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Tiere und Pflanzen

Bürgerwälder im Spessart

Naturschutzverbände würdigen langjährige vorbildliche Biotop- und Artenschutzarbeit eines Staatsforstbeamten im Hochspessart.

08.04.2002

Im Rahmen einer Pressefahrt des Bürgerwaldforums Bayern wurde die besondere Bedeutung der weltweit berühmten Eichen-Buchenwälder des Hochspessarts herausgestellt, einem für den europäischen Naturschutz bedeutenden FFH-Gebiet. Mit Hubert Gebhard wurde ein Spessartförster, der sich seit über zwei Jahrzehnten um eine naturgemäße Waldwirtschaft und um Naturschutzbelange im Wald verdient gemacht hat, mit der Karl Gayer-Medaille des Bundes Naturschutz in Bayern (BN) geehrt. Das Bürgerwaldforum sieht die für den bayerischen Staatswald vorgeschriebene vorbildliche Erfüllung der Gemeinwohlfunktionen durch die Forstreform und den überzogenen Holzeinschlag gefährdet.

Im Bürgerwaldforum sind der Bund Naturschutz in Bayern, der Deutsche Alpenverein, der Landesbund für Vogelschutz, die Interessengemeinschaft Kommunale Trinkwasserversorgung und der Verband der Gebirgs- und Wandervereine mit insgesamt etwa einer Million Mitglieder zusammengeschlossen. Das Bürgerwaldforum hat es sich zur Aufgabe gemacht die besondere Bedeutung und Verpflichtung des Staatswaldes für die Sicherung der Gemeinwohlleistungen des Waldes verdeutlichen.

Am Beispiel des im bayerischen Staatsforstamt Rothenbuch gelegenen Reviers von Forstamtsrat Hubert Gebhard führte das Bürgerwaldforum vor, wie es sich im Staats- und Bürgerwald die vorbildliche Erfüllung der Gemeinwohlleistungen des Waldes neben der Produktion qualitativ hochwertigen Holzes vorstellt. Im Bayerischen Waldgesetz von 1975 wurde eine am Gemeinwohl ausgerichtete vorbildliche Bewirtschaftung des öffentlichen Waldes vorgegeben und seither auch mit Zustimmung der im Bürgerwaldforum vereinigten Verbände im Staatswald mehr und mehr umgesetzt.

Jetzt sehen diese Verbände die positive Entwicklung von akuten Veränderungen bedroht. Seit der so genannten Forstreform wird die Bewirtschaftung der Staatswälder mehr und mehr einseitig auf Geldgewinn ausgerichtet. Einschneidender Personalabbau, Auflösung weiterer Forstreviere und drastisch erhöhter Holzeinschlag gefährden die künftige Erfüllung dieser Ziele. So wird verstärkt Holz auch in ökologisch außergewöhnlich wertvollen, alten Laubwäldern eingeschlagen, die in das europäische Schutzgebietssystem "Natura 2000" integriert sind, und dies in einer Phase rückläufiger Nachfrage auf dem Holzmarkt.

Für seine anfangs sehr stark kritisierte und heute als vorbildlich anerkannte und erfolgreiche langjährige Arbeit wurde Forstamtsrat Hubert Gebhard anlässlich der Bürgerwald-Pressefahrt im Hochspessart mit der Karl Gayer-Medaille des BN ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung werden vom BN Persönlichkeiten mit außergewöhnlichen Verdiensten um den Wald geehrt. In der Laudatio von Dr. Georg Sperber, Sprecher des BN-Arbeitkreises Wald, wurde hervorgehoben, dass es sich bei Hubert Gebhard um einen profilierten Förster handelt, der seit Jahrzehnten sein berufliches Handeln auf größere Naturnähe ausrichtet. Durch konsequent ökologisch begründete Bejagung der zunächst in Überzahl vorkommenden großen Pflanzenfresser Hirsch und Reh schuf er die wichtigste Vorbedingung dafür, dass sich der ihm anvertraute Wald wieder naturnäher entwickeln kann. Naturnähere Bewirtschaftung der Wälder ist jedoch nur ein Merkmal für mehr Naturschutz im Wald. Hinzukommen müssen konkrete Rücksichten und Maßnahmen für die gesamte natürliche Lebensvielfalt unserer Wälder. Sebastian Schönauer aus Rothenbuch, Landesvorsitzender der Interessengemeinschaft Kommunale Trinkwasserversorgung in Bayern, gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern und langjähriger Weggefährte von Hubert Gebhard führte dazu aus, dass sich Gebhard sich im Rahmen seiner 30-jährigen Tätigkeit im Rothenbucher Forst vor allem für artenreiche, alte Wälder und darüber hinaus in vielfältiger Weise in einem vorbildlichen Waldnaturschutz, engagiert hat.

