Märchen von Klimaschutz und Versorgungssicherheit durch Atomkraft am Ende
Die Behauptung, Atomkraft trage zur Versorgungssicherheit und zum Klimaschutz bei, wird durch gebetsmühlenartige Wiederholung von Ministerpräsident Dr. Stoiber, Bundeswirtschaftsminister Glos, sowie von CSU- und CDU-Abgeordneten und neuerdings auch der EU-Kommission nicht glaubwürdiger. Im Gegenteil, sie wird von den Tatsachen widerlegt.
Atomstrom trägt in Deutschland nur 5,5% zur Endenergieversorgung bei, weltweit lediglich 2,7% (Weltenergiebericht RWE). Der Anteil der Erneuerbaren Energien liegt in Deutschland (fast 8%) wie weltweit (10%) deutlich höher. Mit heutiger Technik sind 2 Drittel der Endenergie einsparbar.
Die Strom- und CO2-Statistiken der EU und anderer Länder (USA, Russland) beweisen, dass in den zurückliegenden Jahrzehnten die Atomkraft so gut wie nicht zur Reduzierung der CO2-Emissionen beigetragen hat. Trotz Atomstrom ist der Stromerzeugungssektor der größte CO2-Emittent und verschmutzt die Luft mehr als Haushalte und Verkehr zusammengenommen.
Länder mit Atomstrom unterscheiden sich beim CO2-Ausstoß nicht von solchen ohne Atomstrom.
Uran geht weltweit zur Neige
Unter allen alten Energiequellen ist die Atomkraft die mit Abstand kleinste. Die Uranreserven werden noch schneller erschöpft sein als die Ölreserven. Dies räumte sogar der bayerische Wirtschaftsminister Wiesheu ein, der sich auf die amtlichen Statistiken der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) berief. Er bezifferte die Reichweite des Urans auf das Jahr 2030. Da Atomstrom einen so kleinen Beitrag liefert und das nur noch für kurze Zeit, ist seine Hilfe zum Klimaschutz und zur Energiesicherheit reine Illusion.
Von interessierter Seite wird oft so getan, als werde der Atomausstieg aus ideologischen Gründen betrieben. Dieser Vorwurf fällt leicht auf seine Urheber zurück, wenn man die Werbekampagne unter dem Motto „Atomrenaissance“ oder die abenteuerlichen Zuwachsraten der Atomkraft in Gefälligkeitsgutachten betrachtet. Energieprognosen mit einer Vervielfachung der Atomkraft im Jahre 2050, wenn es längst kein Uran mehr gibt, dienen lediglich dem Ziel, die notleidende Atomindustrie am Leben zu erhalten. Die Zeiten derartiger Wunschprognosen, von Politikern kritiklos übernommen, sollten eigentlich längst vorbei sein.
Atomkraft hoch subventioniert
Unbestritten ist, dass der Weiterbetrieb eines alten, bereits abbezahlten Atomkraftwerks dem Betreiber bis zu 300 Millionen Euro jährlichen Gewinn einträgt. Dies steht aber in keinem Verhältnis zu dem Schaden, den ein Reaktorunfall anrichtet. Er kann sich nach Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums auf 5.000.000 Mio. Euro belaufen, ein Vielfaches des Bundeshaushalts.
Der Steuerzahler müsste für die Schadensregulierung aufkommen, denn Atomkraftwerke sind gesetzlich von einer Haftpflichtdeckung befreit. Dem Kraftwerksbetreiber eine angemessene Haftpflichtversicherung vorzuschreiben (wie dies für andere Kraftwerke, aber auch für den privaten PKW üblich ist) käme dem schnellstmöglichen Atomausstieg gleich. Der frühere Bonner FDP-Wirtschaftsminister bezifferte die Haftpflichtprämie auf 180 Cent je Kilowattstunde und bezeichnete dies als „versteckte Subventionierung“.
