BAYERN QUO VADIS: GEWERBEBREI ODER HEIMATLANDSCHAFT
„Söders Heimatstrategie ist dazu geeignet, die Reste intakter bayerischer Kulturlandschaft dem ruinösen Wettbewerb der Kommunen um Gewerbeansiedlungen zu opfern“, kommentiert Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND Naturschutz die Pläne Markus Söders zur Lockerung des Anbindegebots im bayerischen Landesentwicklungsprogramms. „Es droht eine Amerikanisierung der Landschaft, mit vielen neuen Gewerbegebieten auf der Grünen Wiese und Siedlungsbändern entlang von Autobahnen und großen Bundesstraßen.“
Der für die Landesplanung zuständige Finanz- und Heimatminister Söder will noch im ersten Halbjahr 2016 eine Novelle des Landesentwicklungsprogramms vorlegen, welche eine weitere Lockerung des sog. Anbindegebots zulassen soll. Das Anbindegebot legt fest, dass neue Siedlungsgebiete nur angebunden an bestehende Siedlungen errichtet werden dürfen. Es sichert damit die kennzeichnenden Ortsbilder, schützt die freie Landschaft vor Bebauung und ermöglicht kurze Wege. Es setzt damit die bayerische Verfassung um, in der es heißt: „Es gehört zu den vorrangigen Aufgaben von Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts, (…) kennzeichnende Orts- und Landschaftsbilder zu schonen und zu erhalten“ (Artikel 141 der Bayerischen Verfassung).
Auch bisher gibt es schon Ausnahmen vom Anbindegebot, etwa für Logistikfirmen. Nach dem Willen des Heimatministers sollen mehrere pauschale Ausnahme neu dazu kommen, welche eine neue Dimension für die Zersiedelung der Landschaft öffnen: Die neuen Ausnahmen beziehen sich auf Gebiete entlang von vierspurigen Straßen, auf interkommunal geplante Gewerbegebiete und auf Tourismusprojekte.
„Im Großraum Augsburg kann man durch die Nutzung von bestehenden Ausnahmegenehmigungen bereits heute sehen, in welche Richtung sich Bayern entwickeln wird, wenn die Anbindegebotslockerung von Minister Markus Söder umgesetzt wird“, so Richard Mergner, Landesbeauftragter des BUND Naturschutz. Die Landkreise Augsburg und Aichach-Friedberg lagen beim Flächenverbrauch in den letzten Jahren weit über dem bayerischen Durchschnitt. Im Landkreis Augsburg wurden zwischen 2000 und 2013 ca. 2000 ha neu bebaut. Im deutlich kleineren Landkreis Aichach-Friedberg waren es immer noch deutlich über 1000 ha.
Luftbilder zu den aufgeführten Beispielen finden Sie in der pdf-Datei im download-Bereich unten
Beispiel Graben:
Bereits heute sind Logistikintensive Betriebe vom Anbindegebot ausgenommen. Das Logistikzentrum bei Graben mit Auslieferungslagern von Amazon, Aldi, Lidl, BMW, DHL und anderen sprengt den Rahmen historisch gewachsener Siedlungsstrukturen völlig. Während der Altort Graben auf eine Siedlungsfläche von etwa 85 ha kommt, umfasst der Gewerbepark bereits heute über 100ha Fläche. Das hohe LKW-Aufkommen im Süden von Augsburg wird als Grund für die Notwendigkeit der Osttangente Augsburg angesehen, einer autobahngleichen Bundesstraße von der B17 zur A8 bei Derching, die wiederum ca. 500 ha Freifläche beanspruchen würde. Eine Lockerung des Anbindegebots würde auch dort wieder die Ausweisung großflächiger Gewerbegebiete ermöglichen.
„Boden ist ein extrem knappes Umweltgut. Wir müssen sparsam damit umgehen und den Teufelskreis aus mehr Verkehr führt zu mehr Flächenverbrauch - mehr Flächenverbrauch führt zu mehr Verkehr durchbrechen“, fordert Johannes Enzler, Vorsitzender der BUND Naturschutz Kreisgruppe Augsburg.
Das für Logistik-Unternehmen vorgesehene Güterverkehrszentrum im Norden von Augsburg ist indes noch nicht ausgelastet. Der Bahnanschluss fehlt noch immer. Insgesamt gibt es im Landkreis Augsburg leere Gewerbegebiete auf ca. 311 ha.
Beispiel Dasing
Interkommunale Gewerbegebiete, wie das 26 ha große interkommunale Gewerbegebiet Acht300 an der Autobahnabfahrt Dasing könnten künftig auf der Grünen Wiese überall in Bayern entstehen, wenn es nach dem Willen nach Heimatminister Markus Söder geht. „Wir vernichten damit das wertvollste Gut, fruchtbarsten Humus, und schaffen Beton und Straßen“, kritisiert Stefan Kreppold, Biolandwirt und Sprecher des BN-Landesarbeitskreises Landwirtschaft.
Das Gewerbegebiet Acht300 entsteht an der B300, die gerade vierspurig ausgebaut wird. Der Flächenfraß durch neue Verkehrswege wird immer größer. Richard Mergner, BN-Landesbeauftragter und Sprecher des BUND-Bundesarbeitskreises Verkehr, kritisiert daher den aktuell von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt vorgelegten Entwurf für den neuen Bundesverkehrswegeplan mit 312 Straßenbauprojekten in Bayern: „Klimaschutz und Flächenschutz sind nur mit einer umfassenden Verkehrswende zu erreichen“.
Beispiel Derching
Direkt an der Autobahnanschlussstelle Derching entstehen derzeit mehrere Einzelhandelsbetriebe: ein Aldi, eine Bäckerei. Die Gastronomie ist mit McDonalds bereits dort. Im Gegensatz dazu hat der EDEKA-Markt im Ortskern von Derching vor einigen Monaten bereits geschlossen, auch das Wirtshaus von Derching soll durch Wohnbebauung ersetzt werden. Ernst Haile, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Aichach Friedberg fordert daher:
„Einzelhandels- und Gastronomieflächen an Autobahnabfahrten müssen verboten werden. Diese führen zu einer Verödung unserer Dörfer und Städte“.
Beilpiel Gersthofen
Gersthofen hat in den vergangenen Jahren an der A8 und B2 Gewerbeflächen in einer Flächengröße von weit über 300 ha ausgewiesen und damit den Wettbewerb um Gewerbeansiedlungen im Großraum Augsburg stark erhöht. Johannes Enzler, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Augsburg erläutert: „ Landwirtschaftlicher Boden im Großraum Augsburg ist inzwischen so knapp geworden, dass es für viele Landwirte an ihre Existenz geht. Auch haben wir in Deutschland nicht mehr genug Fläche um uns davon ernähren zu können“.
Gerade in den vergangenen Jahren wurden der Grünzug zwischen Augsburg und Gersthofen auch noch mit Gewerbegebieten erschlossen, so dass der Charakter der gewachsenen Ortschaften vollends verloren ging. Zur Erschließung wurden Verkehrsbauwerke errichtet, die mehr an Los Angeles als Bayern erinnern.
Für Rückfragen:
Thomas Frey
BN-Regionalreferent für Schwaben
BUND Naturschutz-Fachabteilung für Südbayern
Tel.: 089-548298-64 und Mobil: 0160-95501313