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Flächenfraß in Bayern am Beispiel Gewerbegebiet Sindersdorf, Lkr. Roth

Täglich werden in Deutschland 129 ha Wald, Acker und Wiese überbaut. Alleine in Bayern gehen pro Tag 28 ha (40 Fußballfelder) für neue Bau- und Gewerbegebiete sowie Straßenbauprojekte verloren.

07.08.2002

Tempo und Ausmaß dieses hemmungslosen Flächenfraßes sind der Bevölkerung, aber auch vielen PolitikerInnen vielfach ebenso wenig bekannt wie seine Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlagen und die negativen Folgen für künftige Generationen.

Bayern ist mit der Ausweisung von Wohn-, Gewerbe- und Verkehrsflächen derzeit Spitzenreiter in Deutschland. Die Landschaft wird zersiedelt und verschandelt, der Boden täglich mehr zubetoniert. Nicht zuletzt als Folge davon sind Jahrhunderthochwässer mittlerweile ein fast jährliches Ereignis. Gleichzeitig verliert Bayern sein Gesicht und mit der Zerstörung der landwirtschaftlichen Flächen ein Potential für nachhaltig umweltverträgliche Entwicklung. Mit der kommunalen Konkurrenz bei der Flächenausweisung sind Fehlinvestitionen und weitere kommunale Verschuldung vorprogrammiert.

Der Bund Naturschutz fordert angesichts der Fehlentwicklung in Sindersdorf (Lkr. Roth) für die aktuelle Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms eine deutliche Umkehr bei der Wohngebietsausweisung und der Gewerbeflächenpolitik mit dem Ziel, ab 2015 keine neuen Flächen zu bebauen oder in dem Maß des Neubaus an anderer Stelle versiegelte Flächen zu renaturieren. Dies erfordert Vorrang für Flächenrecycling, Nachverdichtung und Umnutzung, Maßnahmen gegen die kommunale Konkurrenz bei Gewerbegebietsausweisungen und ein Ende des Straßenneubaus.

Die Stadt Thalmässing wird aufgefordert, aus der Fehlentwicklung in Sindersdorf die Lehre zu ziehen und das geplante Gewerbegebiet in der Thalachaue nicht weiterzuplanen.


Beispiel 1: "Gewerbegebiet an der Autobahn", Hilpoltstein

Derzeit wird das "Gewerbegebiet an der Autobahn" bei Sindersdorf, Lkr. Roth erschlossen und bebaut. Das bayernweit vergleichsweise große Gewerbegebiet an der Autobahn A9 Nürnberg - München stellt ein Paradebeispiel für die Fehlentwicklungen in der Gewerbeflächenausweisung dar. Mit einer Gesamtfläche von über 31 Hektar (43 Fußballplätze) wurde hier weitab bestehender Infrastruktur ein neuer Siedlungskern begründet. Ein Teil des Gewerbegebietes ist als "Sonderfläche" für einen Autohof vorgesehen, obwohl in nächster Nähe zwei Rastanlagen bestehen (RA Feucht und RA Greding).

Das Gewerbegebiet führt mit von der Stadt Hilpoltstein prognostizierten Arbeitsplatzzahlen zu einer Maximierung des Bodenverbrauches pro Arbeitsplatz. Ca. 1.000 m2 werden pro Arbeitsplatz veranschlagt, das wären 5 - 10 mal mehr als in bestehenden, älteren Industrie- und Gewerbegebieten. Ob überhaupt ein neuer Arbeitsplatz geschaffen oder nicht vielmehr nur aus ortsintegrierten Lagen hierhin verlagert und - durch Speditionen mit ihrer arbeitsplatzvernichtenden Infrastruktur - eher abgebaut wird, wird die Zukunft zeigen. Ginge die Rechnung der Kommune und des Freistaates auf, dürfte es in Bayern keine Arbeitslosigkeit geben, da es noch nie soviel Gewerbeflächen gab wie heute. Dazu kommt die Verhässlichung der Landschaft durch erwartungsgemäß nicht zueinander passende und oft genug bunt angestrichene Gewerbekästen mit großen Abstandsflächen.

Das Gewerbegebiet führt zu einer Maximierung des KFZ-Verkehrs aufgrund fehlenden und - wie die Kommune selbst schreibt - "nicht zu erwartenden" Bahnanschlusses. Als einziges Kriterium für die Ansiedlung des Gewerbegebietes an dieser Stelle galt der Autobahnanschluss. Damit konterkariert die Stadt alle Anstrengungen, den CO2-Ausstoss zu reduzieren und den internationalen Verpflichtungen (Kyoto-Protokoll) nachzukommen.

Das Gewerbegebiet führt zu einer Maximierung von Infrastrukturaufwendungen wie Kabel, Kanäle oder Wasserleitungen wegen der Lage weitab vorhandener Einrichtungen.

