Naturschutzgebiet "Hoelle" darf nicht zum Teufel gehen
Naturschutzgebiet „Hölle“ darf nicht zum Teufel gehen Bund Naturschutz klagt gegen neuen wasserrechtlichen Bescheid Seit über 100 Jahren gilt das obere Höllbachtal (Lkr. Regensburg) als eine der wertvollsten Naturschöpfungen der Oberpfalz - es wurde deshalb auch als FFH-Gebiet an die EU gemeldet. Eine übermäßige Wasserkraftnutzung über Jahrzehnte hat dort zu massiven Beeinträchtigungen der ökologischen Substanz geführt. Vom BN wurde deshalb schon 1991 ebenso wie bei der jetzt anstehende Erneuerung der wasserrechtlichen Genehmigung eine deutlich stärkere Berücksichtigung der Belange des Natur- und Gewässerschutzes und die Festlegung einer ökologisch verträglichen Restwassermenge gefordert. Da diesen Forderungen vom Landratsamt Regensburg im wasserrechtlichen Bescheid nicht ausreichend entsprochen worden ist, hat der BN am 4. April 2008 Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erhoben und mit Schriftsatz vom 12. Juni ausführlich begründet. Ökologische Bedeutung des Höllbaches Das im Bereich der Gemeinden Brennberg und Wiesent (Lkr. Regensburg) gelegene Höllbachtal hat der erste bayerische Landesbeauftragte für Naturschutz, Prof. Dr. Otto Kraus bereits 1968 als eine der wertvollsten Naturschöpfungen der Oberpfalz und darüber hinaus bezeichnet. Dieses schon 1950 ausgewiesene Naturschutzgebiet enthält in seinem Kern ein Blocksteinmeer, das vom Höllbach durchströmt und in prachtvollen Kaskaden durchbraust war. Im Bereich des Blocksteinmeeres stockt ein deutschlandweit einzigartiger Auwald aus Sommerlinden, im Höllbach selbst konnten sogar Perlmuscheln nachgewiesen werden. Zentrales Gestaltungselement dieses höchst wertvollen und deshalb auch als FFH-Gebiet ausgewiesenen Lebensraumkomplexes ist das Wasser des Höllbaches. Nur wenn trotz einer in einem FFH-Gebiet ohnehin höchst fragwürdigen Wasserkraftnutzung eine ausreichende Restwassermenge gewährleistet ist, haben die auch nach europäischem Recht besonders geschützten Lebensraumtypen (z.B. Linden-Erlen-Auwald) und di seltene Tiere im und am Höllbach (z.B. Bachneunauge,Steinkrebs, Eisvogel, Wasseramsel) eine Überlebenschance. Wasserkraftnutzung und ihre Folgen Am Höllbach wurde bereits 1917 mit dem Bau von Stauanlagen und Kraftwerken begonnen, während die erste wasserrechtliche Genehmigung erst Jahrzehnte später 1953 beantragt und 1958 erteilt worden ist. In den amtlichen Bescheiden zum Betrieb der Stauanlagen ist die aus dem Höllbach zuzuführende Restwassermenge immer weiter erniedrigt worden: Von den 1958 ursprünglich zur Sicherung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Höllbachs festgelegten 1000 l/s blieben bereits im selben Jahr nur noch 700 l/sek und schon1960 nur mehr 200 l/s übrig. Auf Antrag des Unternehmers wurde bereits 1969 die Restwassermenge weiter auf 110 l/s (Sommer) bzw. 50 l/s (Winter) zurückgenommen. Die Genehmigungsbehörden, hier das damals zuständige Innenministerium und das Landratsamt Regensburg, haben somit schon vor Jahrzehnten das von Professor Seifert nach Versuchen mit verschiedene Restwassermengen erstellte Fachgutachten völlig ignoriert. Dort waren der Aufstau des Höllbachs an sich als gravierende Fehler eingestuft und schon bei einer Restwassermenge von 200l/s ihre negativen Folgen – Eutrophierung des Wasser, Faulschlammbildung im Bachbett, Verringerung der Artenzahl und Ausbreitung einer Ruderalflora – drastisch geschildert worden. Die fatalen Auswirkungen der überzogenen Wasserkraftnutzung sind erneut 1992 von Martin Scheuerer und der ökologisch-faunistischen Arbeitsgemeinschaft Schwaben (ÖFA) umfassend dokumentiert worden.Ihr Resümée: „Von den ursprünglichen Schutzgründen ist bis auf das geologisch- landschaftsprägende Element nicht mehr viel