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Konsequenz aus Atomkatastrophe in Japan: Bund Naturschutz fordert die Abschaltung der Atomkraftwerke in Deutschland

Massive Kritik an der unverantwortlichen Bagatellisierung der atomaren Risiken von bayerischen Atomkraftwerken durch Ministerpräsident Horst Seehofer und Umweltminister Markus Söder

 

14.03.2011

Als Konsequenz aus der Atomkatastrophe in Japan fordert der Bund Naturschutz den Sofortausstieg aus der unverantwortbaren Atomenergie. „Neben der Sofortabschaltung von alten Atommeilern aus den siebziger Jahren wie Isar 1 bei Ohu, Grafenrheinfeld oder Gundremmingen müssen spätestens in zwei Jahren alle deutschen Atomkraftwerke stillgelegt sein“, fordert BN-Landesvorsitzende Hubert Weiger.

 „Die unverantwortliche Bagatellisierung der Risiken der Atomkraftwerkstechnologie durch  Ministerpräsident Horst Seehofer und Umweltminister Markus Söder muss ein Ende haben. Angesichts der Unbeherrschbarkeit der Atomreaktoren bei unkalkulierbaren Ereignissen wie Erdbeben, Flugzeugabstürzen, terroristischen Angriffen oder menschlichem Versagen ist der Schutz der Bevölkerung nicht sicher zustellen“ so Weiger.

 Mit ihrer knallharten Lobbypolitik für den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken gefährdet die Bayerische Staatsregierung nach Ansicht des Bundes Naturschutz nicht nur die Gesundheit der Bevölkerung und das Leben zukünftiger Generationen, sondern blockiert auch Bayerns Energiezukunft.

 „Die Atomstromlobbypolitik von Staatsregierung, CSU und FDP ist schädlich für den Klimaschutz und torpediert die Zukunft einer Stromversorgung mit Energieeffizienz und erneuerbarer Energie“, so BN Landesbeauftragter Richard Mergner.

 Die Behauptung von Seehofer und Söder, bayerische Atomkraftwerke seien „sicher“ werde durch ihre Forderung nach einer neuen Sicherheitsüberprüfung entlarvt. Tatsächlich seien laut BN Risiken nicht auszuschließen. Nach heutigen Kriterien wären alle deutschen Atomkraftwerke nicht mehr genehmigungsfähig.

Atomenergie sei, wie die Gutachten mehrerer Enquetekommissionen, des Umweltbundesamtes oder des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung belegen, keine Brückentechnologie sondern eine Blockadetechnologie für die notwendige Innovation bei der Erzeugung und Nutzung von Energie.

 Der Bund Naturschutz fordert von der Bundesregierung und der Staatsregierung Initiativen für drastische Energieeinspargesetze, eine Abwrackprämie für Strom fressende Elektrogeräte, die Fortführung der ökologischen Steuerreform mit Kappung der Ausnahmen für bestimmte Industriebranchen und den massiven Ausbau der Stromerzeugung mit Kraft-Wärme-Kopplung und Blockheizkraftwerken.

 

Risiken am Beispiel des Atomkraftwerk Isar 1

 Das Atomkraftwerk Isar I bei Landshut hat seinen Betrieb 1977 aufgenommen und gehört neben Brunsbüttel, Krümmel und Philippsburg I zu den besonders störanfälligen Siedewasserreaktoren der Baulinie 69. Kein anderer Reaktortyp in Deutschland hatte dermaßen vielen Pannen wie die Baulinie 69. Reaktoren dieser Generation haben massive Verschleißerscheinungen. Ihre Bauweise ist nicht auf dem neuesten Stand der Sicherheitstechnik

 

Dies belegten folgende kurz gefasste Argumente:

Eine wesentliche Schwäche der Siedewasserreaktoren der Baulinie 69 ist die Auslegung des Reaktorgebäudes. Während neuere Reaktoren mit Wandstärken bis zu 180 cm gebaut sind, weist Isar I nur Wandstärken zwischen 35 und 120 cm auf und ist so gegen Einwirkungen von außen entsprechend verwundbar. Folge der kostensparenden Bauweise ist außerdem ein Sicherheitsbehälter, der einen sehr kleinen Durchmesser und somit ein geringes freies Volumen aufweist. Bei einem Störfall mit Druckaufbau führt dies zu einem frühzeitigen Versagen des Sicherheitsbehälters.


