Bürgerwaldforum und Forstprofessoren warnen vor Schäden in den Wäldern Bayerns
Das Bürgerwaldforum, ein Zusammenschluss von Alpen- und Wandervereinen sowie Naturschutzverbänden in Bayern sieht in den Planungen der Bayerischen Staatsregierung gravierende Nachteile für den Wald und seine Waldfunktionen wie sauberes Trinkwasser, gesunde Luft, Schutz des Bodens oder alte Bäume als Heimstätte für Tiere und Pflanzen. Zusammen mit Forstprofessoren weist das Bürgerwaldforum im Rahmen einer Pressefahrt in Wildbad Kreuth auf das große Gefahrenpotenzial hin, das durch die überzogene sogenannte Forstreform insbesondere für die Gebirgswälder und damit für die ansässige Bevölkerung und den Tourismus entstehen kann.
Waldmanagement zwingend erforderlich
Die Erhaltung eines differenzierten Managements der Bergwälder ist aus vielen Gründen zwingend erforderlich:
aus Gründen des Boden- und Lawinenschutzes
aus Gründen des Trink- und Hochwasserschutzes
aus Gründen der Erholung im Wald
aus Gründen der Schaffung stabiler Wälder als Reaktion auf die Klimaerwärmung
aus Gründen des Waldnaturschutzes
Dabei kann die forstliche Pflege in naturnahen Waldteilen auf ein Minimum reduziert werden, wenn die Wildbestände auf ein waldverträgliches Maß reduziert werden. Gerade für den Bergwald liegt ein großes Einsparpotential in einer konsequenten Jagd auf ganzer Fläche, weil dadurch eine Naturverjüngung zum tarif und damit ein schutzwirksamer Bergwald erreicht werden kann.
Nach der Meinung von Freisinger Forstprofessoren muß die Schutzwaldsanierung unabhängig von den Besitzarten fortgeführt und ausgebaut werden. "Der Bergwald ist eines der empfindlichsten Ökosysteme Bayerns, fast ebenso empfindlich wie tropische Regenwälder", so Prof. Dr. Axel Göttlein.
"Neue Untersuchungen an Buchen im Bergwald zeigen Schädigungen, die stellenweise durch Absterben von Buchen die Schutzwaldfunktion in Frage stellen", so Prof. Wolfram Elling. Damit die wichtigen Schutzwaldfunktionen aufrecht erhalten werden können, sind Dauerbeobachtung und Erforschung der Ursachen notwendig. Fehlentwicklungen in der Waldzusammensetzung können nur über Jahrhunderte ausgeglichen werden. Ein Rückzug von der forstlichen Bewirtschaftung und Pflege im Bayerischen Alpenraum bedeutet für viele labile Nadelholzbestände langfristig eine Verschlechterung der Schutzwälder und einen Verlust an Schutzfunktionen, so dass zukünftige Generationen für die heutigen Einsparungen teuer bezahlen müssten. "Einsparungen an Pflegemaßnahmen oder Einschränkungen in der Schutzwaldsanierung erhöhen nachweislich das Risiko von Lawinenabgängen, Steinschlag, Vermurungen und anderen Erosionsphänomenen", prognostiziert Prof. Dr. Ulrich Ammer. "Die von der Bayerischen Staatsregierung geplante Forstreform läßt befürchten, dass Abstriche bei der Qualität der Bewirtschaftung des Bergwaldes gemacht und damit in Zukunft Einbußen bei der Funktionentauglichkeit der Bergwälder in Kauf genommen werden müssen", kritisiert Prof. Dr. Reinhard Mosandl. Das Bürgerwaldforum fordert deshalb eine Forstreform, die angesichts der überragenden Bedeutung der Gemeinwohlfunktionen der Bergwälder für den Alpenraum und darüber hinaus ein Management der staatlichen Bergwälder mit einer vorbildliche Erfüllung der Schutz- und Erholungsfunktionen sicherstellt, das absoluten Vorrang vor einer oftmals defizitären Holznutzung haben muss.
Die Waldfunktionen erfordern neben einer ökologisch tragbaren Schalenwilddichte einen Umbau unserer nicht ausreichend naturnahen Wälder, weg von den Nadelholzmonokulturen früherer Jahre hin zu artenreichen Mischwäldern. Im Hochgebirge sind vielerorts aufwendige Schutzwaldsanierungen erforderlich, um die Tallagen zu schützen, und auch im Hinblick auf einen nachhaltigen Hochwasserschutz. Dazu müssen Finanzmittel unabhängig von den jeweiligen Holzverkaufsmöglichkeiten bereitgestellt werden. Frühzeitige und situationsangepasste Investitionen in einen naturfernen Bergwald durch Förster, Waldarbeiter und Waldbauern kosten mit etwa 20.000.- € pro ha nur einen Bruchteil im Vergleich zu aufwendigen technischen Lawinenverbauungen, die den Steuerzahler pro ha etwa 500.000.- € kosten. Diese Unterschiede lassen sich auch deutlich am Beispiel des Sanierungsfalles Grüneck bei Wildbad Kreuth belegen. Hier kosteten die intensiven Sanierungs- und Verbauungsmaßnahmen insgesamt knapp 6 Mio. €. Entscheidende Voraussetzung für ein Gelingen der Sanierungsmaßnahmen im Bergwald sind jedoch niedrige Wilddichten auf ganzer Fläche. Ohne eine ganzjährige scharfe Bejagung von Reh-, Rot- und Gamswild werden diese immensen Investitionen am Grüneck wie auch an andere Stellen buchstäblich aufgefressen und entscheidende Zeit geht verloren.
