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Betonflut stoppen - Regensburg braucht Klima- und Biotop-Oase im Stadtwesten

BUND Naturschutz warnt vor Bebauung und Versiegelung einer wichtigen Grüninsel

17.05.2021

Nach rund 50 Jahren eines mehr oder minder starken Baubooms und Bevölkerungswachstums zeigt sich, dass die Stadt Regensburg an die Grenzen des rein quantitativen Wachstums gelangt.

Bereits in den letzten Jahren haben sommerliche Hitzeperioden zugenommen, die gerade in stark verdichteten Stadtvierteln auch zu erheblichen gesundheitlichen Belastungen führen können. Außerdem haben Erhebungen gezeigt, dass die Artenvielfalt im Stadtgebiet deutlich zurückgegangen ist und zahlreiche kartierte Biotope überbaut wurden.

Der BUND Naturschutz (BN) sieht daher in der geplanten Bebauung der Biotopfläche an der Ecke Lilienthalstr./ Hermann-Köhl-Str. eine Nagelprobe, wie ernst es Stadtverwaltung und Stadtrat mit den verkündeten Zielen zu Klimaanpassung und Artenvielfalt meinen.

„Bäume sind hervorragende Klimaschützer: Sie produzieren Sauerstoff und verbrauchen dabei das klimaschädliche CO2. Zudem verdunsten Laubbäume an heißen Sommertagen bis zu 400 Liter Wasser und wirken wie eine Klimaanlage, aber natürlich und ohne Stromverbrauch“, so Richard Mergner, Landesvorsitzender des BUND Naturschutz. „Gerade vor dem Hintergrund der bereits eingetretenen Erderhitzung ist es unerlässlich, den noch vorhandenen und für den Klimaschutz wirksamen Baumbestand auch im Regensburger Westen unter allen Umständen als unersetzliches Naturkapital für die Zukunft zu sichern.“

„Obwohl es immer deutlicher wird, dass mit massiver Nachverdichtung, hohen Versiegelungsgraden und starkem Verkehrszuwachs ein deutlicher Verlust an Lebensqualität einhergeht, ergreifen Stadtverwaltung und Stadtrat keine ausreichenden Gegenmaßnahmen“, so Raimund Schoberer, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Regensburg. „Klimaanpassung und Erhalt der Artenvielfalt benötigen auch in Regensburg entschlossene und wirksame Maßnahmen – es darf hierbei nicht bei Ankündigungen und Versprechungen bleiben.“

Aktuell wird bereits seit Januar 2021 für die Bebauung eines 11.000 Quadratmeter großen, amtlich kartierten Biotops im Westen der Stadt Regensburg an der Lilienthalstraße geworben, obwohl für die beabsichtigte Wohnnutzung kein rechtskräftiger Bebauungsplan besteht. Dadurch drohen die betroffenen Gehölzbestände weitgehend zerstört zu werden. Es handelt sich dabei um einen der letzten noch erhaltenen, zusammenhängenden Grünbestände im entsprechenden Stadtquartier.

Dabei ist dieses Areal sogar im Freiraumentwicklungskonzept der Stadt, das am 30.01.2020 beschlossen wurde, als „Potentialfläche Grün“ dargestellt. Damit hat die Stadt Regensburg selbst diese Zielvorgabe nach einer breit angelegten Öffentlichkeitsbeteiligung verabschiedet. Zudem wurde das Gelände bereits 2007 nahezu vollständig als „amtlich kartiertes Biotop“ erfasst. Es weist über 60 Bäume auf, die unter die Baumschutzverordnung fallen. Dabei ist es u.a. mit Eichen, Hainbuchen, Linden, Ahorne, Eiben und verschiedenen Straucharten bewaldet und beherbergt Höhlenbäume sowie einen Bestand an streng geschützten Zauneidechsen.

Um der Bedeutung dieses Areals Nachdruck zu verleihen, haben die Kreisgruppen BUND Naturschutz und Landesbund für Vogelschutz sowie die Donau-Naab-Regen-Allianz eine Online-Petition gestartet, die bisher von über 2.500 Menschen unterstützt wird (siehe unter https://www.openpetition.de/petition/online/biotop-lilienthalstrasse-retten-endlich-wertvolle-biotope-naherholungs-und-klimaflaechen-erhalten).

