Neues BN Gutachten zur Südumfahrung Niederndorf-Neuses widerlegt CO2-Einsparung und Nutzen/Kosten-Faktor
Bei den nun vorliegenden Planfeststellungsunterlagen zur Südumfahrung Niederndorf-Neuses wurde der Nutzungseffekt falsch kalkuliert und der zusätzliche CO2-Ausstoß blieb unberücksichtigt. Dies sind die Ergebnisse eines Gutachtens des BUND Naturschutz (BN) zu den Planfeststellungsunterlagen. „Der BUND Naturschutz (BN) fordert daher die Einstellung dieser überholten Planungen. Die Umfahrung würde wertvolle Lebensräume zerstören, unnötig Flächen versiegeln und der Klimakrise massiv in die Hände spielen, ohne nennenswerte Vorteile zu bringen. Wir bitten alle Bürger, für die Durchführung eines Bürgerentscheids zu unterschreiben und noch bis 12. April Einwendungen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zu erheben“, so Richard Mergner, Landesvorsitzender des BUND Naturschutz (BN).
Helmut König, der BN-Kreisvorsitzende ergänzt: „Uns ist voll bewusst, dass die Anwohner an der bestehenden Strecke Lärm und Verkehrsbelästigungen ausgesetzt sind und dagegen etwas unternommen werden muss. Der BUND Naturschutz plädiert aber für vorerst kleine, verkehrsregulierende Lösungen auf der bestehenden Straße, welche die Umwelt nicht so stark belasten.“
Nähere Informationen zum Bürgerbegehren unter:
https://stopp-suedumfahrung.de/
Die wesentlichen Ergebnisse des Gutachtens sind:
Die große Südumfahrung endet im Stadtzentrum und
- ist zwei km länger in Ost-West-Richtung und benötigt eine Minute mehr Fahrzeit
- zerstört Natur, Umwelt, Ackerflächen, Wasserhaushalt und Naherholung
- es werden 24.000 km/Tag mehr gefahren, und dadurch entstehen lt. BVWP volkswirtschaftliche Kosten von 1,7 Millionen Euro pro Jahr
- erzeugt einen zusätzlichen CO2-Asstoß von 2.000 Tonnen pro Jahr
- benötigt dafür zur Kompensation einen zusätzlichen Wald der Größe von 180 Hektar
- hat volkswirtschaftliche Gesamtkosten weit über 4 Millionen Euro pro Jahr
- hat einen Nutzen / Kostenfaktor von nahezu Null (0), Faktor 1 wäre nötig
- wird öffentlich finanziert auf Kosten der Bevölkerung und
- fördert als weiteres Einfallstor den Verkehr in das Zentrum
- wird evtl. durch Firmen-Umstrukturierungen nicht mehr gebraucht
- wird bis zur Fertigstellung durch geänderte Technologien eventuell überflüssig.
Die ausführliche Darstellung der Ergebnisse im Gutachten können im Anhang (S. 6, 7) nachvollzogen werden.
Die Stadt Herzogenaurach rühmt sich, klimabewusst zu handeln. Dabei soll der Waldverlust durch die Straße „ökologisch“ ausgeglichen werden. Das müsste bei einem Bau die Stadt aufgrund gesetzlicher Vorgaben jedoch ohnehin tun. Der BN aber stellt fest, dass der CO2 Ausstoß nicht berücksichtigt wurde. Es würde Wald gerodet, anderswo neu aufgeforstet. Es dauert aber mindesten 50 Jahre, bis ein neuer Wald wieder CO2 in ähnlichem Umfang aufnimmt.
BN ist der festen Überzeugung, dass kleine, verkehrsregulierende Lösungen auf der bestehenden Straße, welche die Umwelt nicht so stark belasten, trotzdem eine Entlastung für die Anwohner ermöglichen können. Dabei muss man auch den Wandel der Zeit berücksichtigen, der bei den Prognosen im Planfeststellungsverfahren (PFV) bisher nicht Einzug gefunden hatte, und darf nicht alten Konzepten nachlaufen. So sieht der BN einen Rückgang des Verkehrs durch Homeoffice, durch moderne Verkehrsleitsysteme, durch einen dringenden, massiven Ausbau des ÖPNV und durch Information durch die Behörden und Firmen. Auch die Einstellung zur Umwelt hat sich, und wird sich noch weiter verändern. Vieles wurde vor 5 Jahren in den Prognosen nicht berücksichtigt.
Seit 2012 ist die stark belastete Straße von der Autobahnabfahrt nach Herzogenaurach durch Neuses und Niederndorf ins Zentrum von Herzogenaurach Thema im Stadtrat. Nach diversen Vorplanungen wurde 2015 ein Raumordnungsverfahren (ROV) gestartet, und 2016 abgeschlossen. Nun hat das Planfeststellungsverfahren begonnen, das die konkreten Auswirkungen offenlegt und die Bürger erstmals direkt betrifft. Damit beginnt die eigentliche Diskussion um das Vorhaben.
