Bund Naturschutz zieht „Grüne Bilanz“ 2009 für das Allgäu und stellt Brennpunkte für 2010 vor
„Nach dem Abschluss zahlreicher großer Straßenbauprojekte im Jahr 2009 wie der A7 bei Füssen und der B19 zwischen Kempten und Immenstadt ist nun eine Investitionsoffensive für eine umweltfreundliche Mobilität notwendig“, so Richard Mergner, der Landesbeauftragte des Bund Naturschutz. Denn nur durch Energieeinsparung in allen Bereichen kann der Klimawandel auf ein verträgliches Maß begrenzt werden.
„Antwort der Tourismuswirtschaft auf den Klimawandel dürfen keine naturzerstörerischen Anpassungsprojekte, wie Schneekanonen und neuen Skigebietserschließungen in Hochlagen sein“, so Björn Reichelt, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Kempten-Oberallgäu und der BN-Ökostation Schwaben. „Das Allgäu wird nur dann eine dauerhaft erfolgreiche Tourismusdestination sein, wenn die Angebote mit der Natur gehen, denn die Landschaft ist unser Kapital.“
„Immer mehr Bürger erkennen, dass Naturschutz nicht nur die Heimat und Lebensqualität bewahrt, sondern gleichzeitig auch Geld spart,“ bilanziert Richard Mergner, Landesbeauftragter des BN die starke Unterstützung und steigende Mitgliederzahlen. „Diese Synergien wollen wir 2010 im Internationalen Jahr der Biodiversität besonders herausstellen: Natur ist wahrer Reichtum.“
Gerade im Allgäu ist dies nach Ansicht des BN offenkundig:
- die großen Moore des Alpenvorlandes können durch Renaturierung Klimagase und Regenwasser speichern, sie sind billiger Klima- und Hochwasserschutz.
- Grünlandgebiete mit einer extensiven Nutzung sichern gesunde Nahrung und Böden.
- Flüsse mit breiten Auen sind kostenlose Pufferflächen für Hochwasser, wenn Hochwasserschutz mit Deichrückverlegung und Renaturierung verbunden wird.
- intakte Bergwälder sind Wasserspeicher und Erosionsschutz.
Jahr der Biodiversität 2010
Die vier Allgäuer BN-Kreisgruppen führen auf 175 Grundstücken mit einer Fläche von ca. 180 ha praktische Naturschutzarbeit durch. Davon sind 73 ha im Besitz des BN und damit dauerhaft für den Naturschutz gesichert.
Einer der Schwerpunkte der praktischen BN-Naturschutzarbeit im Allgäu liegt im Moorschutz. Denn in intakte Moore sind nicht nur Rückzugsraum für äußerst gefährdete Tier- und Pflanzenarten, wie dem Hochmoorgelbling oder dem Sonnentau, sondern leisten einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz. Denn gesunde Moore speichern riesige Mengen an C02. Eine 10cm dicke Torfschicht enthält etwa gleich viel Kohlenstoff wie ein 100-jähriger Wald.
Die Allgäuer Kreisgruppen führen zahlreiche Moorrenaturierungsprojekte durch: Arbeitseinsätze finden unter anderem im Felmer Moos bei Rettenberg (OA), im Kematsrieder Moos bei Oberjoch (OA), in einem Quellhangmoos bei Haldenwang (OA), im Dümpfelmoos bei Marktoberdorf (OAL), im Hundsmoor bei Ottobeuren (MN) , im Wasenmoos bei Erkheim (MN) im Hagspielmoos bei Scheidegg (LI) und im Lindenberger Moos (LI) statt.
Daneben führten die drei BN-Gebietsbetreuer für die Allgäuer Moore und das Bodenseegebiet im Jahr 2009 knapp 100 Veranstaltungen durch. Mit Führungen, Vorträge, Fortbildungen, Aktionstage und Infostände erreichten die Gebietsbetreuer dabei direkt über 2500 Personen und trugen so zur Information über die Bedeutung der Moore und die Notwendigkeit des Moorschutzes bei. Ein ähnliches Programm wird auch 2010 wieder durchgeführt.