Darin wird die Stadt Regensburg dazu aufgefordert, das Biotop in der Lilienthalstraße / Ecke Hermann-Köhl-Straße zu erhalten und alle zerstörenden Maßnahmen zu verbieten.

„So sehr es der BUND Naturschutz begrüßt, dass Regensburg 2012 Gründungsmitglied der „Kommunen für biologische Vielfalt“ war, so sehr sind wir enttäuscht, wie viele Flächen hochwertiger Biotope im Stadtgebiet in den letzten Jahren durch Bebauung und ohne ausreichenden und substantiellen Ersatz sang- und klanglos verloren gegangen sind“, erklärt Richard Mergner. Seitdem wurden große und kleine Biotop in erheblichem Umfang bebaut und weitere werden derzeit immer noch überplant (Bebauungspläne: Ostbahnhof; Bei der Anhalt, ehem. Schlämmteiche).

„Die letzte Fortschreibung des Flächennutzungsplans der Stadt Regensburg mit integriertem Landschaftsplan stammt aus dem Jahr 1983 und idt völlig überholt“, so Hans Lengdobler, stellvertretender Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Regensburg. „Demgegenüber ist der Regensburg-Plan 2040 unverbindlich und kann die Inhalte eines rechtswirksamen Landschaftsplans nicht ersetzen. Das 2019 erstellte Freiflächenentwicklungskonzept ist nur auf die „Erholungsfunktion“ öffentlich zugänglicher Flächen fokussiert, was der BN in seiner Stellungnahme kritisiert hat. Es weist gerade bei weiteren wichtigen öffentlichen Belange wie den Erhalt der Biodiversität oder Klimafunktion von Flächen erhebliche Defizite auf bzw. stellt diese in keiner Weise dar. Doch Regensburg braucht dringend verbindliche Vorgaben für Natur- und Umweltbelange vom Klimaschutz bis hin zum Flächenverbrauch und Biotopschutz.“

Daher appellieren der Landesvorsitzende des BUND Naturschutz Richard Mergner und BN-Kreisvorsitzender Raimund Schoberer an Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer und die Mitglieder des Regensburger Stadtrats, diese Pläne zu überdenken und flächenübergreifende Lösungsansätze zu finden. Ohne eine ordnungsgemäße und vollständige Bauleitplanung, zu der ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan mit Öffentlichkeitsbeteiligung gehört, dürfen keinerlei Eingriffe in das Biotop zum Zweck einer Bebauung vorgenommen werden.

Der Grünbestand ist auch für die Naherholung der im Umfeld lebenden Bevölkerung von Bedeutung. Zudem ist er eine wichtige „Klimainsel“, die während sommerlicher Hitzeperioden abkühlende Wirkung in einem dicht bebauten Umfeld entfaltet. Auch darüber hinaus können Grünbestände und Bäume im Wohnumfeld von Stadtbewohnern deren Gesundheit in vielfältiger Weise positiv beeinflussen. Nach Erkenntnissen kanadischer Forscher verringert ein mehr an Stadtgrün Herz-Kreislauf-Erkrankungen, steigert das subjektive Wohlgefühl und hält körperlich jünger.

Welch bedeutenden Beitrag Natur in der Stadt zur Einsparung von Gesundheitskosten leisten kann, darauf wurde u. a. von Prof. Dr. Bernd Hansjürgens, Chefökonom des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung, im dritten Bericht des Projektes "Naturkapital Deutschland - TEEB-DE" hingewiesen. Demnach macht sich eine Investition in Stadtgrün bzw. Stadtbäume volkswirtschaftlich schon deshalb bezahlt, weil Stress als Mitverursacher für die drei teuersten Erkrankungen gilt (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Einschränkungen des Haltungs- und Bewegungsapparates, psychische Erkrankungen) - mit einem jährlichen Kostenaufwand alleine in Deutschland - von über 100 Mrd. Euro.