Schon 2016 bemängelte der BUND Naturschutz (BN), dass nur eine Alternative im ROV angeboten wurde. Die Varianten beschrieben lediglich kleinere Unterschiede im Streckenverlauf. Das Ziel der Umfahrung ist gleichzeitig auch das nahegelegene Werksgelände der Firma Schaeffler. Für Helmut König, den Kreisvorsitzenden des BN, war dies die Wunscherfüllung des Autozulieferers für eine zügige Verbindung für Personal wie für den Lastentransport.
Aber für die Stadt war die günstigste Lösung ausschlaggebend, indem man eine weitere Umgehungsstraße mitten durch intakte Natur plant. „Es war wohl die kostengünstigste Alternative. Natur gibt’s günstig“, so der Kreisvorsitzende.
Dabei bedroht die weit ausladende Umfahrung massiv den Artenreichtum der Natur. Alleine im ROV wurden 85 Arten an Vögel festgestellt, die im Streckenumfeld leben. „Eine Spechtart wird trotz Schädigungsverbot ausgerottet“, so König. „Man plant zwar Ausgleichsflächen, aber ob der Specht das weiß, ist fraglich. Weiteren bedrohten Arten geht es ebenso. Damit beruhigt man sein Gewissen.“
Die Durchschneidung von Wäldern mit teilweise bis zu 14 Meter hohen Einschnitten würde den Wald zerschneiden und verinseln. Die Grundwasserströme würden und die Gefahr des Vertrocknens in der Klimakrise massiv erhöht. Der Wald könnte trotz zwar in den Planunterlagen weiter bestehen aber nicht in der Wirklichkeit.
Ebenso kritisiert der BUND Naturschutz, dass der WeltkonzernSchaeffler einen bestehenden Gleisanschluss nicht nutzt. Selbst ein ehemaliger Logistiker der Firma hat sich dafür ausgesprochen. Wenn der politische Wille dahintersteht, würde dies auch durchgesetzt. Damit könnte Schaeffler seine Absichtserklärungen, ein klimaneutrales Unternehmen zu werden, auch in der Realität beweisen.
Für Rückfragen:
Dr. Horst Eisenack, Mitglied des Kreisvorstands, 2. Vorsitzender Ortsgruppe Herzogenaurach und
Helmut König, 1. Vorsitzender BN-Kreisgruppe Höchstadt-Herzogenaurach,
09195 798 2027; hoechstadt-herzogenaurach@bund-naturschutz.de
Anlage:
Im Einzelnen brachte das Gutachten die folgenden Ergebnisse:
- Der Hauptverkehrsstrom zwischen Neuses und Schaeffler Osttor mit 55,5 % Verkehrsanteil ist 5,1 km lang - damit 2 km länger - und benötigt 1 Minute mehr Zeit gegenüber der Strecke durch Niederndorf. In Prozenten ausgedrückt sind das eine 72 % längere Strecke und 29% mehr Fahrzeit.
- Betrachtet man alle obengenannten Verkehrsströme mit ca. 20.000 Kraftfahrzeugen pro Tag, so wird durch die geplante Südumfahrung täglich zusätzlich 24.000 km oder 44% mehr gefahren. Auch ein Zeitnutzen für die Summe aller Fahrzeuge ergibt sich nicht.
- Diese zusätzlichen gefahrenen Kilometer hochgerechnet auf ein Jahr bewirken volkswirtschaftliche Kosten von 1,7 Millionen EUR gemäß BVWP.
- Der zusätzliche CO2-Ausstoß von 2.000 Tonnen pro Jahr mit angerechnetem Elektroautoanteil ergibt sich auch aus dem BVWP und den Anteilen durch die Steigungen und Höhe der Südumfahrungsstrecke. Dies verträgt sich nicht mit der Stadtratsentscheidung, den CO2-Ausstoß zu verringern.
- Um den zusätzlichen CO2-Ausstoß durch einen Wald zu kompensieren wäre gemäß WKF eine Fläche von 180 Hektar notwendig. Eine bedrückende Bilanz des Verbrennungsmotors.
- Da weder ein Gewinn an Kilometern noch an reduzierten Fahrzeiten durch die Südumfahrung erzielt wird, entstehen höhere volkswirtschaftliche Kosten und somit ein geringerer Nutzen.
- Nach dem bisher nur volkswirtschaftliche Kosten ausgewiesen sind, stellt sich die Frage ob überhaupt ein Nutzen vorhanden ist. Dies sollte eigentlich durch die Verkehrsberuhigung der Vacher Kreuzung erkennbar werden. Diese Kostenseite ist aber in den Planfeststellungsunterlagen nicht dargelegt. Eigene Abschätzung der Kosten durch die Lärmreduzierung gemäß dem Methodenhandbuch BVWP ergab einen Nutzen, der noch unterhalb von 10.000 € /Jahr liegt. Dieser Nutzen ist damit wesentlich geringer als die volkswirtschaftlichen Kosten von 4 Mio. €/Jahr (1,7 Mio. €/Jahr für mehr gefahrene Kilometer plus den Baukostenanteil von 2,3 Mio.€/Jahr für 50 Jahre entsprechend den 74,5 Mio.€ Gesamt-Baukosten).
