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Bund Naturschutz fordert Abschaltung und Sicherheitsüberprüfung aller deutschen Atomkraftwerke

Auch die AKWs Isar 1 und Gundremmingen haben AEG-Aggregate

08.08.2006

Angesichts des katastrophalen Versagens der Notstromaggregate im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark fordert der Vorsitzende des Bund Natur-schutz (BN), Hubert Weiger, die sofortige Stillegung aller deutschen Atomkraftwerke, die in der Bauart den schwedischen sehr ähnlich sind. Die meisten Atomkraftwerke In Bayern sind nach Plänen der AEG errichtete Siedewasserreaktoren. (AEG-Bauteile werden in Forsmark als Hauptproblem angesehen.)

Bis zur Überprüfung der Atomkraftwerke müssen diese abgeschaltet werden, bevor etwas passiert. Behauptungen, so etwas wie in Schweden könne in Deutschland nicht passieren, entbehren jeder Grundlage.

4 von 6 bayerischen Atomkraftwerken vom selben Bautyp wie AKW Forsmark

In Bayern sind die Reaktoren Isar 1 (Ohu bei Landshut) und die 3 Reaktoren Gundremmingen A, B und C vom selben "Siedewasser-Typ" wie der schwedische Reaktor in Forsmark.
Die Fa. AEG hatte in den 60er Jahren diesen Reaktortyp als billigere Konkurrenz zum sog. "Druckwasser-Reaktor" fortentwickeln wollen und u. a. die Reaktoren Isar 1 und Gundremmingen A errichtet. Wegen Konstruktionsfehlern musste AEG beim AKW Würgassen (Niedersachsen) für jahrelange Stillstände bezahlen. Nach diesen riesigen finanziellen Verlusten zog sich AEG aus dem Atomgeschäft zurück. Die Pläne übernahm 1976 Siemens-KWU, die noch im selben Jahr mit dem Bau der AKWs Gundremmingen B und C gemäß der AEG-Planung begann.

Störfall Gundremmingen A schlimmer als der in Forsmark

Am 13. Januar 1977 schaltete sich das Atomkraftwerk Gundremmingen A ab, nachdem wegen der Eislast auf den Hochspannungsleitungen die Fortleitung des Stroms unterbrochen war. Es kam zu vielen Fehlern beim Herunterfahren (die nie ganz geklärt wurden), zu Wassereinbrüchen im Reaktorraum und erheblichen Schäden an den inneren Rohrleitungen. Erst nach Wochen war das Reaktorinnere wieder durch die Aufsichtsbehörden inspizierbar. Die Schäden waren so groß, dass an eine Reparatur nicht zu denken war. Der Reaktor Gundremmingen A, der erst gut 10 Jahre vorher in Betrieb gegangen war, wurde für immer stillgelegt.

Sicherheitsphilosophie zerrissen

Die amtliche (auch die deutsche) Sicherheitsphilosophie erlitt in Forsmark einen gewaltigen Riss. Denn bisher baute sie darauf, dass nach Störfällen der Reaktor automatisch (d.h. ohne den Unsicherheitsfaktor Mensch) herun-tergefahren und gekühlt wird. Dazu dienen die Sicherheitssysteme, die mehrfach vorhanden ("redundant") sind, so dass bei Ausfall eines Systems ein anderes einspringen kann. Im AKW Forsmark waren offenbar alle Sicherheitssysteme gleichzeitig lahmgelegt. Notstromaggregate und Wechselrichter (Herkunft: AEG) bewirkten, dass 23 Minuten lang alles im Dunkeln lag, kein Bildschirm irgendwelche Temperatur- oder Strahlungswerte anzeigte.

Auch ein "abgeschalteter" Atomreaktor produziert aufgrund der Radioaktivität eine Nachzerfallswärme von rd. 10 Prozent seiner Spitzenleistung. Wenn diese Energie nicht augenblicklich abgeführt wird, kommt es nach weniger als einer Stunde zur Reaktorschmelze und dann zum Platzen des Reaktorgebäudes.

Diese Sicherheitsphilosophie ist die Achillesferse aller Atomkraftwerke, nicht nur der des Forsmark-Bautyps "Siedewasserreaktor".

Notstromaggregate fallen immer wieder aus

Die Notstromaggregate sind nur ein Teil der Sicherheitssysteme, aber ohne Strom geht in einem abgeschalteten Atomkraftwerk gar nichts. Wie die Un-fälle in Gundremmingen A und Forsmark bestätigen, ist diese Notsituation insbesondere dann gegeben, wenn außerhalb des Reaktors die Stromversorgung zusammenbricht. Es ist daher unverantwortlich, nach bekannten Ausfällen der Notstromversorgung (wie in der Vergangenheit in Biblis und Philippsburg oder am 3. März 2004 im Reaktor Isar 2) den Reaktor ohne Unterbrechung weiter zu betreiben.

