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Gewässerschutz auf Sparflamme?

Bund Naturschutz sieht Ziele des europäischen Wasserschutzes in Bayern in Gefahr und fordert Kurskorrektur

23.07.2009

Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) fordert vom Freistaat Bayern mehr Anstrengungen im Gewässerschutz. Anlaß ist die Umsetzung einer europäischen Richtlinie, der Wasserrahmenrichtlinie (WWRL). Erste Entwürfe von konkreten Maßnahmenprogrammen lagen bis 30.06.2009 zur Öffentlichkeitsbeteiligung aus. Sie sind deshalb so wichtig, weil sich an ihnen die Gewässerpolitik bis 2013 orientieren wird.

„Diese Entwürfe lassen leider nicht erkennen, dass die bayerische Wasserwirtschaft die großen Chancen aufgreifen müsste, die in der Umsetzung der EU-Richtlinie liegen.“ fasst Sebastian Schönauer, stellv. Landesvorsitzender des BN und Wasserexperte im BN und BUND seine Kritik zusammen. „Das gesetzlich vorgegebene Ziel, unsere Gewässer bis hin zum Grundwasser bis 2015 in einen „guten ökologischen Zustand“ zu bringen, würde mit dieser Umsetzung in weite Ferne rücken.“

Dabei betont der Richard Mergner, Landesbeauftragter des BN, dass die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie kein Selbstzweck ist: „Wasserschutz wird gerade durch den Klimawandel zum zentralen Thema der Zukunft und ist als Schlüsselaufgabe für eine nachhaltige Entwicklung zu verstehen.“ Nur ein intakter Landschaftswasserhaushalt und ein ganzheitliches Flussgebietsmanagement können die vielseitigen und essentiellen Leistungen der Gewässer und des Grundwassers für Gesellschaft, Biodiversität und Wirtschaft sicherstellen. „Da muss Bayern noch massiv nachbessern.“

Die Bestandserfassung zeigt trotz vieler methodischer Defizite deutlich, dass zwar der Wasserqualität viel erreicht wurde, nun aber dringender Handlungsbedarf bei den Gewässerstrukturen der Flüsse und bei der Belastung aller Gewässer und des Grundwassers mit Nitrat besteht:

„Vor den nötigen grundlegenden Maßnahmen und der dringenden Gesundung unserer Gewässer versucht sich der Freistaat Bayern aber herumzumogeln, indem er auf Freiwilligkeit, Minimal-Maßnahmen und Fristverlängerungen setzt und zudem Hauptverursacher von Schäden, wie die Wasserkraftnutzung, schont.“ Vor anspruchsvollen Maßnahmen will sich der Freistaat Bayern auch drücken, indem er die „Verhältnismäßigkeit“ und Zumutbarkeit der Maßnahmen äußerst einseitig und nutzerfreundlich auslegt. „Diese Strategie zur Aufwandsminimierung ist vehement zu kritisieren und wird ohne grundlegende Korrekturen vor der EU sicher keinen Bestand haben.“ so Schönauer.

Begrüßt hat der BN, dass wenigstens die freifließende Donau zwischen Straubing und Vilshofen entgegen der vorherigen politisch beeinflussten Entwürfe als natürlich eingestuft wurde: „Das ist ein wichtiger Schritt, um die Donau frei fließend zu erhalten.“ so Mergner. „Das wird auch die CSU zur Kenntnis nehmen müssen.“

Ein zentraler Vorwurf des BN ist die mangelnde Nutzung von Synergien. „Die Renaturierung von Feuchtgebieten wie Auen oder Mooren, ökologischer Hochwasserschutz und die Umsetzung von Natura 2000 und der Biodiversitäts-Strategie des Freistaates Bayern haben große Synergien mit dem europäischen Wasserschutz.“ bemängelt Dr. Christine Margraf, Artenschutzreferentin Südbayern. Diese bleiben weitgehend ungenutzt. Zentrales Ziel für Europas Gewässer ist beispielsweise die Wiederherstellung der Durchgängigkeit. Anstatt diese mit umfassender Auenreaktivierung, einem Konzept für Geschiebedurchgängigkeit und einer klaren Absage an neue Wasserkraftwerke zu verbinden, reduziert der Freistaat Bayern Durchgängigkeit scheinbar nur auf Umgehungsgewässer, d.h. eine aufwärts gerichtete Durchwanderbarkeit für Fische. „Wir vermissen eine fachübergreifende Betrachtung unter Einbeziehung aller Feuchtgebiete. Ihr Schutz und die Umsetzung der Biodiversitätsstrategie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich auch die Wasserwirtschaft primär verpflichtet fühlen muss.“

Die Entwürfe der Maßnahmen- und Bewirtschaftungspläne werden nun von der bayerischen Wasserwirtschaftsverwaltung überarbeitet, bis Ende 2009 müssen die Endfassungen vorliegen. Der BN fordert eine grundlegende Überarbeitung in zentralen Punkten und die Veröffentlichung zentraler Hintergrund-Informationen.

