Naturjuwele Iller-Quellbäche bewahren!
Der BUND Naturschutz in Bayern kritisiert die Wasserkraft-Pläne an den Iller-Quellbächen scharf; der Naturschutz hat hier, auch aus rechtlicher Sicht, absolut Vorrang. Der BN behält sich daher vor, mit allen rechtsstaatlichen Mitteln, Baumaßnahmen an den Iller-Quellbächen zu verhindern.
„Die Iller-Quellbäche sind einzigartige Naturjuwele von deutschlandweiter Bedeutung. Sie müssen genauso geschützt werden wie bedeutende Kulturdenkmäler wie das Schloss Neuschwanstein oder die Wieskirche“, so Richard Mergner, Landesvorsitzender des BUND Naturschutz.
Der BN-Gewässerökologe Stefan Ossyssek erklärt: „In den Iller-Quellbächen ist noch ein Arteninventar zu finden, das einem nahezu unbeeinflussten Bergbach entspricht. Hier kommen extrem seltene Insektenlarven vor, die gerade in Zeiten des Klimawandels naturnahe Bergbäche als Refugien brauchen. Wasserkraftwerke mit kilometerlangen Ausleitungen würden dieses natürliche System massiv schädigen – ein Verlust an Lebensraum und natürlicher Dynamik wäre die Folge“.
Alfred Karle-Fendt, Artenschutzexperte der BN-Kreisgruppe Kempten-Oberallgäu: „Durch die Dynamik der Bäche entsteht auch ein Mosaik aus unterschiedlichsten Landlebensräumen. Seltene Tierarten, wie die Rotflügelige Schnarrschrecke oder der Idas-Bläuling, finden hier noch geeignete Habitate“.
Michael Finger, Vorsitzender der BN-Ortsgruppe Oberstdorf: „Die meisten Urlauber kommen nach Oberstdorf, weil sie hier noch intakte Landschaften erleben können. Die naturnahen Wildbäche sind Kernelemente im Ökosystem des Naturschutzgebiets Allgäuer Hochalpen und bieten einen besonderen Reiz für die Besucher. Neue Wasserkraftwerke an Rappenalpbach/Stillach und Trettach wären gravierende Eingriffe im Naturschutzgebiet.“
Mit Blick auf den Klimaschutz-Masterplan des Landkreises Oberallgäu erläutert Christina Mader, Geschäftsstellenleiterin der BN-Kreisgruppe Kempten-Oberallgäu: „Die großen Potenziale für erneuerbare Stromerzeugung im Oberallgäu liegen in der Solar- und Windenergie. Hier muss nun ausgebaut werden. Bei der Wasserkraft ist das Potenzial vollständig ausgeschöpft. Ein geringes Potenzial liegt nur noch in der Effizienzsteigerung bestehender Kraftwerke.“
Naturschutz muss Vorrang haben
Durch eine Vielzahl von Gesetzesänderungen (z. B. Erneuerbare-Energien-Gesetz und EU-Notverordnung) wird dem Ausbau Erneuerbarer Energien in Deutschland ein überragendes öffentliches Interesse zugeschrieben. Erleichterungen sollen insbesondere in Vorranggebieten für erneuerbare Energien (sog. Go-To-Areas) geschaffen werden. Die Wasserkraftwerksplanungen in Oberstdorf befinden sich allerdings in Vorranggebieten für den Naturschutz (Naturschutzgebiet, europäisches Fauna-Flora-Habitat-Gebiet, Vogelschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet, geschützte Biotope nach Bundesnaturschutzgesetz). Der Naturschutz hat in Deutschland Verfassungsrang und ist daher in überragendem öffentlichen Interesse. Der BN geht davon aus, dass in strengen Schutzgebieten auch weiterhin der Naturschutz Vorrang vor der Erzeugung erneuerbarer Energien hat.
Der Managementplan des Fauna-Flora-Habitat-Gebietes formuliert als Schutzziel sehr klar: „Zulassen dynamischer Prozesse in der Hochgebirgslandschaft. […] Soweit nicht wichtige Infrastruktureinrichtungen oder Menschen gefährdet sind, soll diese Dynamik ungestört erhalten bleiben. […] Jegliche wasserbauliche Maßnahmen, die die Aktivität der Wildflussabschnitte beeinträchtigen (wie beispielsweise Geschiebesperren, Wehre, Ausbaggerungen, Kiesentnahme oder Ufersicherungen), sollen daher unterlassen werden.“
Zentrale Gründe für den Erhalt der Iller-Quellbäche sind:
- Bergbäche und ihre Bewohner sind ein wichtiger Teil des alpinen Ökosystems. Sie sind z. B. Kinderstätte für Insekten, die wichtige Bestäuber sind und gleichzeitig Nahrung für Vögel, wie die Wasseramsel, Fledermäuse, Amphibien, wie den Alpensalamander, Spinnen und Laufkäfer.
- Naturnahe Landschaften und insbesondere naturnahe Flüsse und Wildbäche sind zentrale Erholungsziele der Deutschen. Da es kaum noch naturnahe Flusslandschaften gibt, sind die wenigen verbliebenen Wildbäche immer begehrte Reiseziele.
- Bergbäche beherbergen eine hohe Diversität an Gewässerlebewesen (u. a. Insekten, Algen, Bakterien) und sind Refugien für Arten die an kühles Wasser mit hoher Dynamik angepasst sind – dies ist insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel von Bedeutung.
- Die Dynamik der Bäche schafft einzigartige Lebensräume an den Ufern mit hochspezialisierten Pflanzen- und Tierarten, wie der Rotflügeligen Schnarrschrecke.
- Der Bewuchs aus Bakterien, Pilzen und Algen („Biofilm“) auf Steinen und Kies trägt zur Selbstreinigung der Bäche bei. Die Iller-Quellbäche speisen viele Trinkwasserspeicher in der Region Kempten/Oberallgäu.
- Die Arten der Bergbäche sind teils noch kaum erforscht und enthüllen immer wieder Geheimnisse, die für uns Menschen nützlich sind (z. B. UV‑absorbierende Substanzen in alpinen Cyanobakterien die als umweltfreundlicher Zusatz zu Sonnencremes verwendet werden könnten).