Forsmark-Blackout auch in Deutschland wahrscheinlich

Schon bevor der genaue Ablauf des Störfalls geklärt ist, behaupteten Sprecher der großen Stromkonzerne, ein solcher Störfall sei in Deutschland ausgeschlossen. Dies ist auf Grund der konstruktiven Ähnlichkeit deutscher und schwedischer Siedewasserreaktoren eine Ungeheuerlichkeit. Die Betreiber von Atomkraftwerken verlieren mit solchen, an der Realität vorbeigehenden Behauptungen den letzten Funken an Glaubwürdigkeit.

Der Vorfall in Schweden ist erneut der Beleg dafür, dass die Rede vom "sicheren Atomkraftwerk" nichts weiter als ein Werbeslogan ist. Die tatsächlichen Untersuchungen (wie z. B. die amtliche Risikostudie Kernkraftwerke der Bundesregierung 1989) bestätigen das Gegenteil: Atomkraft ist wie russisches Roulette.

Der Zeitpunkt einer Reaktorkatastrophe, die nach Auskunft der Studien wie nach Ereignissen wie in Forsmark gar nicht so unwahrscheinlich ist, ist nicht vorhersehbar.

Risikostudie Siedewasserreaktor längst überfällig

Der "Blindflug" von Forsmark hat geradezu Symbolcharakter, denn für den Siedewasserreaktor gibt keine Risikostudie wie die der Bundesregierung aus dem Jahre 1989. Man darf also noch auf viele nicht vorhersehbare Unfallabläufe gespannt sein.
Bei einem so komplexen System wie dem Siedewasserreaktor ist es unbedingt nötig, vorher zu wissen, was passieren kann. Computersimulationen nachher sind kein Ersatz für die Sicherheitsanalyse. Für eine nachprüfbare Risikostudie, die auch alle bisherigen Unfälle in diesem Reaktortyp beinhaltet, ist es daher allerhöchste Zeit. Sie muss "wissenschaftlich fundiert und interessenunabhängig" sein, wie der Präsident des Bundesamtes für Strahlen-schutz, Wolfram König forderte.

Keine Verlängerung der Laufzeit alter Atomkraftwerke

Stromkonzerne und Sprecher von CDU und CSU haben in letzter Zeit die Verlängerung der Laufzeit alter deutscher Atomreaktoren gefordert. Diese Forderungen müssen nach Vorfällen wie in Forsmark vom Tisch. Im Gegenteil ist ein beschleunigter Atomausstieg erforderlich, um Deutschland und die Industriestaaten vor nicht wieder gutzumachenden Schäden zu bewahren.

Atomkraftwerke zählen in diesem Sommer schon nach den Problemen mit den überheizten Flüssen zu den unzuverlässigsten Stromquellen. Nun offen-bart der Atomstrom noch Unsicherheiten ganz anderen Kalibers. Auch mit Blick auf eine sichere Stromversorgung muss der Ausstieg aus der Atomkraft beschleunigt werden.

Ebenso wie in Schweden zeigt sich in Deutschland, dass mit der Vereinbarung zum "Atomausstieg" die Sicherheit der Reaktoren nicht mehr so konse-quent überprüft wird wie vorher. Teilweise mangelt es sogar an sachkundigem Personal.

Forderungen des Bund Naturschutz:

Der Bund Naturschutz in Bayern fordert die sofortige Überprüfung aller Notstromaggregate und anderer Sicherheitssysteme. Dazu müssen die Reaktoren abgeschaltet werden.

Darüber hinaus muss der Atomausstieg vor dem nächsten SuperGAU durchgeführt werden, also sofort.

Der Bund Naturschutz fordert stattdessen die Konzentration aller staatlichen und privaten Anstrengungen auf die Energieeffizienz und die Er-neuerbaren Energien, um von atomaren und fossilen Energieträgern unabhängig zu werden.

gez. Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des Bundes Naturschutz,
gez. Paul Riederer, Beiratsmitglied des Bundes Naturschutz,
Vorsitzender der Kreisgruppe Landshut BN,
gez. Dr. Ludwig Trautmann-Popp, Energiereferent des Bundes Naturschutz

Bei Rückfragen: Tel. 0951/5190 609 Fax 0951/5190 610
E-Mail: energie@bund-naturschutz.de