Neuen Atomkraftwerken ginge nicht nur bald der Brennstoff aus, der Strom wäre auch teuerer als z. B. der aus Windparks (wie sogar das Branchenblatt „atomwirtschaft“ einräumt). Energieeffizienztechnik, bezogen auf die Kilowatt-stunde, ist vielfach noch preiswerter.
Atomkraft unter ferner liefen
Weltweit geht der Anteil des Atomstroms seit Jahren zurück, während die Erneuerbaren Energien beeindruckende Wachstumsraten vorweisen. Seit 25 Jahren wurde in Europa nur 1 Atomkraftwerk bestellt, gleichzeitig schrumpfte die Zahl der in Europa in Bau oder Betrieb befindlichen Atomkraftwerke von 280 auf 209, wenn man dem Branchenblatt „atomwirtschaft“ Glauben schenkt. Wortkünstler nennen das eine „Nukleare Renaissance“.
Das einzige neue europäische Atomkraftwerk wird jetzt mit Milliarden-Subventionen in Finnland errichtet, ein kaum wiederholbarer finanztechnischer Kraftakt, an dem auch die Bayer. Landesbank mit einem Milliardenkredit beteiligt ist.
Der von der Bundesregierung angestrebte langsame Atomausstieg Deutsch-lands liegt im internationalen Trend. Der Schutz vor Reaktorkatastrophen und die Wende zu einer nachhaltigen Energiepolitik erfordern aber einen schnelleren Ausstieg.
Selbst die deutschen Stromversorger streiten nicht mehr ab, dass der Strom aus stillzulegenden Atomkraftwerken in den nächsten Jahren leicht durch zusätzliche Kraftwerke mit Erneuerbaren Energien zu ersetzen sein wird.
Amtlich falsche Einschätzungen
Atomkraft war weder in Deutschland noch in anderen Industrieländern eine Hilfe im Kampf gegen den Klimawandel. Das geht aus dem Vergleich der aktuellen Daten mit den Unterlagen der Bundestagsenquete-Kommission 1980 genauso hervor wie aus der Studie „Nachhaltiges Deutschland“ des Umweltbundesamtes 1997 (Umweltministerin Angela Merkel). Dort heißt es: „Ein Ausbau der Kernenergie … dürfte die angebotsorientierten Strukturenunserer Energiewirtschaft stabilisieren, die ein Haupthemmnis für die zur Erreichung des Klimaschutzziels unabdingbare Effizienzverbesserung darstellen.“
Eine Verlängerung der Laufzeiten alter Atomkraftwerke hätte genau denselben fatalen Effekt: Energie-Effizienz und Erneuerbare werden aufgeschoben, bis das Uran zu Ende ist. Viel zu viel Zeit ist bereits verloren.
Regelmäßige Bekundungen, was schon alles in der Vergangenheit zum Klimaschutz getan wurde, helfen uns nicht weiter. Bayern emittiert pro Kopf ein Vielfaches an CO2 im Vergleich zum Weltdurchschnitt und zu dem Wert, den die Atmosphäre gerade noch vertragen könnte. Für die Kehrtwende ist es also allerhöchste Zeit.
BN-Sofortprogramm Energieeffizienz
Energieeffizienz kommt zu messbaren Erfolgen, wenn auf klimaschädigende Maßnahmen wie den geplanten Bau weiterer fossiler Kraftwerke (ohne Abwärmenutzung wie in Irsching, Dettelbach und Großkrotzenburg geplant), den Bau des Transrapid, der dritten Startbahn am Flughafen München, der Regionalflughäfen, den weiteren Ausbau der Autobahnen etc. verzichtet wird.
Der Bund Naturschutz fordert von der Bundesregierung, der Bayerischen Staatsregierung und den Fraktionen ein Sofortprogramm Energieeffizienz:
- die Kraftwärmekopplung in der Stromversorgung massiv auszubauen.
