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Kraftwerkspläne im Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen

Bayern muss seine Naturschutzgesetze umsetzen

16.03.2009

Im Naturschutzgebiet „Allgäuer Hochalpen“ planen zwei private Investoren und die Gemeinde Oberstdorf ein Wasserkraftwerk mit einer Ausleitungsstrecke von 1,5 Kilometern. Zum betroffenen Fliessgewässerabschnitt gehört die tief eingeschnittene und bisher nahezu unberührte Stillachklamm mit höchster naturschutzfachlicher Wertigkeit und einer typischen Flora und Fauna. Der Bund Naturschutz in Bayern, der Fischereiverband Schwaben und der Fischerei-Verein Oberstdorf protestieren gemeinsam gegen dieses Ansinnen.

Der Lebensraum Wildfluss wurde in Bayern in den letzten 100 Jahren durch Flussbegradigungen, Zerstörung der Auen, Staustufenbau und technische Hochwasserschutzbaumassnahmen weitgehend flächendeckend zerstört. 91% des bayerischen Wasserkraftpotentials sind bereits energetisch genutzt. Die wenigen noch verbliebenen naturnahen Wildflussstrecken zählen alpenweit zu den gefährdesten Lebensräumen überhaupt. „Hier ist dem Gewässerschutz eindeutig der Vorrang vor einer klimaverträglichen Wasserkraftnutzung zu gewähren. Ein neues Windrad kann dieselbe Menge an Strom erzeugen“, fordert Björn Reichelt, der Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Kempten-Oberallgäu.

Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. fordert alle zuständigen Behörden, insbesondere die für das Naturschutzgebiet „Allgäuer Hochalpen“ zuständige Regierung von Schwaben auf, die Planungen sofort zu stoppen und die Einhaltung der bestehenden Schutzvorschriften durchzusetzen. „Eine Genehmigung des hier zur Diskussion stehenden Projektes widerspricht allen Schutzvorschriften und würde einen regelrechten Dammbruch für weitere Projekte dieser Art in Schutzgebieten bedeuten“ so Thomas Frey, BN-Regionalreferent für Schwaben.

Das gesamte Projekt liegt innerhalb eines Schutzgebietes, das durch nationale und internationale Bestimmungen einen mehrfachen strengen Schutzstatus aufweist:
Naturschutzgebiet „Allgäuer Hochalpen“:
Zu den Zielen dieses Naturschutzgebietes zählt es laut der zugehörigen Verordnung u.a., „die dort vorkommende große Zahl an seltenen, gefährdeten und schutzbedürftigen Pflanzen- und Tierarten zu schützen, ihre Lebensgrundlagen und ihre notwendigen Lebensräume (Biotope) im bestehenden Umfang zu sichern und Störungen von ihnen fernzuhalten“ (§3, Art. 2) sowie „die naturbedingten Veränderungen der Oberflächengestalt dieser Gebirgslandschaft unbeeinflusst zu lassen, insbesondere die natürlichen Gewässer unverändert zu erhalten ...“ (§3 Art. 4).

Natura 2000 Gebiet ((FFH-Gebiet) und Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union:
Die Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie) und die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union sehen ein „Verschlechterungsverbot“ der geschützten Gebiete vor.

Auch das Arten- und Biotopschutzprogramm (ABSP) für den Landkreis Oberallgäu, das im Auftrag des Bayerischen Umweltministeriums erarbeitet wurde, nennt als übergeordnete Ziele und Maßnahmen ausdrücklich den Verzicht auf weitere Gewässerverbauten in ökologisch hochwertigen Fliessgewässerbereichen und ihrer Einzugsgebiete.

Durch den Eingriff würde dem Bach ein Großteil seines Wassers entzogen. Das Gewässerökosystem würde damit stark in Mitleidenschaft gezogen. Die äußerst seltene Mühlkoppe (siehe Bild) und die dort vorkommenden Bachforellen sind durch das Kraftwerk gefährdet.

Kleinwasserkraftwerke, wie das geplante Kraftwerk an der Stillachklamm, leisten nur einen geringen Anteil zur Stromerzeugung, zerstören aber massiv Gewässerlebensräume. 92% des Wasserkraftstroms Bayerns wird durch die 219 großen Wasserkraftwerke Bayerns erzeugt, während über 4000 Kleinanlagen nur 8% beisteuern. Gleichzeitig sind 94% der Fließgewässerfische in Bayern bereits auf der Roten Liste. Der Bund Naturschutz, der sich als größter bayerischer Umweltverband mit 170.000 Mitgliedern einem umfassenden Natur- und Umweltschutz verschrieben hat, muss in seiner Abwägung in diesem Fall dem Gewässerschutz eindeutig den Vorrang vor dem Klimaschutz gewähren.

Trotz der höchsten Wertigkeit dieses naturnahen bzw. größtenteils sogar noch völlig natürlichen Gewässerabschnittes und der zahleichen Schutzvorschriften wird nun ein Wasserkraftwerk geplant, das einem Fluss im Schutzgebiet den Grossteil seines Wassers entziehen und über eine 1560 m lange parallel zum Gewässer verlaufende Rohrleitung, mit einem Durchmesser von 1,3 Meter, einer Turbine zuleiten soll. Im Fluss soll den Planungen zufolge nur so genannte „Restwassermenge“ verbleiben.

Wie nicht anders zu erwarten war, kommen vom Betreiber selbst in Auftrag gegebene Gutachten zu Ergebnis, dass eine Realisierung des Projektes bei der Umsetzung von so genannten „Ausgleichsmaßnahmen“ möglich wäre. Die als sog. „Ausgleichsmaßnahmen“ im Raum stehenden Rückbauten von Sohlschwellen in stark kanalisierten Flussabschnitten außerhalb des Schutzgebietes sollen nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie  in den nächsten Jahren jedoch ohnehin umgesetzt werden.
Außerdem ist es völlig unsinnig und widerspricht Buchstaben und Intention der einschlägigen Gesetze und Richtlinien, an stark gestörten Flussabschnitte Rückbauten vorzunehmen, um dafür die Genehmigung zu erhalten, noch vorhandene natürliche und naturnahe Gewässerabschnitte zu verschlechtern und ökologisch zu entwerten.

Hier wird erneut ein schwerwiegender Mangel in der bayerischen Umweltpolitik deutlich:
Betreiber dürfen die Gutachter für die naturschutzfachliche Beurteilung auch von problematischen Projekten selbst aussuchen und bezahlen diese auch direkt.
Dies hat dazu geführt, dass sich mittlerweile eine regelrechte „Genehmigungsindustrie“ entwickelt hat, die praktisch alles für machbar erklärt und oft nur Alibi-Ausgleichsmaßnahmen vorschlägt, um dem Ausgleichsbedarf formal Rechnung zu tragen. Diese formal-mathematische Ausgleichsberechnung führt wie im aktuellen Fall oft zu absurden Ergebnissen und einer kontraproduktiven „Verschlimmbesserung“.

Für Rückfragen:
Thomas Frey                             
BN-Regionalreferent für Schwaben
Tel: 089-548298-64    
thomas.frey@bund-naturschutz.de

gez. Björn Reichelt
Vorsitzender BN-Kreisgruppe Kempten-Oberallgäu

gez.  Franz Josef Schick    
Präsident des Fischereiverbandes Schwaben

gez. Dr. Michael Klotz
Vorsitzender Fischereiverein Oberstdorf