Intelligent reformieren statt zerschlagen
Während dieser Pressekonferenz werden Staatsminister Erwin Huber und Landwirtschaftsminister Josef Miller in der heutigen Kabinettssitzung abermals den Versuch unternehmen, die bayerische Forstverwaltung zu zerschlagen, obwohl sie sich noch bis vor kurzem für diese Organisationsform ausgesprochen haben. Mit ihrem Reformeifer setzen die Minister ohnehin an der falschen Stelle an. So belaufen sich die Aufwendungen für den gesamten Wald in Bayern, also einschließlich der Förderung des privaten und kommunalen Waldbesitzes gerade einmal auf 0,5 % des Staatshaushaltes.
Die Pläne der Staatsregierung sehen vor, alle 128 Forstämter aufzulösen und deren bisherige Aufgaben neu zu schaffenden Forstabteilungen an den 47 Landwirtschaftsämtern zu übertragen und den Staatswald von 40 staatlichen Forstwirtschaftsbetrieben in einer eigenen Rechtsform bewirtschaften zu lassen. In der langen Geschichte der bayerischen Forstverwaltung gab es lediglich im 3. Reich eine Trennung der Besitzarten. Die Nachteile staatlicher Forstwirtschaftsbetriebe sind aus der alten DDR noch in Erinnerung. Nach der Wende wurde in den neuen Ländern nicht zuletzt nach bayerischem Vorbild das Forstamtssystem wieder eingeführt. Es käme einem Treppenwitz der Geschichte gleich, wenn Bayern künftig ein ehemals sozialistisches System übernehmen würde.
Mit der Zerschlagung des Forstamtssystem würden auch wichtige Synergieeffekte verloren gehen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die neue Lösung teurer sein wird als die alte - vorausgesetzt, die Gemeinwohlfunktionen des Waldes sollen für kommende Generationen gesichert werden. Statt zu versuchen Landwirtschaftsämter, die bereits vor längerer Zeit aufgelöst werden sollten, mit Hilfe der Forstämter am Leben zu halten, sollten besser die bestehenden Forstämter im Rahmen einer intelligente Reform zu Kompetenzzentren für den Wald weiterentwickelt werden.
Österreichische Bundesforste kein Vorbild für Bayern
Völlig untauglich als Vorbild für Bayern ist die Forstorganisation in Österreich. Gleich drei verschiedene Verwaltungen kümmern sich um den Wald - eine ausgesprochen ineffizente Struktur. Noch weniger eignet sich die Österreichische Bundesforst AG als Vorbild. Diese kann sich betriebswirtschaftlich nur durch Personalentlassungen und Landverkäufe, Kahlschlagswirtschaft und hohe Jagdverpachtungen, die sich in schlimmen Verbissschäden in sanierungsbedürftigen Bergwäldern niederschlagen, über Wasser halten. Die Gemeinwohlaufgaben des Waldes spielen in der Zielsetzung für die Österreichischen Bundesforste keine Rolle, wie Prof. Dr. Edwin Donaubauer aus Wien in einem Gutachten aus dem Jahr 2003 kritisiert. Auch weitere vergleichende Untersuchungen von Prof. Dr. Wolfgang Sagl, ebenfalls aus Wien belegen, dass die Bayerische Forstverwaltung im Hinblick auf die Gemengelage zwischen Staats-, Privat- und Kommunalwald gut aufgestellt ist und keinen Vergleich mit ausländischen Forstorganisationen zu scheuen braucht.
Das letzte Wort hat der Landtag
Das Bürgerwaldforum sieht genügend Möglichkeiten innerhalb des bestehenden Systems zu reformieren bzw. einzusparen. So könnten Hierarchien abgebaut und Sonderbehörden eingegliedert werden. Dazu hat das Bürgerwaldforum einen ausführlichen Organisationsvorschlag vorgelegt, der auch an alle Bayerischen Landtagsabgeordneten versandt wurde. Durchdachte und intelligente Reformen finden auch die Unterstützung der Verbände und der Bürger. Das letzte Wort haben glücklicherweise nicht die Kabinettsmitglieder, sondern der Bayerische Landtag. Schließlich müßte das Bayerische Waldgesetz für diese bisher unausgegorene Forstreform in wesentlichen Passagen nachteilig geändert werden, ein Waldgesetz, um welches Bayern von anderen Ländern beneidet wird. Die CSU-Fraktion könnte an eine alte waldfreundliche Tradition ihrer Partei anknüpfen. Ein Vordenker in den Reihen der CSU, Dr. Hans Eisenmann hat dies wie folgt formuliert: "Die Waldwirtschaft hat in unserem Land wichtige landeskulturelle und soziale Aufgaben zu erfüllen. Für reine Fichtenplantagen, riesige Kahlschläge und den Einsatz gigantischer Maschinen hätten die Bürger in unserem Land zu Recht kein Verständnis. Sie wollen Erholungswälder und reich gegliederte Waldlandschaften nicht nur in Reservaten kennenlernen."