(Bundeswirtschaftsminister Glos hat errechnen lassen, dass mehr als die Hälfte des Stroms wirtschaftlich mit der klimaschonenden Kraftwärmekopplung erzeugt werden kann. EuroHeat&Power)
- Förderung der Gebäudesanierung: Bayerische Ergänzung zum KfW-Förderprogramm; forcierte energetische Sanierung der Liegenschaften des Freistaates Bayern (erforderlich sind mind. 100 Mio. Euro im aktuellen Doppelhaushalt)
- Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs
- Verbrauchsbegrenzung bei PKWs, LKWs und Elektrogeräten (insbesondere Stand-by)
- forcierter Ausbau dezentraler Solar- und Windkraft sowie der Holz- und Biogasnutzung
Dieses Sofortprogramm reduziert nicht nur die Treibhausgasemissionen, sondern schafft auch Arbeitsplätze im Inland, und verringert die energiepolitische Abhängigkeit von politischen Krisenregionen.
Wie die BN-Energievision zeigt, kann auf diese Weise der CO2-Ausstoß in wenigen Jahrzehnten um 85% gesenkt werden.
Die Kaufkraft bliebe im Land, da im Gegensatz zu den Öl-, Gas- und Uran-Importen fast nur einheimische Energien zum Einsatz kämen. Profitieren würden in erster Linie Baugewerbe und Maschinenbau, aber auch Landwirt-schaft, Elektrotechnik etc.
Forderungen:
Der Bund Naturschutz fordert die Bayerische Staatsregierung auf, auf klimaschädliche Projekte wie Transrapid, dritte Startbahn am Flughafen München, Regionalflughäfen, weiteren Ausbau der Autobahnen etc. zu verzichten.
Der Bund Naturschutz fordert den sofortigen Ausstieg aus der Atomkraft und stattdessen die Konzentration auf Energieeffizienz und Erneuerbare Energien.
Der Bund Naturschutz fordert Bundeswirtschaftsminister Glos auf, die Ankündigungen von Bundeskanzlerin Merkel zur Effizienzrevolution endlich in die Tat umzusetzen. Dazu müssen die Kraftwerks-Ausbaupläne der Stromkonzerne gestrichen und durch den Ausbau der Kraftwärmekopplung ersetzt werden.
Amtliche Energie“prognosen“, die mit abenteuerlichen Wachs-tumsraten weiterhin auf fossile und atomare Energien setzen, müssen aus dem Verkehr gezogen werden. Denn die Abhängigkeit von Energieimporten aus Problemregionen würde erhöht.
Stattdessen muss der Klimaschutz vor Ort in den Vordergrund treten, auch um Bayern, Deutschland und Europa bei den Zukunftsthemen Energieeffizienz und Erneuerbare Energien einen Startvorsprung zu verschaffen. Das hilft dem Klima und schafft einheimische Arbeitsplätze.
gez. Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender
gez. Richard Mergner, Landesbeauftragter
gez. Dr. Ludwig Trautmann-Popp, BN-Energiereferent
PS. Der Bund Naturschutz zitiert aus
atomwirtschaft 12/00 und Jahresstatistiken, IAEO, Anteil der Atomkraft in den Ländern
UBA 1997: Nachhaltiges Deutschland
Statistiken von Eurostat (http://epp.eurostat.ec.europa.eu)
Bescheidwissen - Mitreden, Bayer. Wirtschaftsministerium 1998
EEG-Prognose, Verband der Netzbetreiber
PROGNOS-Studie „Ruinöse Erbschaft“, Wirtschaftswoche, Nov. 1991
„Hocheffiziente Kraftwärmekopplung“, EuroHeat&Power, Heft 6/2006
Für Rückfragen:
Landesbeauftragter Richard Mergner, Tel. 0171-6394370
Energiereferent Dr. Ludwig Trautmann-Popp, Tel. 0951/51 90 609