Damit hat sich die Stadt Hilpoltstein in die Reihe der Kommunen gestellt, die seit einigen Jahren für die Zerstörung der bayerischen Landschaft und für die Vergeudung von Ressourcen sorgen. Der Fall ist ein Beispiel für das Versagen der Landespolitik und der kommunalen Planung.

Die Kreisgruppe Roth des Bundes Naturschutz hat die Planungen für bei Sindersdorf von Anfang an kritisiert, wurde jedoch von den kommunalen MandatsträgerInnen nicht ernst genommen. In einem vom Stadtrat forcierten Bürgerentscheid Anfang 2000 votierte die Mehrheit der BürgerInnen für den Autohof, ein Bürgerbegehren dagegen erreichte nicht das nötige Quorum. Die Fa. ESSO hatte noch kurz zuvor mit einer vierseitigen, an alle Haushalte verteilten Broschüre Stimmung pro Autohof gemacht.

Der Bund Naturschutz respektiert die demokratische Entscheidung. Nun gilt es aber aus den Entwicklungen zu lernen und weitere Fehler zu vermeiden.


Beispiel 2: Geplantes Gewerbegebiet in den Thalachauen, Thalmässing

Obwohl der Landkreis momentan über einen riesigen Vorrat an freien Gewerbeflächen verfügt (die niemand braucht), soll in Thalmässing auf Kosten der Thalachaue ein weiteres Gewerbegebiet ausgewiesen werden.

Auch hier spielt die Nähe zur Autobahn A9 die entscheidende Rolle, da Bürgermeister Ernst Schuster und die CSU-Fraktion im Gemeinderat auf den Bau einer Autobahnausfahrt Thalmässing im Zuge der geplanten B 13neu hoffen. Elf Hektar Gewerbegebiet sind im neuen Flächennutzungsplan zwischen Thalach und Staatsstraße vorgesehen, obwohl derzeit eine Reserve von 2,3 Hektar Gewerbefläche besteht.

Die geplante Lage wird selbst vom beauftragten Planer der Stadt abgelehnt ("... muss dringend abgeraten werden"). Die großflächige Versiegelung am Rand des Überschwemmungsgebietes der Thalach erhöht die Gefahr der Überflutungen in den talabwärts gelegenen Gemeinden und hätte katastrophale Auswirkungen auf das Landschaftsbild.

Der Bund Naturschutz fordert von der Stadt Thalmässing die Rücknahme der Gewerbegebietsausweisung und appelliert an Umweltminister Schnappauf, hier endlich im Sinne der nachhaltig umweltgerechten Entwicklung steuernd einzugreifen.

Erst am 15.11.2001 forderte der bayerische Umweltminister Dr. Werner Schnappauf in einer Rede zum Thema Flächenverbrauch eine Trendumkehr mittels eines ganzen Bündels an Maßnahmen: Demnach müssen u.a. Bodenschutzziele konsequent in Landschaftsplänen, Regionalplänen und Bebauungs- bzw. Flächennutzungsplänen umgesetzt und beachtet werden. Der Flächenverbrauch müsse in allen Landesteilen reduziert werden. Die Nutzung vorhandener Siedlungsflächen und die Wiedernutzung von Brachflächen müsse Vorrang vor Neuausweisungen haben.


Die Wirklichkeit: Ungebremster Flächenverbrauch am Beispiel Lkr. Roth:
Der Landkreis Roth hat - wie viele andere Landkreise auch - bereits vor Jahren eine "Standortbroschüre" aufgelegt, mit der er um potentielle InvestorInnen wirbt. Darin werden die freien Gewerbeflächen mit Karten und Daten vorgestellt. Auffallend daran ist die durchgängige Lage weitab bestehender Siedlungen. Das Gewerbegebiet Sindersdorf stellt dabei einen Höhepunkt hinsichtlich der Größe und Landschaftsverbrauch dar.

Sowohl der Landkreis als auch die Stadt Hilpoltstein werben mit ihren freien Gewerbeflächen im Internet (unter www.sis-by.ihk.de). Aktuell befinden sich in dieser Datenbank des Bay. Industrie- und Handelskammertages (IHKT) im Landkreis Roth 1.678.000 m2 oder 240 Fußballplätze freie Gewerbeflächen, d.h. voll erschlossen, sofort bebaubar (Stand 1.8.02). Hilpoltstein wirbt mit den 330.000 m2 des "Gewerbegebietes an der Autobahn" und weiteren 35.000 m2 Gewerbegebiet "Am Kränzleinsberg".

