„HEIMAT BAYERN 2020“: VERBAUT, VERSIEGELT, VERKAUFT?
„Söders Heimatstrategie ist dazu geeignet, die Reste intakter bayerischer Kulturlandschaft dem ruinösen Wettbewerb der Kommunen um Gewerbeansiedlungen zu opfern“, kommentiert Prof. Dr. Hubert Weiger die Pläne der Bayerischen Staatsregierung zur Heimatstrategie 2020. In der Regierungserklärung „Heimat 2020“ präsentierte der Heimatminister eine Reihe von Vorschlägen zur Degradierung der Landesplanung, die den Flächenverbrauch in Bayern weiter ansteigen lassen werden.
„Der nach wie vor ungebremste Flächenverbrauch in Bayern ist neben der Intensiv-Landwirtschaft eine der größten Herausforderungen für den Erhalt der biologischen Vielfalt und des bayerischen Naturerbes“, erläutert Dr. Norbert Schäffer, Vorsitzender des LBV. Berücksichtigt werden muss dabei nicht nur der direkte Flächenverlust durch Bebauung und Infrastrukturmaßnahmen, sondern auch Zerschneidungs- und Verinselungseffekte durch Neubau von Verkehrswegen. Heimat bedeutet vor allem den Erhalt der vielfältigen Lebensräume in Bayern mit ihren charakteristischen Arten. „Auch Arten wie das Birkhuhn, der Kiebietz oder die Feldlerche haben in Bayern ihre Heimat“ betont Norbert Schäffer.
Der BUND Naturschutz und der Landesbund für Vogelschutz setzen dagegen auf eine starke Landesplanung, die den Kommunen einheitliche Regeln bei der Ausweisung von neuen Siedlungsgebieten vorschreibt. Nur so kann das Dumping im Umgang mit der wertvollen Ressource Boden durchbrochen werden.
Zu Beginn seiner Zeit als bayerischer Umweltminister im Herbst 2008 erklärte Söder noch: „Die Bayerische Staatsregierung hat den Flächenverbrauch als zentrales Umweltproblem erkannt.“ Diese Erkenntnis ist ihm als Heimatminister im Jahr 2014 verlorengegangen: „Angst um zu viel Flächenverbrauch habe ich übrigens nicht“, erklärte Söder in seiner Regierungserklärung zur Heimatstrategie „Heimat Bayern 2020“ am 27.11.2014 im Bayerischen Landtag. Dabei hat sich fachlich an der Situation seitdem nichts geändert. Der Flächenverbrauch verharrt seit 2002 auf konstant hohem Niveau (siehe Grafik in der pdf-Datei).
Die Bundesregierung hatte 2002 im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen, den Flächenverbrauch von 2002 bis 2020 um 75% zu reduzieren. Für Bayern bedeutet das eine Zielgröße von 4,5 ha pro Tag. Dieses Ziel ist ohne neue Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung unerreichbar. Der Wettbewerb der Kommunen um Gewerbeansiedlungen und Einkommensteuerzahler befeuert in der Praxis den Flächenverbrauch, da Boden außerhalb der Agglomerationsräume oft zu Dumpingpreisen verkauft wird. Es ist davon auszugehen, dass der Flächenverbrauch mit den in der Heimatstrategie angekündigten Maßnahmen weiter zunimmt.
Konkret sieht die Heimatstrategie Erleichterungen in zwei Bereichen vor:
Das sog. Anbindegebot im Landesentwicklungsprogramm soll gelockert werden. Es stellt bisher sicher, dass neue Siedlungsgebiete nur angebunden an bestehende Siedlungen ausgewiesen werden dürfen. Zwar gab es auch bisher schon Ausnahmen, nun will Söder aber neue Siedlungskerne entlang von allen vierspurigen Straßen pauschal erlauben. Zudem sollen auch interkommunale Gewerbegebiete und Tourismusprojekte in der freien Landschaft ermöglicht werden. Dadurch wird nicht nur der Landschaftsverbrauch gefördert, es entsteht auch mehr Verkehr, weil die Wege weiter werden. Die bayerische Kulturlandschaft steht auf dem Spiel, obwohl die Bayerische Verfassung in §141 feststellt: „Die kennzeichnenden Orts- und Landschaftsbilder sind zu schonen und zu erhalten.“ Das Anbindegebot sollte diesen Verfassungsauftrag umsetzen.