Die Kreisgruppen Unterallgäu und Ostallgäu engagieren sich darüber hinaus seit Kurzem als Träger eines Artenhilfsprogramm für das vom aussterben bedrohten bayerischen Löffelkrautes.
Weiterhin galoppierender Flächenverbrauch
Im Allgäu wurde innerhalb von zwei Generation soviel Fläche neu für Siedlungs- und Verkehrszwecke bebaut, wie alle vorangegangenen Generation zusammen. Pro Tag werden 1,2 ha neu verbraucht. Gerade in Zeiten von Landnutzungskonflikten zwischen Energiepflanzenanbau, Landwirtschaft und Naturschutzflächen muss der Flächenverbrauch für Siedlung und Verkehr drastisch reduziert werden. Nicht hinnehmbar sind neue Straßenbau und Siedlungsprojekte in geschützten Gebieten, wie im Bannwaldgürtel um Kaufbeuren-Neugablonz.
Erschließungsdruck im Berggebiet steigt
Einen ständig steigender Erschließungsdruck ist im Allgäuer Alpengebiet festzustellen.
Seit einigen Jahren werden die Kapazitäten der Liftanlagen deutlich erhöht und ein Großteil der Pisten als Anpassungsstrategie an den Klimawandel inzwischen beschneit. Im Landkreis Oberallgäu wird mit ca. 190 ha künstlich beschneiter Fläche weit mehr beschneit als in jedem anderen bayerischen Alpenlandkreis.
Neu ist, dass jetzt auch in bisherige Ruhe- und Tabuzonen geplant wird. Ein erster für Erholungssuchende, Tier- und Pflanzenwelt beklagenswerter Eingriff stellt die 2009 erteilte Genehmigung des Ausbaus des Skigebietes im Gunzesrieder Tal dar, da es bisher dem extensiven Tourismus vorbehalten war.
Eine neue Dimension stellen die Pläne zum Zusammenschluss der Skigebiete Balderschwang und Grasgehren am Riedberger Horn dar. Erstmalig wird in die seit 1972 im bayerischen Landesentwicklungsprogramm ausgewiesene Ruhezone C geplant. In dieser Zone sind keine touristischen oder verkehrlichen Infrastrukturen erlaubt. Der Bund Naturschutz wird alles tun, um einen Präzedenzfall in der Zone C des Alpenplanes abzuwehren. Denn der besondere Charakter des bayerischen Alpenraumes ist auch seinen großflächigen Ruhezonen zu verdanken, die Raum lassen für Erholungssuchende, Tiere und Pflanzen abseits des Massentourismus.
Der Bund Naturschutz versucht naturverträgliche Alternativen aufzubauen. Wir freuen uns, dass sich die Stadt Immenstadt dazu entschieden hat, die Initiative des Bund Naturschutz und der Alpenschutzkommission CIPRA für ein Naturerlebniszentrum aufzugreifen und im sog. AlpSeeHaus zusammen mit dem Naturpark Infozentrum umzusetzen. Baubeginn ist im Jahr 2010, Fertigstellung im Jahr 2011 geplant.
Auch der ohne Unterbrechung fortgesetzte Forst- und Alpwegebau führt zu einer unerwünschten Feinerschließung des Berggebietes. Im Naturschutzgebiet Ammergebirge wird durch den Forst ohne Rücksicht auf ein mit Behörden und Naturschutzgebieten abgestimmtes Wegekonzept der Wegebau immer weiter intensiviert.