Bayernweit waren es 2001 nach Angaben des IHKT 2.505 Gewerbegebiete in 1.738 bay. Städten und Gemeinden (85% aller Kommunen) mit 12.946,5 Hektar freier Gewerbefläche, eine Fläche größer als die des Chiemsees oder der Stadt Nürnberg.

Seit dem ersten europäischen Naturschutzjahr im Jahr 1970 wurden in den alten Bundesländern rund 11 Milliarden m2 Land, meist landwirtschaftlich nutzbarer Boden verbraucht. Von den 35 Millionen Hektar in Deutschland werden 4, 2 Millionen oder 11,8 Prozent als Siedlungs- und Verkehrsfläche genutzt. Die neuen Bundesländer ziehen im Flächenverbrauch nach. Allein die überörtlichen Straßen von der Autobahn bis zur Kreisstraße sind in diesem Zeitraum zusammen mit dem Straßennetz in den neuen Bundesländern um 68.000 Kilometer auf eine Länge von 231.000 Kilometer erweitert worden. In Bayern gab es in diesem Zeitraum ein Wachstum um 4.500 auf rund 42.000 Kilometer im Jahr 2000. In nur 18 Jahren (1979 bis 1997), d.h. in nicht einmal einer Generation, wurde die bayerische Siedlungsfläche um 51 Prozent dramatisch ausgeweitet. Trotz aller aktueller politischer Aussagen der Staatsregierung zum Schutz der Landschaft und einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung , insbesondere von Ministerpräsident Edmund Stoiber und Umweltminister Werner Schnappauf, ist eine Trendwende nicht in Sicht.


Es geht auch anders: Nachhaltiges Flächenmanagement

Für die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms als wichtigstem landeplanerischen Steuerungsinstrumentes schlägt der Bund Naturschutz zur Eindämmung des Flächenverbrauchs folgende Maßnahmen vor:

Nachweispflicht bei Ausweisung von freien Flächen zur Bebauung, dass es dazu keine umweltverträglichen Alternativen gibt. Derzeit wird die Planungshoheit der Gemeinden als ein Grundrecht zum Landverbrauch missverstanden, angemessen wäre eine Grundverpflichtung zur vorrangigen Erhaltung der freien Landschaft.

Werden trotzdem zusätzliche Siedlungsflächen benötigt, haben Stadt-/ Dorferneuerung Vorrang vor der Stadt-/Dorferweiterung. Eine Strategie der Nachverdichtung und der kompakten Siedlungsformen durch Aufstockung vorhandener Gebäude, Neuaufteilung vorhandener Gebäude, Schließung von Baulücken usw. muss verfolgt werden.

Die Sicherung von Freiräumen muss über klare Vorgaben des Landesentwicklungsprogramms und über die Regionalpläne zu erfolgen. Dafür ist eine Planungskategorie "Vorranggebiet Landschaft" einzuführen, wie dies im Raumordnungsgesetz auch vorgesehen ist, von Bayern aber bislang nicht umgesetzt wird. Landschaftliche Vorranggebiete sollen überall dort ausgewiesen werden, wo die Siedlungsflächenentwicklung eingeschränkt werden muss. Die Konkretisierung der regionalplanerisch festgesetzten Freiräume soll durch flächendeckend erstellte Landschaftspläne als Grundlage der Flächennutzungsplanungen erfolgen. Dazu ist der Freistaat seit Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes seit kurzem verpflichtet.

Streichung des riesigen Straßenbauprogramms als wichtigem Faktor für Zersiedelung und Vorrang für Erschließung von Wohn- und Gewerbegebieten mit Bahn und Bus.

Für die Bedarfsprüfung sind den Städten und Gemeinden Gewerbeflächenkataster unter Einschluss der Flächenrecycling- und Nachverdichtungspotentiale zwingend vorzuschreiben. Beim Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung ist eine jährlich fortzuschreibende landesweite Statistik darüber zu führen, über die jährlich berichtet wird. Benachbarte Städte und Gemeinden sind zu gemeinsamem Gewerbeflächenmanagement zu verpflichten.

Die Landesregierung soll sich dafür einsetzen, dass als Ersatz für die den Flächenverbrauch begünstigende Grundsteuer eine Kombination aus Bodenwertsteuer und Versiegelungsabgabe zur Verteuerung der Freiflächeninanspruchnahme vom Bundesgesetzgeber geschaffen wird. Der zusätzliche Erlös ist für die Förderung innerstädtischen Bauens einzusetzen.



gez.

Prof. Dr. Hubert Weiger
1. Vorsitzender

Michael Stöhr
1. Vorsitzender der Kreisgruppe Roth

Dr. Bernd Adam
2. Vorsitzender der Ortsgruppe Hilpoltstein

Tom Konopka
Regionalreferent

Richard Radle
Geschäftsführer der Kreisgruppe Roth