- Damit ist der Nutzen/Kosten-Faktor nahezu Null. Der Nutzen-Kosten-Faktor ist ein zentraler Entscheidungswert für die Sinnhaftigkeit einer Baumaßnahme. Der förderwürdige Wert von 1,0 wird bei weitem nicht erreicht. Von der Stadt Herzogenaurach wird z.B. die Aurachtalbahn mit dem Wert 0,76 abgelehnt. Bei der Stadt-Umlandbahn wird dieser Wert stark diskutiert, bei der Südumfahrung wird er dagegen mit keinem Wort erwähnt.
Die Grafiken in der Anlage auf Seite 6 und 7 veranschaulicht die obengenannten Punkte.
- Als weiterer Unsicherheitsfaktor für die große Südumfahrung ist die Firmenpolitik der Firma Schaeffler. Seit dem Börsengang 2015 wurden Bereiche verlagert: Die zukunftsträchtige E-Mobilität kommt 2018 nach Bühl in Baden Württemberg, die „Fabrik der Zukunft“ nach China, ein Montagewerk nach Sachsen-Anhalt, ein Werk nach Tschechien, Erweiterungen in den USA, sowie Auslagerungen nach Frauenaurach, Schweinfurt und Nürnberg. Geplanter Abbau von 1.200 Mitarbeitern, die längst nicht durch neue Bereiche am Standort ersetzt werden. Die Reduzierung der Einpendler durch verstärktes Homeoffice, ausgelöst durch die Corona-wird ebenfalls nicht bewertet.
Donnerstag, den 14.03.2019, also noch vor Corona, zeigte sich der Trend zu deutlich weniger Verkehr. Diese Donnerstags-Messung in der Zeit von 17:15 bis 18:15 Uhr, entsprechend SSP Consult, war eine Staulänge von nur 300 Metern zu verzeichnen und das nur innerhalb von 24 Minuten. Danach gab es nur einen Ampelstopp.
Hier stellt sich die Frage, ob die Anzahl der Einpendler, wie behauptet, in Herzogenaurach tatsächlich weiter wächst oder eventuell sogar abnehmen wird?
Dr. Horst Eisenack, Mitglied des BN Kreisvorstands, 2. Vorsitzender Ortsgruppe Herzogenaurach, hat mit Unterstützung von Prof. Norbert Graß aus der Bürgerinitiative „Herzo-Süd-Bewahren“ das Gutachten erstellt, die Teil der BN Stellungnahme zur Südumgehung ist.
Bei der Durchsicht der umfangreichen Planfeststellungsunterlagen zum Thema Verkehrsbelastung sind Zweifel an der Qualität der Aussagen von SSP Consult aufgetreten. Dort wird beispielsweise ohne weitere Erläuterung erwähnt, dass die ca. 2 Kilometer längere Südumfahrung seltsamerweise einen Kilometergewinn einbringt. Diese Feststellung führt nach Meinung des BUND Naturschutz zu einem falsch berechneten Nutzen des Vorhabens, wie Horst Eisenack betont.
Dazu hat der BUND Naturschutz ausführliche Überprüfungen mit detaillierten Berechnungen durchgeführt. Bei diesen Berechnungen wurden die wesentlichen Verkehrsströme zwischen Ost, West, Nord, Süd und Südost an der Vacher Kreuzung und alternativ über die große Südumfahrung nachvollziehbar ermittelt. Dabei wurden explizit die Fahrkilometer und die erwartete Fahrzeit nachgerechnet.
Um dabei die „Norm“ zu beachten, wurden die Regularien des „Methodenhandbuchs zum Bundesverkehrswegeplan 2030“ strikt zugrunde gelegt. „Was uns dabei sofort aufgefallen ist: Naturverbrauch wird im Gegensatz zu allen anderen Maßnahmen kostenmäßig nicht einkalkuliert.“ so Horst Eisenack, der Vorsitzende der Ortsgruppe Herzogenaurach.
Wie bei SSP Consult wird zugrunde gelegt, dass der außerörtliche Verkehr nicht durch Niederndorf fließt. Ebenso werden die, von SSP Consult gemessenen Verkehrszahlen an der neuralgischen Vacher Kreuzung in Niederndorf am Donnerstag, 26.11.2015 über 24 Stunden auch hier verwendet. Genaue Berechnungsschritte mit Fahrzeug-Geschwindigkeiten, besonders an Ampeln mit ihren CO2-Belastungen wurden von uns berücksichtigt.
In mehreren Fällen wurden sogar die Berechnungsgrundlagen zugunsten der Südumfahrung getroffen. Für die Berechnung des volkswirtschaftlichen Nutzens und deren Kosten liegt das „Methodenhandbuch zum Bundesverkehrswegeplan 2030“ (BVWP) des Bundesministeriums zu Grunde. Bei der CO2-Belastungsrechung stand auch Professor Dr. Norbert Graß Pate für die CO2-Waldkompensation, eine Information vom Waldklimafond (WKF) des Bundesministeriums.