Investitionsoffensive für nachhaltige Mobilität
2009 wurden mit der A7 Nesselwang-Füssen und der B19 Kempten-Immenstadt zwei große über Jahrzehnte umstrittene und ökologisch unverantwortliche Straßenbauprojekte fertig gestellt. Parallel wurden Projekte des Umweltverbundes, wie das Regionalbahnkonzept Allgäu nicht weiterverfolgt. Durch die einseitigen Investitionen in den Straßenbau verschlechterte sich die Attraktivität des Umweltverbundes massiv. Will das Allgäu im Klimaschutz Erfolge verbuchen, so muss auch der Verkehrsbereich in die Klimaschutzmaßnahmen einbezogen werden. Ein moderne klimaschützende Verkehrspolitik beinhaltet:
- Eine Investitionsoffensive im Öffentlichen Personennahverkehr: Sofortiger Start der Detailplanungen für ein Regionalbahnkonzept Allgäu mit der Einführung eines Halbstundestaktes und zusätzlichen Haltestellen auf allen Strecken
- Eine Verbesserung des Busverkehrs mit dichtem Taktfahrplan
- Eine Containerumschlagstelle im Allgäu
- Eine offensive Bewerbung und Pauschalpakete von Urlaubsangeboten ohne Autoanreise
- Keine weiteren Öffentliche Subventionen für den Flughafen Memmingen
Klimaschutz und Energiepolitik
Nach der gescheiterten Weltklimakonferenz in Kopenhagen ist es wichtig dass Klimaschutzprojekte vor Ort umgesetzt werden. Das Allgäu als sonnenreichste Region Deutschlands hat große Potentiale in der Solarenergie: Die BN-Energievision geht davon aus, dass die Sonne bis zu 25% zum bayerischen Energiemix beitragen kann. Mit der Allgäuer Solarmeisterschaft, die 2009 das erste mal von BN und eza! ausgetragen wurde, versuchen wir dieses Potenzial zu aktivieren.
Ein weiteres großes Standbein regenerativer und atomstromfreier Energieerzeugung ist die Windkraft, die auch im Allgäu weiter ausgebaut werden muss. Der vom Bund Naturschutz vorgeschlagene und von Dr. Ulrich Netzer aufgegriffene Masterplan Windkraft für das Allgäu muss im Jahr 2010 angegangen werden.
Der Bund Naturschutz wägt bei Projekten erneuerbarer Energiequellen immer genau den Nutzen und die Gefahren für Natur und Umwelt ab. So engagierte sich der BN 2009 mit großem Erfolg gegen ein neues Wasserkraftwerk an der Stillach im Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen. Das Naturjuwel Stillachklamm wurde gerettet. Denn dort hätten die Eingriffe den Nutzen aus C02-neutralem Strom bei weitem überstiegen.
Bund Naturschutz gestärkt für 2010 - Projekt „Zukunftsfähiges Allgäu“ gestartet
Die Mitgliederzahl des BN ist im Jahr 2009 im Allgäu von 9324 auf 9660 Mitgliedern gestiegen. Diese Bestätigung unserer Arbeit ermutigt uns die landesweiten BN-Schwerpunkte „Aktiv für umfassenden Klimaschutz“, „Für eine gentechnikfreie Landwirtschaft“ und „Bayerns Reichtum im internationalen Jahr der Biodiversität bewahren“ auch im Allgäu aktiv umzusetzen.
Die gesellschaftlichen Leitbilder, die in dem vom Bundesverband des BN zusammen mit Brot für die Welt und dem evangelischen Entwicklungsdienst neu herausgegebenen Studie „Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt“ beschrieben wurden, sollen nun auch im Allgäu Ihren Niederschlag finden: In einem neuen Projekt der BN-Ökostation Schwaben wird im Allgäu ein Netzwerk mit zahlreichen Institutionen und Verbänden gebildet, um die Leitbilder der Studie „Ressourceneffizienz“ (Energie, Klima, Biodiversität), „Renaissance der Regionen“ (Ernährung, Erholung, Mobilität) und „Reichsein ist relativ“ (Fairer Handel, soziale Gerechtigkeit) zu thematisieren.
Für Rückfragen:
Thomas Frey, BN-Regionalreferent für Schwaben, Tel: 089-548298-64 oder thomas.frey@bund-naturschutz.de