Bayern muss endlich seine Blockade gegen den Ausstieg aus der Atomkraft aufgeben
Zum 23. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe am kommenden Sonntag fordert der Bund Naturschutz vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer eine Umkehr auch in der Energiepolitik. “Wer erkannt hat, dass eine genmanipulierte Landwirtschaft Mensch wie Umwelt schaden würde, sollte das Vorsorgeprinzip erst recht bei der lebensgefährlichen und den Klimaschutz blockierenden Atomtechnik anwenden“, appelliert der Bund Naturschutz-Landesvorsitzende Hubert Weiger. Am 26. April 1986 war Block 4 des ukrainischen Atomkraftwerks Tschernobyl explodiert. Eine radioaktive Wolke zog über halb Europa. Noch heute wird in Pilzen und Wildfleisch aus Bayern die damalige radioaktive Verseuchung nachgewiesen.Das Eintreten von Seehofer und Umweltminister Markus Söder für die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke torpediere den Klimaschutz, da Energieeffizienz und der Ausbau erneuerbarer Energien gebremst werde. Jedes Jahr Laufzeitverlängerung bedeute zudem zusätzlich 500 Tonnen hochradioaktive Atomabfälle in Deutschland, für die womöglich auch in Bayern ein Atommülllager gesucht werden müsse. Das finanzielle Abenteuer der bayerischen Landesbank als Mitkreditgeber für den Bau eines Atomreaktors in Finnland müsse beendet werden.
„Die Atomenergie trägt weltweit so gut wie nichts zum Klimaschutz bei. Sie ist und bleibt eine Technologie unbeherrschbarer Risiken, gerade was die Weiterverbreitung nuklearer Materialien und die Entsorgung des Strahlenabfalls betrifft. Sie bremst den Ausbau der erneuerbaren Energien und ihre Bedeutung sinkt in globaler Hinsicht.“ Dieses Fazit zieht nach neuesten Auswertungen Lutz Mez, Geschäftsführer der Forschungsstelle Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin und Autor verschiedener Bücher zur Energie- und Umweltpolitik in einer Analyse der aktuellen Entwicklungen in der Atombranche.
Die Anzahl der weltweit betriebenen Atommeiler beziffern Metz und Weiger auf aktuell 436. Dies seien acht weniger als vor sieben Jahren. Gesunken sei auch der Atomstromanteil. Er liege im globalen Strommix derzeit bei 14 Prozent. Trotz einiger weiterer AKW-Neubauten wie in China oder Indien gingen weltweit deutlich mehr Meiler altersbedingt vom Netz als neue gebaut würden. In verschiedenen Weltregionen seien Regierungsbeschlüsse zum Bau neuer Atomkraftwerke nicht umgesetzt worden. Dies gelte u. a. für die USA und Russland. In der Europäischen Union sei der Rückgang in der Atombranche besonders deutlich: Die Zahl der Atomkraftwerke sei 1988 am höchsten gewesen. Waren damals 177 Reaktoren in Betrieb, seien es derzeit noch 145.
„Es ist mitnichten ein nationaler Sonderweg, wenn Deutschland am Ausstieg aus der Atomkraft festhält“, so der Bund Naturschutz-Vorsitzende Hubert Weiger. „Belgien und Spanien wollen ebenfalls auf Atomstrom verzichten. Ob in Großbritannien oder Polen jemals neue Atommeiler errichtet werden, steht in den Sternen. In Europa baut außer Finnland derzeit nur Frankreich an einem neuen Reaktor und in Bulgarien geht es um die Fertigstellung eines Uraltprojektes aus sozialistischen Zeiten. Überall, wo in Europa neue Atomkraftwerke geplant werden, zeigt sich früher oder später, dass dies ein teurer Irrweg ist.“
Das sichtbarste Exempel für ein finanzielles und sicherheitstechnisches Desaster liefere der mit Billigtskrediten der bayerischen Landesbank subventionierte finnische Atommeiler bei Olkiliotu. Ein weiteres gravierendes Problem der Atomkraft zeige sich in Großbritannien. Die Atomkonzerne Électricité de France (EdF) und E.on hätten der britischen Regierung mitgeteilt, sie würden in dem Land kein neues Atomkraftwerk bauen, wenn die Ausbauziele für erneuerbare Energien nicht nach unten korrigiert würden. „Das bestätigt alle, die schon immer davor gewarnt haben: Die großen Energiekonzerne behindern und bremsen den Ausbau der Erneuerbaren nach Kräften. Ein Mehr an erneuerbaren Energien und neue Atomkraftwerke passen einfach nicht zusammen“, sagte Weiger.
Mez und Weiger appellieren an Bayerns Staatsregierung und die Energie- und Wirtschaftspolitiker aller Parteien, sich von den fadenscheinigen Argumenten der Atommanager nicht beeindrucken zu lassen. Dahinter stünden die Gewinninteressen der großen Energiekonzerne, für die jedes zusätzliche AKW-Betriebsjahr einen Reingewinn von rund 300 Millionen Euro bedeute. Im Übrigen sei das Wahljahr 2009 für die künftige Energie- und Atompolitik in Deutschland entscheidend. Es gehe um die Frage, ob sich der Atomausstieg beschleunigen lasse oder ob es Laufzeitverlängerungen für alte und gefährliche Reaktoren gebe. Laut Atomausstiegsgesetz müssten in der nächsten Legislaturperiode sieben Meiler vom Netz genommen werden.
Weitere Hintergrundinformationen finden Sie in der BUND-Broschüre
„AKW sind von gestern. Die angebliche Atomrenaissance findet nicht statt“: http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/atomkraft/20090422_atomkraft_renaissance_hintergrund.pdf
Für Rückfragen:
Richard Mergner, BN-Landesbeauftragter, Tel.: 0911-8187825 oder 0171-6394370