Auch die dünnwandige stählerne Bodenwanne des Sicherheitsbehälters ist äußerst problematisch. Im Falle einer Kernschmelze kommt es innerhalb kurzer Zeit zum Durchschmelzen der Bodenwanne und sehr rasch zum Versagen des Sicherheitsbehälters. Diese Schwachstelle ist bereits seit über 20 Jahren bekannt und nicht nachrüstbar. Erst im November 2006 stellte die Gesellschaft für Anlagen und Reaktorsicherheit (GRS) eine Risikostudie für die drei kleineren Anlagen der Baulinie 69 (Brunsbüttel, Isar I und Philippsburg I) vor mit folgendem Ergebnis:

 

  • Nach dem Versagen des Reaktordruckbehälters wird der Sicherheitsbehälter in jedem Fall nach kurzer Zeit versagen (Durchschmelzen der Bodenwanne).
  • Es kommt in den meisten Fällen zu hohen Freisetzungen von Radionukliden.
  • Die Vorwarnzeit vor einer Freisetzung liegt zwischen nur 1,5 und 5 Stunden.

 Das besonders Erschreckende daran ist, dass die Vorwarnzeit vor der Freisetzung so kurz ist. So bleibt bei einem Kernschmelzunfall nur extrem wenig Zeit für eine Evakuierung der Bevölkerung. Kann die Evakuierung nicht rechtzeitig erfolgen, ist nahe der Anlage mit akuten Strahlenkrankheiten und in größerer Entfernung mit erheblichen Langzeitfolgen zu rechnen.

 Ein immer größer werdendes Problem für Isar I ist zudem die Alterung von Werkstoffen, Systemen und Konzepten, Dokumentation und Personal. Im Allgemeinen beginnt die Alterungsphase bei einem Atomkraftwerk nach etwa 20 Betriebsjahren, kann aber auch schon früher einsetzen. Alterung trägt in jedem Fall zum Risiko des Anlagenbetriebs bei. Im Atomkraftwerk führen ionisierende Strahlung, thermische und mechanische Beanspruchungen sowie korrosive, abrasive und erosive Prozesse zu Alterungsprozessen in Werkstoffen. Folgen der Alterungsprozesse sind z.B. Versprödung, Rissbildung und -wachstum oder Veränderungen elektrischer und anderer physikalischer Eigenschaften. Alterung kann nur teilweise durch häufige Prüfungen und Nachrüstung, also Austausch betroffener Systeme und Komponenten, behoben werden. Die Siedewasserreaktoren der Baulinie 69 waren und sind bis heute stark von Rissbildungen im Rohrleitungssystem betroffen. Hauptursache sind sowohl dehnungsinduzierte Risskorrosion als auch interkristalline und transkristalline Spannungsrisskorrosion. Auch nach umfangreichen Nachrüstprogrammen mit Werkstoffen, die zu dem Zeitpunkt als korrosionsresistent galten, traten immer wieder korrosionsgestützte Risse auf. Die Ursachen sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Risse können folgenschwere Störfälle auslösen oder Ereignisabläufe negativ beeinflussen.

 Weiterhin sind ältere Reaktoren in Bezug auf Flugzeugabsturz nur gering geschützt. Isar I liegt zudem in der Nähe von Flugkorridoren. Reaktoren der Baulinie 69 haben gleich drei durch Nachrüstungen nicht zu korrigierende Nachteile:

 

  • Das Reaktorgebäude ist nicht gegen den Absturz einer Militärmaschine und schon gar nicht gegen den Absturz von Verkehrs- und Frachtflugzeugen geschützt. Bei einem Absturz auf das Reaktorgebäude kommt es höchstwahrscheinlich zur Kernschmelze.
  • Das Maschinenhaus und das Schaltanlagengebäude sind überhaupt nicht gegen Flugzeugabsturz ausgelegt. Bei Absturz auf diese Gebäude besteht ebenfalls die Möglichkeit einer Kernschmelze.
  • Das Brennelement-Lagerbecken befindet sich außerhalb des Sicherheitsbehälters im oberen Bereich des Reaktorgebäudes. Das Lagerbecken ist durch Flugzeugabsturz und andere Angriffe verwundbar.

 Egal welcher Gutachter, das Ergebnis ist immer gleich: Beim Absturz eines Verkehrsflugzeugs auf Isar I kommt es zur katastrophalen Freisetzung radioaktiver Stoffe. Hinzu kommen weitere wichtige Gefahrenmomente, wie die bereits im Normalbetrieb bestehenden Krebsrisiken, die mit Urangewinnung und -verarbeitung und mit Transport und Lagerung radioaktiver Abfälle verbundenen Risiken.

Für Rückfragen:

Richard Mergner,
BN-Landesbeauftragter 
Tel.: 0911-8187825 und 0171-6394370

Dr. Herbert Barthel,
BN-Referent für Energie und Klimaschutz, Tel.: 0151-50489963