Bürgerwaldforum befürchtet Kahlschlag
Die im Bürgerwaldforum zusammengeschlossenen Verbände sehen die Erfolge der bayerischen Forstpolitik zur Sicherung der Gemeinwohlfunktionen der Wälder durch die diskutierte Verwaltungsreform gefährdet.
Eine drohende Privatisierung in Form einer AG wie bei den österreichischen Bundesforsten oder die Umwandlung in einen staatlichen Eigenbetrieb lehnt das Bürgerwaldforum entschieden ab, weil dann die vielfältigen Gemeinwohlleistungen nicht mehr vorbildlich und vorrangig erfüllt würden.
Das Bürgerwaldforum fordert unabhängige, über den lokalen Bereich hinauswirkende Forstämter, die zu Kompetenzzentren für Wald weiterentwickelt werden sollen, in denen alle Belange des Waldes in sinnvoller Weise gebündelt und fachlich kompetent vertreten werden können. Nur so können die Schutzfunktionen der Wälder, wie z.B. Hochwasservorsorge oder Klimaschutz, die sich oft über weite Strecken positiv auswirken, dauerhaft gesichert werden.
Das Bürgerwaldforum hat sich deshalb in einem Brief an Herrn Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber gewandt, der zusammen mit einer Stellungnahme als Anlage beigelegt ist.
Das Bürgerwaldforum in Bayern vertritt die Interessen von etwa 1 Mio. Bürgerinnen und Bürger Bayerns und besteht aus den Verbänden Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft, Bund Naturschutz in Bayern, Deutscher Alpenverein, Interessengemeinschaft Kommunale Trinkwasserversorgung, Landesbund für Vogelschutz, dem Landesverband Bayern der deutschen Gebirgs- und Wandervereine und dem Verein zum Schutz der Bergwelt.
Anlage 1
An
Herrn Ministerpräsident
Dr. Edmund Stoiber
Bayerische Staatskanzlei
Franz-Josef-Strauß-Ring 1
80539 München
Datum 03.11.2003
Zukunft der Bewirtschaftung der
Bayerischen Staatswälder
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
die im Bürgerwaldforum zusammengeschlossenen Verbände, die mehr als 1 Mio. Bürgerinnen und Bürger Bayerns vertreten, sehen mit großer Sorge, dass die Diskussion über die umfassende Verwaltungsreform die Erfolge der bayerischen Forstpolitik zur Sicherung der Gemeinwohlfunktion der Wälder gefährden kann.
Das Bürgerwaldforum erwartet, dass die örtlich vorrangigen landeskulturellen Funktionen des Waldes nachhaltig optimal erfüllt werden und dass die erforderlichen Zukunftsinvestitionen zur Daseinsvorsorge hierfür getätigt werden. Damit dies auch für künftige Generationen gesichert werden kann, sind angesichts des Klimawandels naturnahe ältere Wälder so lange als möglich zu erhalten und naturferne Forste möglichst rasch in naturnahe Wälder umzubauen. Dieses Ziel muss auch bei einer Reduzierung staatlicher Aufgaben uneingeschränkt erreicht werden. Mit vertretbarem finanziellen Aufwand ist das nur möglich, wenn alle Behinderungen der natürlichen Regenerationskräfte (z.B. Wildverbiss) abgebaut werden. Da sich die Schutzfunktionen der Wälder (z.B. Hochwasservorsorge, Klima) oft über weite Strecken positiv auswirken, kann ihre Erfüllung nur von einer unabhängigen, über den lokalen Bereich hinauswirkenden Behörde gesichert werden.
Das Bürgerwaldforum ist dazu der Ansicht, dass auf der unteren Ebene der Staatsforstverwaltung (Forstämter) ein großer Teil der erforderlichen Kompetenz gebündelt ist. Dies zeigen die bisherigen Erfolge beim Wiederaufbau funktionsgerechter Staatswälder in vielen Forstämtern. Es wäre deshalb anzustreben, dass die Forstämter zu unabhängigen Kompetenzzentren für den Wald werden. In diesen Kompetenzzentren für den Wald können alle Belange des Waldes in sinnvoller Weise gebündelt und fachlich kompetent vertreten werden. Das Bürgerwaldforum bittet Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, die negativen Erfahrungen bei der Erfüllung der landeskulturellen Leistungen des Waldes mit rein wirtschaftsorientierten Organisationsstrukturen (z.B. Forst AG oder Eigenbetrieb) zu berücksichtigen.