Die ohnehin schon verhältnismäßig schwachen Regelungen des Landesentwicklungsprogramms sollen nach dem Willen von Heimatminister Söder weiter ausgehöhlt werden. Die sog. Zielabweichungsverfahren sollen „erleichtert“ und vom Ministerium auf die Bezirksregierungen verlagert werden, damit „ortsnah und schneller“ entschieden werden kann. Zielabweichungsverfahren sind notwendig, wenn ein Projekt gegen verbindliche Ziele der Landesentwicklung verstößt und trotzdem realisiert werden soll. Positive Bescheide sind bisher nur möglich, wenn ein Projekt einen atypischen Einzelfall darstellt, der die Grundzüge der Landesplanung nicht berührt. Die vorgesehene Lockerung würde weitere Bebauung auf der grünen Wiese und Eingriffe in die Ruhezonen der Erholungslandschaft Alpen ermöglichen. Bisher sind über 40% des bayerischen Alpenraumes als Ruhezonen vor Verkehrs- und Tourismusinfrastruktur geschützt. Seit dem Inkrafttreten des Alpen-Planes 1972, der Teil des Landesentwicklungsprogramms ist, wurde noch nie eine Ausnahme mittels Zielabweichungsverfahren zugelassen. Mit einer Erleichterung dieses Verfahrens drohen nun auch diese Ruhezonen zu fallen. Aktuell planen Liftbetreiber im Landkreis Oberallgäu ein Zielabweichungsverfahren für eine Liftneuerschließung und einen Skipistenneubau am Riedberger Horn.Dem wichtigsten Quellgebiet für Birkhühner im größten zusammenhängenden Birkkhuhnlebensraum im Allgäu droht durch diese Planung das Aus.
2015 ist das internationale Jahr zum Schutz des Bodens. „Die bayerische Staatsregierung sollte das Jahr 2015 nutzen, um endlich ernsthafte Maßnahmen zum Boden- und Flächenschutz voranzutreiben“, so Dr. Christine Margraf, die Leiterin der BN Fachabteilung München. "Wir brauchen mehr, statt weniger staatliche Aufsicht über die kommunale Bauplanung. Boden speichert Niederschläge und ist Grundlage für natürliche Lebensräume. Bodenschutz ist unabdingbar für den Hochwasserschutz und das Erreichen der Ziele der bayerischen Biodiversitätsstrategie."
BUND Naturschutz und Landesbund für Vogelschutz legen deshalb ein 10-Punkte-Konzept vor, wie der Boden- und Flächenschutz in der Landesplanung verankert werden sollte, damit Bayern die Flächenschutzziele der Nachhaltigkeitsstrategie erreichen kann.
Für Rückfragen:
Thomas Frey
Regionalreferent für Schwaben
Tel.: 089/548298-64; 0160-95501313
thomas.frey@bund-naturschutz.de
Dr. Christine Margraf
Leiterin der BN Fachabteilung München
Tel.: 089/548298-89
christine.margraf@bund-naturschutz.de
10-Punkte Konzept des BUND Naturschutz in Bayern e.V. und des Landesbundes für Vogelschutz in Bayern e.V. zur Verankerung von Boden- und Flächenschutz in der bayerischen Landesplanung:
- Festschreibung des Zielwertes für Flächenverbrauch im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung im Landesentwicklungsprogramm Bayern: Reduktion des Flächenverbrauchs auf 4,5ha pro Tag im Jahr 2020
- Verpflichtendes Flächenressourcenmanagement in Gemeinden: Baulücken- und Brachflächenkataster, Aktivierungstätigkeiten des Innenentwicklungspotenzials. Neue Siedlungsgebiete dürfen nur dann ausgewiesen werden, wenn nachweisbare Potenziale der Innenentwicklung nicht zur Verfügung stehen.
- Steuerung der Siedlungsentwicklung in der Regionalplanung. Ausweisung von Eignungsgebieten z.B. an Orten mit guter Infrastruktur, ÖV-Anschluss etc.
- Definition von Dichtezielen in der Regionalplanung, um eine Annäherung an bauliche Dichten in den Dorf- und Stadtkernen zu erreichen.
- Verpflichtende Darstellung des Bedarfs und der Nachfrage nach Neubauflächen nach einheitlichen, realistischen und überprüfbaren Kriterien vor einer Flächenneuausweisung.
- Rückverlagerung der Genehmigungspflicht von Flächennutzungsplänen auf die Bezirksregierungen.
- Zielabweichungsverfahren müssen auf atypische Einzelfälle, die dem Sinn und Zweck des Normgebers widersprechen, beschränkt bleiben.
- Streichung aller Ausnahmen zum Anbindegebot, außer der Ausnahme für große immissionsintensive Industriebetriebe.
- Verbot für Einzelhandelsansiedlungen auf der Grünen Wiese
- Straßenneubauten nur mehr in wenigen begründeten Ausnahmefällen, die bestehende Infrastruktur muss bezüglich ihrer ökologischen Durchgängigkeit verbessert werden.
Pressemitteilung zum Download:
PM_FA_25_14_Heimatstrategie.pdf