Breitwasser statt Hochwasser
Nach Hochwasserkatastrophen fordern Politiker aller Parteien nahezu unisono den Stopp neuer Bauvorhaben in überschwemmungsgefährdeten Gebieten. Dies hat mittlerweile sogar Eingang in Gesetze und raumordnerische Zielvorgaben gefunden.
Umso unverständlicher ist es für den Bund Naturschutz, dass jetzt in Cham die Errichtung eines Baumarktes Im Hochwassergebiet Stadellohe genehmigt werden soll.
Der BN appelliert deshalb an den Investor, Rücksicht auf die Befürchtungen der Anwohner zu nehmen und einen weniger konfliktträchtigen Alternativstandort zu suchen. Der BN appelliert gleichzeitig an das Landratsamt Cham, Konsequenzen aus den Fehlern der Vergangenheit zu ziehen und den Erfordernissen einer vorausschauenden Hochwasservorsorge endlich auch in der Genehmigungspraxis Rechnung zu tragen.
Pfingsthochwasser 1999, Augusthochwasser 2002, Winterhochwasser 2003, Julihochwasser 2007 – die Hochwasserkatastrophen folgen nicht nur in immer kürzeren Abständen, auch die Schäden werden immer dramatischer und treffen Gebiete, die bislang als hochwasserfrei gegolten haben.
Auch die Städte und Gemeinden am Regen waren in den vergangenen Jahren gleich mehrfach von Hochwasserkatastrophen betroffen: 1988, 1995 und zuletzt 2002. An Donau und Regen hat alleine das August-Hochwasser 2002 zu einem Gesamtschaden von über 40 Millionen EURO geführt.
Hier rächen sich die Fehler der Vergangenheit ebenso wie die Versäumnisse der Gegenwart:
Die Kanalisierung und Begradigung der Flüsse, der Wiesenumbruch in den Talauen und die Bodenverdichtung, die Abflussbeschleunigung durch Flurbereinigungsmaßnahmen, aber auch die bis heute nahezu ungebremste Flächenversiegelung und der mancherorts immer noch hemmungslose Zugriff auf Flusstäler für neue Straßen, Bau- und Gewerbegebiete.
Nicht zuletzt deshalb wurde vom damaligen Regierungspräsidenten Wilhelm Weidinger eine Projektgruppe „Vorbeugender Hochwasserschutz“ eingerichtet und sogar öffentlich ein Verbot jeglicher Bebauung der Flußauen mit neuen Gewerbe – oder Siedlungsgebieten gefordert.
Auch auf Bundes-, Landes – und Regionsebene wurde 2005 versucht, die längst überfälligen Konsequenzen aus den Hochwasserkatastrophen zu ziehen – mit der Verabschiedung eines eigenen Hochwasserschutzgesetzes ebenso wie mit der Fortschreibung des Landesentwicklungsprogrammes und der Änderung des Kapitels Wasserwirtschaft im Regionalplan.
Dort wurde unmissverständlich klargestellt:
- dass eine vorausschauende und konsequente Hochwasservorsorge zum Schutz vor Wassergefahren unabdingbar ist
- dass Überschwemmungsgebiete in ihrer Funktion als natürliche Rückhalteräume erhalten oder reaktiviert werden sollen
- dass die Sicherung von Überschwemmungsgebieten gegenüber anderen konkurrierenden Nutzungen (v.a. Bebauung)Vorrang haben muss
- dass in Überschwemmungsgebieten grundsätzlich nicht mehr gebaut werden darf
Trotz der aufgrund der Klimaerwärmung schon in der näheren Zukunft konkret steigenden Hochwassergefahr gibt es nach wie vor Gemeinden, die die wirtschaftlichen Einzelinteressen von Investoren höher bewerten.
Der im Hochwassergebiet der Stadt Cham geplante Baumarkt stellt dabei ein besonders konfliktträchtiges Beispiel dafür dar.
Selbst wenn dieses Vorhaben den Buchstaben nach unter die nur durch massiven politischen Druck erzwungene Ausnahmeregelung des Hochwasserschutzgesetzes fallen sollte, wäre seine Genehmigung durch das Landratsamt Cham ein falsches Signal zur falschen Zeit – nicht nur gegenüber den bereits mehrfach hochwassergeschädigten Anliegern, sondern auch gegenüber anderen Kommunen und Investoren.
Grundsätzliche Forderungen:
Beim Hochwasserschutz müssen bayernweit die Rückverlegung von Deichen, die Renaturierung der Gewässer und Talauen, Maßnahmen zur Verlangsamung des Oberflächenabflusses und die Rückgewinnung verloren gegangener Überschwemmungsflächen oberste Priorität haben.
Kommunalpolitiker und Genehmigungsbehörden dürfen nicht dem Druck örtlicher Einzelinteressen nachgeben, sondern müssen gerade auch beim Hochwasserschutz angesichts der neuen Herausforderungen durch den Klimawandel wirksame Zukunftsvorsorge betreiben.
Wer weiterhin in Überschwemmungsgebieten baut, produziert heute die Hochwasserkatastrophen von morgen!