Gerade im praktischen Artenschutz hat Hubert Gebhardt Vorbildliches geleistet. So betreut er eine Wildkatzenaufzucht- und einbürgerungsstation des BN, in der er 50 Tiere gezüchtet hat. Mittlerweile konnten insgesamt über 250 Tiere in die Wälder des Spessarts ausgewildert werden. Ursprünglich in allen größeren Wäldern Bayerns verbreitet war die Wildkatze in Bayern als vermeintlicher Feind des Niederwildes von Jägern bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ausgerottet worden. 1984 begann der BN in Wäldern der bayerischen Staatsforstverwaltung eine Wiedereinbürgerungsaktion für die "Jäger auf leisen Sohlen", an der Hubert Gebhard maßgeblich mitwirkt. Heute ist die Wildkatze wieder eine prominente schützenswerte Art im großflächigen Flora-Fauna-Habitatgebiet Spessart.

Ein weiterer Schwerpunkt seiner Naturschutzarbeit ist die Förderung von Bewohnern von Feuchtbiotopen. Das vom BN mitinitiierte Tümpelprogramm der Bayerischen Staatsforstverwaltung setzte Hubert Gebhard mustergültig um. Wo vorher Fichtenmonokulturen enge Täler verfinsterten, beleben z.B. wie im Kalten Grund jetzt Erlenwäldchen mit Tümpeln und Quellmulden den Spessart. Wenn heute wieder Flusskrebs und Flussperlmuschel in den Spessartbächen heimisch sind, ist dies wesentlich ein Verdienst von Hubert Gebhard. Als Ausbildungsbeamter gab er sein Wissen und seine Begeisterung an den forstlichen Nachwuchs weiter. Mit den amtlichen und ehrenamtlichen Naturschützern arbeitet er vor Ort intensiv zusammen und engagiert sich als Förster auch außerhalb des Waldes für den Naturschutz. Er begründete und leitet eine große Gruppierung des BN in Rothenbuch.

Die besondere Liebe Hubert Gebhardts gehört den alten Waldbäumen. Inzwischen hat sein Forstamtsleiter Forstdirektor Harald Loy für das Hochspessartforstamt Rothenbuch ein Altbaum- und Totholzkonzept entwickelt, das auch das Bürgerwaldforum als nachahmenswert einschätzt. Alte und tote Bäume sind ein unverzichtbarer Lebensraum für eine Vielzahl gerade der Tier- und Pflanzenarten, deren Fortbestand in den heutigen Wirtschaftswäldern bedroht ist, die so genannten Alt- und Totholzbewohner. Wichtig sind für deren Überleben vor allem mächtige alte Laubbäume, die ihren vollen natürlichen Lebenszyklus des Heranwachsens, Reifens, Alterns und Sterbens ausleben dürfen. Aufgrund des nachahmenswerten Rothenbucher Konzeptes ist im Forstamt etwa 2,5 mal soviel Totholz im Wald zu finden wie im Durchschnitt des gesamten bayerischen Staatsforstes. Im Hochspessart dürfen künftig Bäume, so sie gewisse Dimensionen erreicht haben oder von der Holzqualität her geringwertig sind, im Wald verbleiben ebenso wie alle Bäume mit Besonderheiten wie Höhlen oder Greifvogelhorsten. Dies kommt den waldtypischen Spechten wie dem Charaktervogel des Spessarts, dem Grauspecht, ebenso zugute wie deren Nachmietern, den Schnäppern, Hohltauben, Dohlen, Rauhfuß- oder Sperlingskäuzchen und vielen weiteren seltenen und gefährdeten Arten. Dafür danken der Bund Naturschutz und die Verbände des Bürgerwaldforums Herrn Gebhard stellvertretend auch für viele seiner Berufskollegen.

Zum Abschluss der Besichtigungen wurde das Naturschutzgebiet Metzger besucht, eines der ältesten Waldnaturschutzgebiete Bayerns. Dieses nur 8 ha große Reservat geht auf eine Forderung des Naturschutzes nach einem mindestens 500 Hektar großen Waldschutzgebiet in den alten Laubwäldern Unterfrankens zurück, die im Jahr 1925 bei dem 1. Deutschen Naturschutztag in München mit überwältigender Mehrheit beschlossen und als Resolution an das bayerische Parlament geleitet wurde.

Das Bürgerwaldforum fordert die bayerische Staatsforstverwaltung auf, diesen seit mehr als einem dreiviertel Jahrhundert bestehenden Wunsch des Naturschutzes auf ein großes Waldschutzgebiet endlich umzusetzen. Nachdem heute die außerordentliche Verpflichtung Deutschlands für das Überleben der weltweit nur sehr begrenzt vorkommenden Buchenwälder erkannt ist, kommt dieser Forderung eine umso dringlichere Bedeutung zu.

Ein erster Schritt in diese Richtung ist die aus der Sicht einer nachhaltigen Waldwirtschaft und des Naturschutzes wertvollen alten Bäume zu schonen. Aus Anlass des 250-jährigen Jubiläums der Bayerischen Staatsforstverwaltung fordert das bayerische Bürgerwaldforum, für die über 250 Jahre alten Bäume im bayerischen Staatswald eine Amnestie zu verkünden, diese Zeitzeugen zu verehrungswürdigen Baumdenkmälern ausreifen und schließlich "in Würde sterben" zu lassen. Bayerns Bürgerwälder würden dadurch natürlicher, reicher und schöner werden.


gez.

Prof. Dr. Hubert Weiger
Landesbeauftragter

Dr. Ralf Straußberger
Waldreferent