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Tiere und Pflanzen

Novelle des Bayerischen Naturschutzgesetzes - Chance für Bayern

Der Bund Naturschutz (BN) fordert, die zur Zeit im Bayerischen Landtag beratene Novellierung des Bayerischen Naturschutzgesetzes als Chance für Bayerns Landschaft zu nutzen.

08.07.2005

Insbesondere der dramatische Rückgang der Artenvielfalt in der offenen Agrarlandschaft verlangt bessere rechtliche Rahmenbedingungen. Der Entwurf der Staatsregierung bleibt aber hinter den Erwartungen und Möglichkeiten zurück und führt sogar teilweise zu Rückschritten.

Vielfalt in der Landschaft neu schaffen

Die Novellierung des Bayerischen Naturschutzgesetzes ist überfällig, weil 2002 die Bundesregierung das Bundesnaturschutzgesetz als Rahmengesetz fortgeschrieben hatte und die Bundesländer binnen drei Jahren die Landesnaturschutzgesetze anpassen müssen. Eine zentrale Neuerung des Bundesnaturschutzgesetzes, die Forderung nach einem Biotopverbund von mindestens 10% der Landesfläche gerade in der ausgeräumten Agrarlandschaft, setzt der bayerische Gesetzentwurf nur unzureichend um. Während das Bundesnaturschutzgesetz auffordert, in strukturarmen Agrarlandschaften wie den Gäulandschaften Bayerns im Raum Würzburg oder Niederbayern Vernetzungselemente wie Hecken, Feldgehölze oder Brachestreifen "neu zu errichten", ist im bayerischen Entwurf nur vom "Erhalten" des Status quo die Rede. Der in allen deutschen Naturschutzgesetzen verankerte Grundsatz der Wiederherstellung und Verbesserung der ökologischen Situation fehlt.

Die 2003 vom Bayerischen Landesamt für Umweltschutz aktualisierte Rote Liste gefährdeter Tier- und Pflanzenarten Bayerns zeigt überdeutlich den dramatischen Artenrückgang in der Agrarlandschaft, während bei Wäldern Stabilisierungen und bei Arten der gut geschützten Feuchtgebiete und seit Jahrzehnten nicht mehr bejagten Arten Verbesserungen erfolgten. Selbst früher weit verbreitete Arten der Feldlandschaft wie Feldlerche, Feldsperling, Rauchschwalbe oder Grasfrosch flüchten aus intensiv genutzten Ackerlagen und finden sich auf der amtlichen Roten Liste wieder. Deshalb und auch um in Defiziträumen das Landschaftsbild des Ferienlandes Nr. 1 in Deutschland zu verbessern, muss das Naturschutzgesetz den Biotopverbund und damit neue Vielfalt in der Landschaft auch für den erholungssuchenden Menschen fördern.

Auen besser schützen

Das Bundesnaturschutzgesetz hatte erstmals fachliche Anforderungen an die landwirtschaftliche Bodennutzung definiert. Bayern weicht auch dies auf: der Schutz des unverzichtbaren Grünlandes in Talauen und an erosionsgefährdeten Stellen wird nur als juristisch unverbindliche "Soll"-Bestimmung ("soll Grünland erhalten bleiben" ) umgesetzt, nicht als klares Umbruchverbot ("ist Grünland zu erhalten"). Äcker im Überschwemmungsgebiet führen aber zur Aufdüngung und katastrophalen Verschlammung der Bäche und Flüsse. Der Sedimenteintrag in bayerische Gewässer hat seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts bis um das Zwanzigfache zugenommen. Darunter leiden insbesondere alle heimischen Fischarten (z.B. Äsche), die auf sauberem Kies- und Schotteruntergrund ablaichen, aber nicht in dezimeterdicken, fauligen Schlammablagerungen. In Deutschland liegen 800.000 ha Äcker in Überschwemmungsbereichen, wo sie auch aus Gründen des Hochwasser- und Auenschutzes nicht hingehören.