Auch die Form der Öffentlichkeitsbeteiligung kritisiert der BN. „Grundlegende Unterlagen wurden uns und der Öffentlichkeit vorenthalten, die Darstellung der Entwürfe war für einen Nicht-Fachmann kaum verständlich und die internet-Beteiligung sehr nutzer-unfreundlich.“ so Mergner. Auf regionaler Ebene fanden kaum Informationsveranstaltungen statt und auch die Gemeinden wurden viel zu wenig einbezogen. „Da braucht man sich nicht wundern, wenn die Beteiligung der Öffentlichkeit sehr gering sein wird – obwohl gerade Wasserschutz jeden angeht und jeder auch dazu beitragen sollte.“ Gerade die Kommunen spielen eine zentrale Rolle im Gewässerschutz, sie sind für ca. 60.000 km der über 70.000 km Fließgewässer verantwortlich. Der BN hatte für seinen Untergliederungen eigene Hilfestellungen erarbeitet, die etwa die Hälfte seiner Kreisgruppen genutzt hat.
Der BN fordert nun eine intensive gesellschaftlich und politische Diskussion über ein nachhaltiges Gewässermanagement in Bayern.

Als die 10 schwersten Defizite hat der BN folgende Punkte festgestellt:

1. Fehlerhafte Bereitstellung von Informationen
Wesentliche Hintergrundinformationen, Daten und Auswertungen fehlen und wurden trotz mehrfacher Nachfrage nicht zur Verfügung gestellt, obwohl sie teilweise vorhanden sind. Dazu gehört beispielsweise ein bayernweites Querbauwerkskataster und strategisches Durchgängigkeitskonzept. Der BN fordert eine Veröffentlichung und erneute Beteiligung, wenn alle noch fehlenden Karten, Bewertungen und Hintergrunddokumente vollständig in den Entwurf integriert sind.

2. Unzureichende finanzielle und personelle Ressourcen
Das Gelingen eines nachhaltigen Flussgebietsmanagements hängt vor allem davon ab, ob für die WRRL-Umsetzung und den absehbaren Mehraufwand die erforderlichen Ressourcen bereit stehen. Mit der Verwaltungsreform in Bayern wurde jedoch Personal abgebaut, und auch zusätzliche finanzielle Ressourcen sollen offenbar nicht zur Verfügung gestellt werden.

3. Völlig unzureichende ökonomische Bewertung
Die ökonomische Analyse des Bewirtschaftungsplanes ist keine Analyse, sondern nur eine sehr reduzierte Darstellung einiger Fakten zu einzelnen Nutzungen. Der Begriff der Wassernutzungen wird unzulässigerweise reduziert, der Beitrag der Wassernutzer/ Wasserdienstleistungen zur Finanzierung wird auf die Bereich Abwasser und Trinkwasser begrenzt. Nötig ist jedoch, das Verursacher-Prinzip für alle Wassernutzer und -verschmutzer (auch Wasserkraft, Landwirtschaft) anzuwenden denn nur so kann der Kostenaufwand für die notwendigen Maßnahmen finanziert und die Kosten gerecht verteilt werden. Auch die Prüfung der „besseren Umweltoption“ kann damit nicht korrekt erfolgen.
Es ist offensichtlich, dass in den Entwürfen jegliche kritische Auseinandersetzung mit der Wasserkraft vermieden wurde bzw. werden sollte – wohl um den weiteren Ausbau nicht zu gefährden – in klarem Widerspruch zur Tatsache, dass die hydromorphologischen Veränderung das Hauptproblem unserer Gewässer sind.

4. Unzureichende Erfassung der Probleme und Zielformulierung
Zahlreiche Belastungen werden entgegen vorliegenden Erkenntnissen als nicht signifikant eingestuft (z.B. Wärmeeinleitung!) oder gar nicht aufgeführt. Das Problem der Stoffeinträge in die Gewässer wird nicht in voller Tragweite dargestellt. Hochwasserschutzmaßnahmen werden nicht ausreichend differenziert analysiert.
Ganz eklatant fehlerhaft ist die inhaltliche Aufbereitung bei der Wasserkraft.
Entsprechend ist auch die Zielformulierung vielfach nicht anspruchsvoll genug.