In der Anlage dürfen wir Ihnen die Stellungnahme des Bürgerwaldforums zur Zukunft der Waldbewirtschaftung und der Organisation der Forstverwaltung zur Kenntnis geben. Wir stehen Ihnen und Ihrem für die Reformen zuständigen Staatsminister Erwin Huber für weitere Gespräche zu diesem Thema jederzeit zur Verfügung. Wir sind auch bereit, Konzepte mitzutragen, die langfristig die Erfüllung der vielfältigen Waldfunktionen sichern. Wir erlauben uns, einen Abdruck dieses Briefes auch den Staatsministern Erwin Huber, Eberhard Sinner und Josef Miller zuzuleiten.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Prof. Dr. Hubert Weiger
1. Vorsitzender, Bund Naturschutz in Bayern e.V.
gez.
Ludwig Sothmann
1. Vorsitzender, Landesbund für Vogelschutz e.V.
gez.
Sebastian Schönauer
Vorsitzender, Interessengemeinschaft
Kommunale Trinkwasserversorgung e.V.
gez.
Karl Friedrich Sinner
1. Vorsitzender, Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft - Landesgruppe Bayern
gez.
Prof. Dr. Heinz Röhle
Vizepräsident, Deutscher Alpenverein e. V.
gez.
Georg Jungwirth
Vertreter des Landesnaturschutzwartes, Landesverband Bayern der Deutschen Gebirgs- und Wandervereine
gez.
Dr. Peter Jürging
Geschäftsführender Vorsitzender, Verein zum Schutz der Bergwelt e.V.
Anlage 2
Stellungnahme des Bürgerwaldforums zur Zukunft der Bewirtschaftung der Bayerischen Staatswälder
03. November 2003
Die im Bürgerwaldforum zusammengeschlossenen Verbände, die mehr als 1 Million Bürgerinnen und Bürger Bayerns vertreten, verfolgen mit großer Sorge die Einspardebatten, die zur Folge haben können, dass die Qualität unserer Waldbewirtschaftung und die Zukunftsfähigkeit unserer Wälder Schaden nehmen würden.
Dank der effizienten Arbeit der Forstämter wurden erste und erfolgreiche Schritte eingeleitet, um die Wälder Bayerns für die Erfordernisse künftiger Generationen fit zu machen. Dies erscheint in heutiger Zeit besonders wichtig, da die Bedeutung der Gemeinwohlfunktionen der Wälder stark zunimmt und die der Holzproduktion bei weitem übertrifft.
Das bayerische Waldgesetz nimmt dabei den Staatswald besonders in die Pflicht, in dem die Gemein-wohlfunktionen vorrangig zu erfüllen sind. Dies ist inzwischen auch weitgehend der Fall und wird eindrucksvoll durch den LWF-Bericht ,',Der Wald für morgen" belegt. Wir haben heute naturnähere Wälder und ein Mehr an alten Wäldern. Diese positive Entwicklung wird von den Verbänden im Bürgerwaldforum ausdrücklich begrüßt und wurde vom Ministerrat am 24.06.2003 bestätigt.
Über Beratung und finanzielle Anreize wurden Verbesserungen auch im Privatwald erreicht. Weitere Verbesserungen im Privatwald sind auch unter dem Aspekt der Klimaänderung dringend geboten, um die hier dominierenden standortswidrigen Nadelwälder in stabile Mischwälder umzubauen. Für die Umsetzung dieses Zieles ist die Beratung durch die Forstämter ein sehr effizientes und kostengünstiges Instrument. Eine Abschaffung der Beratung würde ein Mehr an hoheitlichen Zwangsmaßnahmen und millionenschwere Programme zur Folge haben, mit denen Schäden infolge instabiler Wälder (z.B. nach Hochwasser) repariert werden müssen. Wir teilen deshalb voll die diesbezügliche Einschätzung, die Herr Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber in einem Brief an die Waldbesitzervereinigung Kempten vom 29.09.2003 zum Ausdruck gebracht hat: ,',Wegen dieser generationsübergreifenden Langfristigkeit der Notwendigkeit standortsgerechter Wälder und der unverzichtbaren landeskulturellen Leistungen ist eine unentgeltliche, effiziente und unabhängige staatliche Beratung als Ausgleich der strukturbedingten Nachteile auch in Zukunft notwendig."