Europäisches "Netz des Lebens" nur teilweise umgesetzt

Im Gesetzentwurf sollen für die gemeldeten FFH-Gebiete (Schutzgebietsnetz "Natura 2000" der EU) keine Schutzverordnungen und damit keine klaren Schutzziele erlassen werden. Stattdessen wird auf freiwillige Vereinbarungen gesetzt. Damit wird ein entscheidender Fortschritt, die international aufeinander abgestimmte Erhaltung des gemeinsamen europäischen Naturerbes, von Bayern massiv unterlaufen.

Grabenfräse wieder erlaubt

Mit 1000 Umdrehungen pro Minute bohrt sich die Maschine durch wasserführende Gräben und zerfetzt alle Lebewesen. Das Verbot wurde 1998 bei der letzten Naturschutzgesetz-Novellierung von der CSU als eine der wichtigen Verbesserungen gerühmt. Es gibt keinerlei von 1998 abweichende neuere Fachgrundlagen, die eine Wiederzulassung dieser radikalen Technik begründen könnten.

Kein Schutz der Natur vor Gentechnikeinsatz
Entgegen der Forderung des BN sieht das neue Gesetz nicht einmal in Naturschutzgebieten das Verbot des Einsatzes gentechnisch veränderter Organismen vor. Der BN fordert, den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen bzw. Einsetzungen von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zu untersagen. Durch GVO an sich (z.B. Einkreuzungen) sowie damit verbundene Bewirtschaftungsformen (Totalherbizideinsatz) werden ohne Zweifel wildlebende Tier- und Pflanzenarten gefährdet - was das Naturschutzgesetz ja verhindern soll.

Neue Landschaftseingriffe werden noch leichter möglich

Änderungen beim "Ersatz" bzw. "Ausgleich" von Landschaftseingriffen führen dazu, dass künftig in Bayern noch einfacher als bisher selbst größte Landschaftseingriffe wie flächenfressende Gewerbegebiete oder Landschaftszerschneidungen möglich sind. Diese Neuregelung und die Möglichkeit, für Landschaftseingriffe verstärkt "Ersatzzahlungen" zuzulassen, werden in der Praxis dazu führen, dass nahezu alle Landschaftseingriffe formaljuristisch als "ersetzbar" oder "ausgleichbar" deklariert und genehmigt werden.

Zusätzlich soll bei Ausnahmegenehmigungen für Eingriffe in landkreisüberschreitende Landschaftsschutzgebiete oder Naturparke die Zuständigkeit von der Bezirksregierung auf den betroffenen Landkreis oder die Gemeinde delegiert werden. Bezirksregierungen hatten in den letzten Jahren Eingriffe wie 2001 im Landkreis Forchheim, als die Gemeinde Kirchehrenbach in der Schutzzone des Naturparkes Fränkische Schweiz für ein neues Baugebiet wertvollsten Wald roden wollte, noch gestoppt. Künftig sollen Landkreise und Gemeinden sich derartige Naturzerstörungen selbst genehmigen können.

Dies hebelt gerade bei großen Landschaftsschutzgebieten die Schutzziele hinsichtlich des Schutzes empfindlicher Landschaftsteile vor Bebauung aus und fördert eindeutig die Zerstörung des Gesamtlandschaftsbildes durch lokale Interessen. Es öffnet neuen Landschaftsverschandelungen Tür und Tor, wäre die Bankrotterklärung der Schutzgebietskategorie "Landschaftsschutzgebiet" und "Naturpark" und untergräbt eine zentrale Säule der Tourismuswerbung in Bayern.

Erfolg für das ehrenamtliche Bürgerengagement

Die im ersten Gesetzentwurf noch enthaltene Abschaffung (fakultative Bildung) der Naturschutzbeiräte wurde nach Protesten der Naturschutzverbände wieder zurückgenommen. In den Beiräten bringen neben Vertretern der Wissenschaft vor allem ehrenamtlich tätige Natur- und Artenschützer kostenlos ihr Fachwissen ein. Es handelt sich um eine der wichtigsten Verzahnungen zwischen ehrenamtlichem Bürgerengagement und Verwaltungshandeln. Eine Abschaffung wäre auch mit den Grundprinzipien einer vom Freistaat propagierten modernen, zukunftsfähigen "Bürgergesellschaft" nicht vereinbar gewesen!