übrig geblieben: · der Bach ist durch zu geringe Wasserstände infolge der Energiegewinnung und durch Verschmutzung infolge Nährstoffeinschwemmung, Stauhaltung und Abwassereinleitung erheblich beeinträchtigt, · der artenreiche Mischwald ist durch Gehölzumbau in Nadelholzforste gestört und gefährdet und · das Vorkommen der Flussperlmuschel ist erloschen. Es muss befürchtet werden, dass auch Arten wie Steinkrebs, Eisvogel, Wasserspitzmaus, Wasseramsel und Bachforelle erheblich zurückgegangen sind. Aufgrund fehlender Dynamik ist der Auwald dichter geworden; dies hat zur Beeinträchtigung von verschiedenen Wassermollusken geführt.“ Trotz der aufgeführten Beeinträchtigungen hat das NSG „Hölle“ noch immer einen Wert als repräsentativer Ausschnitt des Naturraumes „Falkensteiner Vorwald“, es hat Bedeutung für den Artenschutz und bietet ein eindruckvolles Landschaftsbild. Dieser verbliebene „Restwert“ droht jedoch vollends verloren zu gehen, wenn die seit Jahrzehnten überzogene Wasserkraftnutzung amtlich sanktioniert wird und auch in Zukunft fortgesetzt werden darf. Dann gibt es kaum noch eine Chance für Revitalisierung dieses einmaligen Gewässerlebensraumes. Behördliche Genehmigungsverfahren Obwohl die Genehmigungen zum Betrieb der Kraftwerke 2 und 3 bereits 1991 bzw. 1989 abgelaufen waren und bei Kraftwerk 1 wesentliche Änderungen eine neue Gestaltung erforderlich gemacht haben, hat das Landratsamt Regensburg erst im Herbst 2000 ein neues Bewilligungsverfahren eingeleitet und im Oktober 2004 dazu überarbeitete Unterlagen vorgelegt. Für den BN war es schon damals völlig unverständlich, dass dabei die sich (noch!) bietenden Chance, die massiven ökologischen Schäden wenigstens teilweise rückgängig zu machen, ungenutzt bleiben sollten und die neue Planung keine Verbesserung erwarten ließ. Der BN hat deshalb 2005 im Rahmen des Anhörungsverfahrens u.a. folgende Forderungen erhoben: · Erarbeitung eines ökologischen Gutachtens zur Ermittlung des „ökologischen Schwellenwertes“ (analog zu dem im Verfahren vorgestellten „ökonomischen Schwellenwert“). · Erhöhung der Restwassermenge durch das Naturschutzgebiet „Hölle“. Erstrebenswert für einen mittleren Zustand sind 400 l/sec, mindestens sind aber 200 l/sec als Minimum erforderlich · Durchgängigkeit des Höllbachs von der Mündung bis oberhalb des Stauweihers Fahnmühle. · Verbesserung der Wasserqualität (Wassergüte) - durch erhöhte Restwassermengen (s. o.), ebenso wie durch Maßnahmen in den Staubecken bzw. Stauweihern, um die Eutrophierung des Gewässers durch Sauerstoffzufuhr und durch Schilfzonen zurückzudrängen. · Die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen sind vor allem im Eingriffsraum vorzunehmen und nicht überwiegend außerhalb. · Auf den vorgesehenen Genehmigungszeitraum von 30 Jahren ist die Laufzeit der Kraftwerke seit Ablauf der bisherigen Genehmigungen (1989 bzw. 1991) anzurechnen. · Die Auflagen des künftigen Genehmigungsbescheids sind durch die Fach- und die Aufsichtsbehörde konsequenter als bisher zu überwachen. Klagebegründung (RA Dr. Söhnlein) Das Landratsamt Regensburg hat mit Bescheid vom 25. Februar 2008 der Kraftwerksfirma Heider aus Wiesent den Weiterbetrieb ihrer 3 Wasserkraftwerke im Höllbachtal genehmigt. Bewilligt wurde eine unveränderte Wasserentnahme von bis zu 2,05 m3/s aus dem Staubecken Postfelden von bis zu 1,50 m3/s aus dem Stauweiher des Kraftwerks II und unter bestimmten Voraussetzungen eine zusätzliche Entnahme von bis zu 0,54 m3/s aus dem Stauweiher des Kraftwerks I (zusätzlich zum bereits bestehenden Recht der Entnahme von 0,96 m3/s). Weiterhin bewilligt wurde das unveränderte Aufstauen des Ausgleichsbeckens hinter Kraftwerk III sowie des Stauweihers vor Kraftwerk II. Es wurden folgende Mindestabflüsse (Restwasser, das trotz