Durch die Flächenpräsenz der Forstämter, die fachliche Kompetenz und das besondere Vertrauensverhältnis können auch alle hoheitlichen Aufgaben kostengünstig und zeitnah miterledigt werden. So leisten die Forstämter als eigenständige Jagdbehörden eine sehr erfolgreiche Arbeit. Die deutlich geringeren Verbissquoten im Staatswald helfen Millionenbeträge bei der Kulturbegründung zu sparen. Im Gegensatz dazu wurden die Jagdbehörden an den Landratsämtern vom Obersten Bayerischen Rechnungshof massiv kritisiert. Das heutige Einheitsforstamt bietet einen Service rund um den Wald aus einer Hand. Dieses bewährte Erfolgsmodell Bayerisches Forstamt sollte weiterentwickelt werden und ein Vorbild einer intelligenten Reform sein und nicht deren Opfer.
Zum Teil sind die Kostensteigerungen in der Staatsforstverwaltung in Fehlentscheidungen von früher begründet. Wenn es uns nicht gelingt, die nach wie vor enorme Anzahl von Fichtenreinbeständen in stabile, leistungsfähige Mischwälder umzubauen, würden späteren Generationen weit höhere Kosten aufgebürdet, nur um heute kurzfristige Einsparungen zu erwirken, die für den Gesamthaushalt im Promillebereich liegen. Dies wäre alles andere als eine nachhaltige Politik. Wie dringend notwendig der Aufbau stabiler Wälder und Investitionen in den Waldumbau angesichts der eingetretenen Klimaänderungen sind, führt die aktuelle Borkenkäferkatastrophe in den Fichtenwäldern deutlich vor Augen. Über die Erlöse aus dem Holzverkauf allein sind jedoch die Gemeinwohlfunktionen nicht mehr zu erfüllen. Deshalb erwarten wir, dass der Staat besonders im Staatswald Zukunftsinvestitionen tätigt, um Gemeinwohlfunktionen wie Schutzwaldsanierung, vorbeugenden Hochwasser- oder Trinkwasserschutz erfüllen zu können. Diese sind zur Daseinsvorsorge unerlässlich.
Der Vorrang für die Gemeinwohlfunktionen ist auch der Grund, warum das Bürgerwaldforum eine Privatisierung in Form einer AG wie bei den österreichischen Bundesforsten oder die Umwandlung in einen staatlichen Eigenbetrieb entschieden ablehnt. Würde der Staatswald als Eigenbetrieb oder AG bewirtschaftet, hätte das Bayerische Parlament keinen Einfluss mehr und würde die direkte Zuständigkeit für 10 % der Landesfläche verlieren. Dem Freistaat Bayern kommt mit 800000 ha als größten Waldbesitzer Mitteleuropas noch aus einem anderen Grund eine besondere Verantwortung zu: die Staatswälder haben für die Bevölkerung auch deshalb eine besondere Bedeutung, weil sie die stadtnahe Erholung rund um die Großstädte sowie in den Mittelgebirgen und vor allem in den Alpen ermöglichen. Von einer AG oder einem Eigenbetrieb müssten Gemeinwohlleistungen teuer eingekauft werden oder sie würden nicht mehr angeboten. Umfragen bestätigen, dass die Bevölkerung derart einschneidende Maßnahmen nicht mittragen würde. Probleme, die überstürzte Reformen oder Privatisierungen nach sich ziehen, werden durch negative Erfahrungen in unseren Nachbarländern Osterreich und Schweiz und selbst aus Schweden bestätigt, wo die Privatisierung der Staatswälder inzwischen wieder rückgängig gemacht wurde.
