Was interessiert Sie besonders?

Zur Startseite

Eichhörnchen beobachten und melden

Themen

  • Übersicht
  • Klimakrise

Tiere und Pflanzen

Planfeststellungsbeschluss für Staustufe Pielweichs rechtswidrig

Bund Naturschutz erzielt Erfolg vor dem VGH

27.06.2008

Das heutige Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) im Prozess um die Staustufe Pielweichs ist ein Erfolg für den Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN). Der Prozess betraf einen Genehmigungsbescheid aus dem Jahr 2002 für eine Staustufe, deren Bau bereits 1989 vorzeitig zugelassen und 1994 abgeschlossen wurde. Die bestehende Staustufe Pielweichs an der Isar ist somit nach wie vor nicht rechtskräftig genehmigt. „Wenn sie nicht schon gebaut wäre, wäre nun der Weg frei für eine ökologisch verträgliche Fluss-Renaturierung.“ bewertet Dieter Scherf, Mitglied im Landesvorstand des BN, das Urteil. So aber könne der BN nur noch versuchen, den größten Schaden zu vermeiden und die ökologisch katastrophalen Folgen der Staustufe auf die Arten und Lebensräume der Isar wenigstens etwas abzumildern. „Zentrale Konsequenz muss nun sein, dass wenigstens unterhalb von Pielweichs in der Isar keine weiteren zerstörerischen Eingriffe, sondern endlich ökologisch verträgliche Maßnahmen wie Flussaufweitungen durchgeführt werden.“ fordert Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BN.

Der BN ist nach wie vor gegen die Staustufe und hat von Anfang an im Verfahren eine Renaturierung bzw. den Einsatz flussbaulicher Maßnahmen gefordert, um der weiteren Eintiefung der Isar entgegen zu wirken. Im  Gerichtsverfahren vor dem VGH ging es jedoch vor allem um die sogenannten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die im Genehmigungsbescheid von 2002 enthalten sind. Der BN hat diese Maßnahmen als fachlich völlig unzureichend kritisiert, überdies wurden selbst die geplanten Maßnahmen bis heute noch nicht umgesetzt. Es geht dabei vor allem um die Durchgängigkeit der Isar und die Schaffung von Ersatzlebensräumen für Fische und andere isartypische Arten v.a. durch „Ersatzfließgewässer“. Zudem fordert der BN, dass der Umfang dieser Maßnahmen nicht von den Interessen der Wasserkraftbetreiber bestimmt werden, sondern auch zu Lasten ihres Ertrages gehen müssen. Die Staustufe war damals mit der „Sanierung“ der Isar begründet, faktisch aber zur Wasserkraftnutzung gebaut worden.

Der BN hatte Klage erhoben, weil der Eingriff zu einer Zerstörung wertvoller Lebensräume in der Isar und der angrenzenden Aue geführt hat und die möglichen Alternativen nicht ausreichend geprüft wurden. „Eine Staustufe wäre angesichts europäischen Naturschutz- und Wasserrechts heutzutage nicht mehr genehmigungsfähig, die Zeit ist reif für Renaturierung und flussbauliche Sanierung.“ bilanziert Dr. Christine Margraf, BN-Artenschutzreferentin Südbayern. „Schon zur Zeit der Planung der Staustufe wusste man, dass es bessere Lösungen als die Staustufe gibt, und erst recht zur Zeit des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses.“ Der BN hat von Anfang an diese Alternativen angeregt und eingefordert und die Staustufe abgelehnt. Eine Klage einreichen konnte der Verband aber erst im Jahr 2002 gegen den Planfeststellungsbeschluss, nicht aber gegen die vorzeitige Baugenehmigung für die Staustufe aus dem Jahr 1989 und gegen das Ergebnis der Raumordnungsverfahren aus den Jahren 1988 und 1992.

Einige der vom BN kritisierten Mängel in der landschaftspflegerischen Begleitplanung hat der VGH nun bestätigt. Insbesondere hat der VGH ein Ausgleichsdefizit festgestellt. Dem Urteil waren seit der mündlichen Verhandlung vor dem VGH Anfang April intensive Gespräche zwischen dem BN und den Behörden vorausgegangen. Ziel der Gespräche war es, über einen Vergleich zu einer ausreichenden Verbesserung der „Ersatzmaßnahmen“, insbesondere der sogenannten Ersatzfließgewässer zu kommen. „Fachlich ist ein Staustufenbau sowieso weder ausgleichbar noch ersetzbar, weil die vom Fluss geprägten Lebensräume nicht einfach neu geschaffen werden können.“ so Georg Kestel, Landschaftsarchitekt und 1. Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Deggendorf. Da die Staustufe Pielweichs aber bereits gebaut sei, habe sich der BN trotzdem auf Verhandlungen über die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eingelassen, um wenigstens die gröbsten Schäden durch den Staustufenbau noch abzumildern.

Der Vergleich scheiterte letztlich jedoch, weil der VGH nicht bereit war, das Verfahren bis zur inhaltlichen Klärung ruhen zu lassen. Der BN bedauert dies sehr, er bezeichnet die Gespräche als sehr konstruktiv. „Wir waren durchaus auf einem guten Weg, ökologische Verbesserungen zu erzielen“. Der BN konnte dem Vergleichsentwurf in der letzten Fassung vom 19.06.2008 jedoch nicht zustimmen: „Wirkungsvolle Maßnahmen konnten zum jetzigen Zeitpunkt nicht so weit geklärt werden, dass eine Einigung möglich war.“ so der Rechtsanwalt des BN, Dr. Ulrich Kaltenegger. Für eine endgültige Beurteilung, welche Maßnahmen tatsächlich die besten ökologischen Verbesserungen für die Isar und ihre Aue bringen, wären noch weitere aufwändige Modellberechnungen zu verschiedenen Abflüssen und Überflutungen und nach Auffassung des Verbandes auch eine Neufassung der ökologischen Bilanzierung nötig gewesen. „Wir bedauern, dass nicht ausreichend Zeit war, diese Berechnungen und Bilanzierung gemeinsam durchzuführen und zu bewerten.“ so der BN. Eine zentrale Frage war auch, inwieweit bei den ökologischen Maßnahmen „Drittbetroffenheiten“ in Kauf genommen werden müssen. Für den BN standen – schon entsprechend seinem Vereinszweck – die ökologischen Wirkungen der nötigen Maßnahmen im Vordergrund.

Der BN erwartet, dass im Rahmen des nun notwendigen ergänzenden Verfahrens die offenen Fragestellungen noch geklärt werden. Der Verband  ist auch innerhalb eines ergänzenden Verfahrens jederzeit an weiteren Gespräch interessiert und appelliert an die Regierung von Niederbayern, die ökologischen Verbesserungen so weitgehend wie möglich umzusetzen.

Für Rückfragen:
Georg Kestel, Landschaftsarchitekt, 1. Vorsitzender BN-Kreisgruppe Deggendorf, Schiffmeisterweg 7, 94469 Deggendorf, Tel.: 0991/341354, G.Kestel@planwerk-landschaft.de
Dr. Christine Margraf, Artenschutzreferentin Südbayern, Fachabteilung München, Pettenkoferstraße 10a/I, 80336 München,
089/548298-89, christine.margraf@bund-naturschutz.de
Dr. Ulrich Kaltenegger, Rechtsanwalt, Altstadt 28, 84028 Landshut, 0871/89079

Anlage: Chronik des Verfahrens