Kraftwerksbetrieb mindestens im Höllbach verbleiben muss) festgesetzt: – beim Speicher Rettenbach 150 l/s (wie bisher) – beim Speicher Postfelden 110 l/s vom 01.03. – zum 30.09. und 80 l/s vom 01.10. bis zum 28./29.02., was gegenüber der bisherigen Situation zwar eine erste Verbesserung darstellt, jedoch nicht ausreicht. – Beim Ausgleichsbecken hinter Kraftwerk III wie bisher mindestens 400 l/s, bei Niedrigwasserführung vorübergehende Reduzierung bis auf 200 l/s möglich. – Beim Stauweiher des Kraftwerks I nunmehr 85 l/s (bisher musste hier kein Restwasser verbleiben). Da hierbei die zentralen Forderungen des BN keine ausreichende Berücksichtigung gefunden haben und damit auch die letzte Chance ungenutzt geblieben ist, Voraussetzungen zu schaffen, um die bereits eingetretenen massiven ökologischen Schäden wenigstens teilweise rückgängig zu machen und eine endgültige Entwertung des Höllbachtales als Naturschutz- und FFH-Gebiet zu verhindern, hat der BN über Rechtsanwalt Bernd Söhnlein am 4. April 2008 Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erhoben.
Geltend gemacht wurden dabei v. a. folgende Punkte:
Wenn sich das Landratsamt schon nicht dazu durchringen wollte, die Anträge auf den Weiterbetrieb der Kraftwerke II und III gänzlich abzulehnen, hätten bei der Neuerteilung doch die zwischenzeitlich in Kraft getretenen gesetzlichen Änderungen berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören nicht zuletzt die europäische Wasserrahmenrichtlinie und die dazu ergangenen Vorschriften im Wasserhaushaltsgesetz und im Bayerischen Wassergesetz. Die europäische Wasserrahmenrichtlinie zielt darauf ab, alle einigermaßen naturnahen Gewässer bis zum Jahr 2015 in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen. Anlässlich der Neuerteilung der Genehmigungen für die Wasserkraftwerke im Höllbachtal hätte das Landratsamt Regensburg die Gelegenheit nutzen müssen, diesem Ziel einen erheblichen Schritt näher zu kommen. Anstatt dessen hat das Landratsamt der Fa. Heider den Weiterbetrieb der Kraftwerke weitgehend im bisherigen Umfang genehmigt. Dies ist umso weniger nachvollziehbar und zu rechtfertigen, als sich die Fa. Heider in der Vergangenheit nicht immer an die behördlichen Auflagen gehalten hat. Die gesamte Genehmigung ist unter rechtlichen Aspekten höchst fragwürdig. Deshalb sieht der BN gute Erfolgsaussichten für seine Klage. Angesichts der Tatsache, dass durch die schon vor Jahren erfolgte technische Erneuerung der Kraftwerke eine deutliche höhere Effizienz erreicht werden konnte, hält der BN eine Erhöhung der Restwassermenge für mehr als gerechtfertigt. Die bisher eingetretenen Schäden dürfen keinesfalls als Rechtfertigung für die Festschreibung des Status quo missbraucht werden. Ganz im Gegenteil muss vor einer erneuten Genehmigung der Höllbachkraftwerke sichergestellt werden, dass diese im vollen Umfang den Anforderungen der FFH-Richtlinie (Verschlechterungsverbot), dem Eingriffsminimierungsgebot des Bayer. Naturschutzgesetzes und der Wasserrahmenrichtlinien Rechnung tragen. Es ist höchste Zeit, dass im Höllbachtal unter dem Deckmantel regenerativer Energiegewinnung ohne Einschränkungen und Auflagen behördlich geduldete und sanktionierte historische Naturzerstörung gestoppt und eine umfassende Regeneration dieses einmaligen Biotopkomplexes im Interesse der Natur und vieler Erholungssuchender ermöglicht wird. gez. Prof. Dr. Hubert Weiger gez. Dr. Peter Streck Landesvorsitzender 1. Vorsitzender KR Regensburg Für Rückfragen: Helmut Schultheiß, Landesfachgeschäftsstelle Nürnberg, Tel. 0911/81878-13 Dr. Peter Streck, Kreisgruppe Regensburg, Tel. 0941/560253 oder 23090 Rechtsanwalt Bernd Söhnlein, Tel. 09181/510039 |
urg, 25.07.08
PM 073/08
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