Der Bund Naturschutz fordert deshalb:
· Den Erhalt aller noch intakten Gewässer und Auen ebenso wie den Verzicht auf die weitere Verbauung von naturnahen Fließgewässern;
· Die rechtliche Sicherung aller noch zur Verfügung stehenden Überschwemmungsflächen vor weiterer Bebauung:
· einen sofortigen Stopp und ein generelles Verbot aller Bauvor-
haben in Talauen und hochwassergefährdeten Bereichen;
· die konsequente Beachtung der Vorgaben des Hochwasserschutzgesetzes
· die Bereitstellung bzw. Umschichtung von Finanzmitteln zugunsten eines vorrangig ökologischen Hochwasserschutzes
· die Überprüfung und Überarbeitung der gemeindlichen Flä -
chennutzungspläne entsprechend den Vorgaben des Landes-
entwicklungsprogramms;
· eine landesweite Kampagne zur Entsiegelung geteerter Flächen
und die Förderung privater Regenwassernutzung und – ver –
sickerung durch Staat und Gemeinden;
· die Revitalisierung der Talauen in Bayern und ihre konsequente
Nutzung als natürlichen Hochwasserspeicher;
Der BN appelliert an den Investor, bei dem in Cham geplanten Baumarkt Rücksicht auf die Befürchtungen der Anwohner zu nehmen und einen weniger konfliktträchtigen Alternativstandort zu suchen.
Der BN appelliert gleichzeitig an das Landratsamt Cham, Konsequenzen aus den Fehlern der Vergangenheit zu ziehen und den Erfordernissen einer vorausschauenden Hochwasservorsorge endlich auch in der Genehmigungspraxis Rechnung zu tragen.
Chronologie der Pegelstände und Missstände in Cham
Seit über 40 Jahren verschärft sich zunehmend die Hochwassersituation in Cham, doch die Stadtväter genehmigen in alter Tradition weiter. Dabei hätte die Stadt im Rahmen ihrer Planungshoheit Möglichkeiten genug, die Weichen zugunsten einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu stellen. Dies gilt auch und gerade im Bereich des vorsorgenden Hochwasserschutzes! Wenn sich die Stadt Cham nur als Genehmigungsbehörde begreift, ohne dabei auch unerwünschten Entwicklungen entgegen zu wirken, wird sie ihrer Aufgabe jedenfalls nicht gerecht - der Landkreis hat seine Kreisstadt hier weit überholt. Der BN appelliert deshalb gerade auch an die Stadt Cham, sich auf allen Ebenen aktiv und mit Nachdruck für eine nachhaltige Entwicklung einzusetzen und hier eine Vorreiterrolle zu übernehmen – auch als Signal den Bürgern gegenüber. Die folgende Auflistung der Ereignisse über die letzten 40 Jahre in der Stadellohe soll zu denken geben.
· 1966: Illegale Bebauung nachdem es 1954,1956,1965 und 1966 Katastrophenhochwasser gab. Firma Ludwig Schierer errichtet eine Betonmischanlage im Hochwassergebiet bei Stadellohe. Stadt Cham genehmigt nachträglich.
· 1970: 3xHochwasser
· 1971: Proteste der Bürger gegen den Bauantrag der Firma Scheurer. Stadt und Landratsamt genehmigen Bebauung und Aufschüttung in der Stadellohe. Bürger vordern einen Baustopp in der Stadellohe um die Freihaltung der Flutkanäle zu sichern.
· 1973: Bauvorhaben und Aufschüttungen der Fa. Stück/ Reif in der Stadellohe werden genehmigt
· 1974: Erste Pläne für eine Hochwasserfreilegung
· 1980: Hochwasser, Pegelstand bei 2,38m
· 1981: Die Stadt Cham will durch eine Änderung des Flächennutzungsplanes die Bebauung in der Stadellohe ermöglichen. Gegen die Bedenken des WWA und der Anwohner wurde das Gewerbegebiet in Stadellohe-West ausgewiesen und damit der Firma Schierer die Errichtung einer Halle und einer Betonmischanlage ermöglicht. Hierbei wurden auch großflächige Aufschüttungen vorgenommen.
· 1981: Hochwasser, Pegelstand 2,14 m
· 1984/85: Versäumnisse der Stadt Cham bei der Hochwasserfreilegung. Pläne aus 1982/83 wegen einer Klage gescheitert.
· 1985: Endlich beschließt die Stadt Cham die Hochwasserfreilegung wieder aufzugreifen, nachdem dies seitens der Regierung und den örtlichen Mandatsträgern seit Jahren angemahnt wurde.
· 1985: Die bereitgestellten Geldmittel der EU sind verfallen. Großer betroffener Betrieb erklärt kein Interesse am Hochwasserschutz. Das Wasserwirtschaftsamt sieht sich nicht in der Lage die Planungen wieder aufzugreifen.
· 1988: Erneuter Antrag aus der Regierung, die Hochwasserfreilegung wieder aufzunehmen.
· 1993: Hochwasser, Pegelstand 2,64 m
· 1995: Hochwasser, Pegelstand 2,32 m
· 1998: Hochwasser, Pegelstand 2,43 m
· 2002: Hochwasser, Pegelstand 2,46 m
· 2002: Jahrhundert-Hochwasser, Pegelstand 3,11 m. 15 Millionen Schaden allein in der Kreisstadt Cham. Regierungspräsident Weidinger erklärt, dass die Überschwemmungsflächen am Regen nicht mehr bebaut werden dürfen.
· 2005 Hochwasser, Pegelstand 2,35 m
· 2006 Das WWA stellt einen neuen Plan zur Hochwasserfreilegung der gefährdeten Quartiere vor
2007 Die Stadt Cham genehmigt den Vorbescheid für die Errichtung eines Baumarktes in Stadellohe – im Überschwemmungsbereich.