Die bisher bekannt gewordenen Vorschläge lassen eine Reform erwarten, die letztendlich teurer, weniger effizient, weniger bürgernah und bürokratischer sein wird. Das bisher bewährte Ziel einer eigen-ständigen bayerischen Forstpolitik, stabile Wälder zum Wohle kommender Generationen aufzubauen, würde man dadurch verlassen.
Diese kritische Einschätzung bedeutet jedoch nicht, dass sich das Bürgerwaldforum sinnvollen Reformen verschließen wird. Wir geben aber zu bedenken, dass in der Forstverwaltung in den letzten Jahren und Jahrzehnten schon deutlich Fachpersonal reduziert wurde, und zwar seit 1995 um mehr als 25 %. Über 100 Reviere und mehr als 30 Forstämter wurden aufgelöst. Dieser massiver personelle Abbau und die verstärkt gewinnorientierte Ausrichtung, die bereits wichtige Investitionen in den Waldumbau zum Erliegen gebracht hat, würden durch die geplanten Reformen noch verstärkt. Eine solche wenig vorausschauende Politik wird das Bürgerwaldforum und auch die Gesellschaft nicht mittragen. Wir erwarten statt dessen eine Reform die auf der einen Seite Bürokratie und Hierarchie abbaut, auf der anderen Seite aber das vorhandene Know-how nutzt und effektive Strukturen weiterentwickelt, statt sie aufzulösen.
Statt der Zerschlagung des Einheitsforstamtes hätte Bayern mit einer Bündelung waldbezogener Aufgaben die große Chance, sich von dem bundesweiten Trend abzusetzen, Wälder nur als Stätte der Holzproduktion zu sehen. Damit würde das Land Bayern neue Maßstäbe setzen und der Zukunftsressource Wald den erforderlichen Stellenwert zubilligen. Dies würde den hohen Anteil der Schutzfunktionen des Waldes, insbesondere im öffentlichen Wald Rechnung tragen. Mit der Vorreiterrolle würde Bayern an frühere Erfolge in der Forstpolitik wie der Ausweisung des ersten Waldnationalparks oder der Verabschiedung eines modernen Waldgesetzes - noch vor dem Bundeswaldgesetz - anknüpfen. Es wäre fatal, wenn das Land Bayern diese fortschrittliche Forstpolitik über Bord werfen und den bundes-bis europaweiten forstpolitischen Kapriolen folgen würde, wo beispielsweise Landeswald an die Landratsämter übergeben oder privatisiert wird, um Forstwirtschaftsbetriebe wie in der früheren DDR zu schaffen. Dies ist alles andere als bürgernah und verwaltungsökonomisch.
Das Bürgerwaldforum hofft, dass eine intelligente Reform auf den Weg gebracht wird, welche die Forstämter als Kompetenzzentrum für Wald ausbaut, eine Reform, bei welcher waldbezogene Aufgaben gebündelt werden. Unsere Vorstellungen dazu sind im einzelnen:
die Gemeinwohlaufgaben finanziell absichern, um deren Erfüllung unabhängig von den Holzeinnahmen sicherzustellen
die Erfüllung der Gemeinwohlfunktionen durch eine flächendeckende Präsenz einer eigenständigen Fachverwaltung sichern, um bürgernah und schnell Aufgaben zu erledigen
die umfassende Kompetenz der Forstleute nutzen, um in den Bereichen Betrieb, Beratung und Hoheit bei allen Wald- und Jagdfragen Synergismen zu nutzen und effizient zu arbeiten
die Beratung fortsetzen sowie günstige Bewirtschaftungsentgelte anbieten, um im Privat- und Körperschaftswald landeskulturelle Belange zu fördern und strukturelle Nachteile auszugleichen. In diesem Bereich sollte das Controlling verbessert werden
die untere und die operative Ebene stärken durch einen Abbau von Bürokratie und entbehrlicher Hierarchien
die forstlichen Sonderbehörden unter dem Dach der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft verschmelzen, die als wichtiges Bindeglied zwischen Forschung und Praxis für alle Waldbesitzer erhalten bleiben muss
die Waldpädagogik und Umweltbildung ausbauen, um den erst vor wenigen Jahren im Bayerischen Waldgesetz verankerten Bildungsauftrag zu erfüllen.