunft der Almwirtschaft in Bayern initiiert wurde, an dem auch die Naturschutzverbände teilnehmen. Der Bund Naturschutz sieht die Formulierung von klaren Zielen für die umweltgerechte, naturverträgliche Versorgung und Nutzung der Almen als wichtige Aufgabe dieses neuen Forums an.
gez.
Prof. Dr. Hubert Weiger,
1. Vorsitzender des BN
Werner Fees,
stv. Sprecher des Arbeitskreises Alpen