Jagd muss mehr Rücksicht auf Natur- und Artenschutz nehmen
Die Bedeutung der Jagd hat sich im Laufe der Jahre einschneidend gewandelt. Ihre Akzeptanz in der Gesellschaft schwindet, weil sich die Jagd bislang weigerte, gesellschaftliche Veränderungen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse anzuerkennen. Jagd ist heute überwiegend eine Freizeittätigkeit, die häufig in Konflikt auch mit Zielen des Naturschutzes gerät, wenngleich der Bund Naturschutz (BN) anerkennt, dass es stets Jäger gab und gibt, die sich im Naturschutz vorbildlich engagieren. Die Jagd ist aus der Sicht der Natur-, Umwelt- und Tierschutzverbände jedoch dringend reformbedürftig.
Mit seiner neuen Jagdposition will der BN die notwendigen Voraussetzungen schaffen für den Erhalt und die Verbesserung der Artenvielfalt, für den Natur- und Artenschutz, für eine geringere Störung aller Wildtiere, nicht nur in besonders geschützten Gebieten und für eine naturgemäße Waldwirtschaft und damit auch den vorsorgenden Hochwasserschutz. Nach intensiver Diskussion in den Arbeitskreisen Wald, Alpen und Artenschutz haben Vorstand und Beirat des BN im Juni 2003 einstimmig die neue Position zum Thema Jagd verabschiedet.
Notwendig wurde die Fortschreibung auch, weil unsere langjährige Forderung nach einer Novellierung des Bundesjagdgesetzes, welches in vielen Bereichen noch auf dem Reichsjagdgesetz von 1934 basiert, von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag aufgegriffen wurde. Die Novellierung ist für den Herbst dieses Jahres angekündigt. Mit unserer neuen Position haben wir eine gute Grundlage für die anstehenden Beratungen geschaffen.
Der BN stellt die Jagd nicht in Frage, sieht aber dringenden Reformbedarf:
- Jagdgesetz und Jagdpraxis werden wesentlichen Erfordernissen des Naturschutzes nicht gerecht, da nach wie vor bedrohte Arten bejagt werden und in vielen Schutzgebieten nahezu ohne Einschränkungen gejagt wird.
- Die übliche Jagdpraxis beeinträchtigt durch Hege überhöhter Bestände an Schalenwild (z.B. Rehe, Rothirsch, Wildschweine) die natürliche Vielfalt der Baumarten und der Bodenvegetation.
- Wichtigen Grundsätzen des Tierschutzes wird die Jagd vielfach nicht gerecht. So werden Wildtiere in ihren Balz- und Brunftzeiten oder auch mit Fallen bejagt.
- Die Möglichkeiten, Wildtiere in freier Natur zu erleben, werden durch die heute übliche Jagd mit zeitlich ausgedehnten Schusszeiten erheblich eingeschränkt, denn die Tiere werden erst durch die Jagd scheu und „wild“ geschossen.
- Das Jagdrecht beschränkt die Grundeigentümer in der Entscheidung welche standortheimischen Pflanzen in ihrem Wald aufwachsen können und ob und wie auf ihrem Grundeigentum gejagt wird.
Kernelemente der BN Jagdposition sind:
- Die Jagd hat dann eine Berechtigung, wenn sie einen Beitrag zur Erhaltung und Wiederherstellung einer den natürlichen Gegebenheiten angepassten Vielfalt standortsheimischer Pflanzen- und Tierarten leistet. Tiere sind Mitgeschöpfe des Menschen. Sie dürfen auf der Jagd nur dann getötet werden, wenn dafür ein vernünftiger Grund vorliegt. Tötungen ohne nachfolgende Verwertung werden abgelehnt.
- Die Zahl der dem Jagdrecht unterliegenden Arten soll von momentan 100 Arten auf 14 Arten reduziert werden. Die Hälfte der Säugetierarten im Jagdrecht steht auf der Roten Liste der gefährdeten Tiere Deutschlands, bei den Vogelarten sind es sogar über 60 %. Die Jagdausübung darf nur bei nicht im Bestand gefährdeten Arten zulässig sein. Im Bereich Säugetiere sollen Rot-, Dam- und Sikahirsch, Reh, Gämse, Mufflon, Wildschwein (Schalenwild), sowie Wildkaninchen, Fuchs und Steinmarder, im Bereich Vögel Fasan und Stockente bejagbar bleiben. Sollten sich die Bestände von Feldhase und Rebhuhn nachhaltig erholen, kann eine zeitlich begrenzte Bejagung zulässig sein.
- Die Abschusspläne für das Schalenwild sollen im Zug der Verwaltungsvereinfachung und Entbürokratisierung abgeschafft werden. Die mit großem bürokratischen Aufwand verbundene behördliche Abschussplanung hat die angestrebte Kontrolle der Schalenwildbestände nicht erreicht.
- Der BN spricht sich grundsätzlich für das Revierjagdsystem und die Bindung des Jagdrechtes an Grund und Boden aus. Die Rechte der Grundeigentümer sollen gestärkt werden. Der Grundeigentümer muss selbst entscheiden können, welche der standortheimischen Pflanzenarten auf seinen Grundstücken aufwachsen dürfen. Dazu müssen die Bestimmungen über die „Hauptbaumarten“ und die Wildschadensregelungen geändert werden. In begründeten Fällen soll der Eigentümer die Möglichkeit erhalten, über die Ausübung des Jagdrechtes mit Genehmigung der Unteren Jagdbehörde zu entscheiden. Zum Schutz benachbarter Grundstücke vor Schäden durch überhöhte Schalenwildbestände kann eine Einschränkung dieses Rechts notwendig sein.
- Die Störungen durch die Jagd sind auf ein unumgängliches Mindestmaß einzuschränken. Die Schusszeiten sind deshalb zu verkürzen und zu harmonisieren und vor allem in den Herbst und Frühwinter unter Beachtung regionaler Besonderheiten zu verlegen. Zur Paarungszeit und in der Zeit der Jungenaufzucht hat grundsätzlich Jagdruhe zu herrschen (Ausnahmeregelungen für Wildschwein, Gams und Fuchs in deren Paarungszeiten).
- Das Füttern von Wild wird untersagt. Die Fütterung ist eine wesentliche Ursache für überhöhte Schalenwildbestände, die nicht der natürlichen Nahrungskapazität ihres Lebensraums angepasst sind und dann durch Verbiss das Ökosystem Wald tiefgreifend stören.
- In Nationalparken und Ramsar-Gebieten ruht die Jagd grundsätzlich. In Naturschutzgebieten, Kernzonen der Biosphärenreservate und Natura 2000-Gebieten hat sich die Jagd dem jeweiligen Schutzzweck unterzuordnen. Für den Bund Naturschutz stehen in Schutzgebieten allein die Erhaltung und Wiederherstellung der natürlichen Lebensgemeinschaften im Mittelpunkt der Bemühungen.
- Der Schuss mit bleihaltiger Munition ist aus Gründen des Verbraucher- und Umweltschutzes zu verbieten. Unbedenkliche Alternativen sind vorhanden.
- Der Schrotschuss auf Rehwild wird wieder erlaubt.