5. Fristverlängerung wird zur Regel statt zur Ausnahme, fehlerhafte Bewertung der „Verhältnismäßigkeit“ des Aufwands, fehlende Prüfung der „besseren Umweltoption“
Die Einstufung der Gewässer orientiert sich offenbar an der vorhandenen Nutzung und einer „Verhältnismäßigkeit“, deren Interpretation vehement zu kritisieren ist.
Prozentual gesehen werden im bayerischen Donaugebiet von 47% der Flusswasserkörper und 33% der Seewasserkörper, im Rheingebiet von 51% der Flusswasserkörper sowie 67% der Seewasserkörper die Ziele bis 2015 nicht erreicht. Das bedeutet, dass Bayern für ca. 47% aller Oberflächenwasserkörper den Ausnahmetatbestand Fristverlängerung in Anspruch nehmen würde.
Die Nutzungen Hochwasserschutz und Wasserkraft wurden vielfach grundsätzlich als vorrangig gegenüber den ökologischen Belangen behandelt. Eine Einstufung als erheblich verändert ohne Prüfung der besseren Umweltoption widerspricht den Zielen der WRRL.

6. Unzureichende Einbeziehung grundwasseranhängiger Landökosysteme und Synergien mit Naturschutzzielen
Intakte wasserabhängige Schutzgebiete wie Auen und Moore spielen neben zahlreichen anderen Funktionen auch für die Zielerreichung der WRRL eine bedeutende Rolle: als Lebensraum der „biologischen Komponenten“ (v.a. Fische), als enormer Beitrag zur Gewässerqualität (Selbstreinigungskraft), als natürlicher Grundwasserfilter, für die Grundwasserneubildung, als Wasserspeicher, als Stoffsenke u.v.a. Dies betonen auch zahlreiche Programmen Bayerns und des Bundes, insbesondere das Auenprogramm (Bund, Bayern), das Moorentwicklungskonzept (Bayern) und die Biodiversitätsstrategie (Bund, Bayern), die den Handlungsbedarf deutlich darstellen.
Die hohen Synergieeffekte zwischen Naturschutz, WRRL und vielen anderen staatlichen Zielen bis hin zum Klimaschutz (Moore!) finden sich aber höchstens ansatzweise wider. Außerhalb von Natura 2000-Gebieten wurden Feuchtgebiete gar nicht berücksichtigt, und sogar Ziele und Maßnahmen für Natura 2000-Gebiete fehlen weitgehend. Gerade Maßnahmen in Flüssen und Feuchtgebieten mit hohen Synergieeffekten wären nicht „unverhältnismäßig“ aufwändig, sondern höchst effektiv.

7. Freiwilligkeit zentraler Maßnahmen
Ein besonders großes Defizit der Maßnahmenplanung ist die Freiwilligkeit für zentrale Maßnahmen in der Landwirtschaft. Wie damit die Ziele der WRRL erreicht werden sollen, bleibt vollkommen offen. Dieses Vorgehen ist nicht nur teuer (und letztlich nicht finanzierbar), sondern auch nicht nachhaltig und zielführend.
Bei den Gewässer 3. Ordnung (60.000 km!) bleibt aufgrund der Zuständigkeit der Kommunen völlig unklar, welche rechtliche Bindung die entworfenen Maßnahmenprogramme überhaupt entwickeln können.

8. Fehlende Konkretisierung der Maßnahmen
Die Maßnahmenprogramme definieren einen Rahmen, d.h. die Maßnahmen sind nicht konkretisiert, deshalb nicht ausführbar und folglich auch nicht verbindlich.
Die Pläne enthalten sehr viel Information zur Wasserrahmenrichtlinie im allgemeinen, jedoch wenig bis keine Konkretisierung der regionalen oder lokalen Situation. Damit sind Belastungen und mögliche Gegenmaßnahmen für die breite Öffentlichkeit nicht fassbar.

9. Klimawandel: bis 2015 kein Thema
Erkenntnisse zum Klimawandel bzw. zur Klimaanpassung werden nicht aufgegriffen, obwohl Anpassungsstrategien langfristig wirken und deshalb mit ihrer Umsetzung in naher Zukunft begonnen werden muss.

10. Rechtslage
In den Entwürfen werden keinerlei Vorschläge für Änderungen der aktuellen Rechtslage gemacht. Es ist keineswegs so, dass ein berechenbarer Rahmen für Entscheidungen oder überregionale Planungen zugunsten des Gewässerschutzes bestünde.

Für Rückfragen:
Dr. Christine Margraf, Fachabteilung München des BN (Tel.: 089/54829889, www.bund-naturschutz.de, christine.margraf@bund-naturschutz.de

Sebastian Schönauer, Sprecher des AK Wasser im BN und BUND: sebastian.schoenauer@bund-naturschutz.de

 

 













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