Schutz der Versammlungsfreiheit in Bayern statt Rückfall in den Obrigkeitsstaat
Der Bund Naturschutz in Bayern lehnt den Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung für ein Bayerisches Versammlungsgesetz entschieden ab. Das bestehende Versammlungsgesetz (Gesetz über Versammlungen und Aufzüge) sowie die hierfür entwickelte Rechtsprechung und Verwaltungspraxis ist vollkommen ausreichend. Es gilt den Artikel 113 der Bayerischen Verfassung zu bewahren, der lautet: „Alle Bewohner Bayerns haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder besondere Erlaubnis friedlich und unbewaffnet zu versammeln.“
„Der Gesetzentwurf der bayerischen Staatsregierung beinhaltet massive Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, von denen der BN wie auch viele andere Organisationen von Gewerkschaften über den bayerischen Bauernverband bis zur Feuerwehr betroffen wären. Die geplante weitreichende Einschränkung des Rechtes auf Versammlungsfreiheit greift in den Kernbereich dieses in der Bayerischen Verfassung enthaltenen Freiheitsrechtes ein und ist damit verfassungswidrig. Wir fordern Ministerpräsident Günther Beckstein und den bayerischen CSU-Fraktionsvorsitzenden Georg Schmid auf, den Gesetzentwurf umgehend zurück zu ziehen“, so BN-Landesvorsitzender Prof. Hubert Weiger.
Der Gesetzentwurf erschwere allen Verbänden und Organisationen die Möglichkeiten des öffentlichen Auftretens. Der BN unterstützt daher das von Ver.di initiierte Bündnis „Rettet die Grundrechte“, dem sich schon über 100 Organisationen angeschlossen haben.
Die bayerische Staatsregierung hat aufgrund der eigenen Gesetzgebungs-kompetenz nach der Föderalismusreform das Recht ein eigenes Versammlungs-gesetz zu erlassen. Als erstes Bundesland hat sie hierzu einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der gravierende Einschränkungen der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit in Bayern zur Folge hätte und Präzedenzwirkung auch für andere Bundesländer haben könnte. Der Bund Naturschutz lehnt die Änderungen am bestehenden Recht entschieden ab. Schon derzeit werden BN-Kreisgruppen und der BN-Landesverband bei Presseaktionen und Vor-Ort-Terminen in ihren Rechten teilweise behindert und es wurden Verfahren wegen des Verstoßes gegen das geltende Versammlungsgesetz gegen ehrenamtlich wie hauptamtlich engagierte Naturschützer eingeleitet. Trotzdem hat sich das bestehende Bundes-Versammlungsgesetz im Grundsatz über Jahrzehnte bewährt und bedarf keiner Verschärfung.
Hintergrund zu den geplanten Änderungen im Gesetzentwurf der CSU:
1) Artikel 2 Abs. 1 des Gesetzes sieht einen sehr weiten Versammlungsbegriff vor. Demnach ist eine Versammlung bereits eine Zusammenkunft von zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe einer öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Dies bedeutet zum Beispiel, dass Pressekonferenzen von Organisationen, die vor Ort stattfinden und in denen das Fernsehen oder Zeitungen berichten, bereits als Versammlungen bewertet werden können.
Dies gilt umsomehr, weil das Fernsehen oder auch die Zeitungen häufig eine Visualisierung durch Transparente oder dergleichen wünschen. Dies bedeutet letztendlich, dass jede Pressekonferenz des Bund Naturschutz, die vor Ort stattfindet, polizeilich angemeldet und öffentlich angekündigt werden müsste. Dass selbe kann auch für Exkursionen des gelten, wenn diese beispielsweise nicht nur die Naturschönheiten, sondern auch deren Bedrohung durch allgemein menschliches Handeln (Klimawandel) oder Eingriffsprojekte aufzeigen.
2) Artikel 3 Abs. 2 des Gesetzes sieht vor, dass bei Vereinigungen, zu denen aber nicht nur der Bund Naturschutz, sondern z.B. auch der Bayerische Bauernverband oder eine Gewerkschaft zählt, automatisch der Leiter der Vereinigung Versammlungsleiter ist, für den Bund Naturschutz wäre dies der Landesvorsitzende. Als Organisation hätte der BN keine Möglichkeit, rechtssicher unsere rund 10.000 ehrenamtlich Aktiven in 700 Ortsgruppen und 76 Kreisgruppen mit einem angemessenen Aufwand so zu schulen, dass eine Verletzung des Bayerischen Versammlungsgesetzes gerade über die Abhaltung von Pressekonferenzen und Exkursionen ausgeschlossen ist. Letztendlich stellt dieser Passus auch eine Konterkarierung des Gedankens der Stärkung des Ehrenamts dar, weil nunmehr das Ehrenamt über diese Bestimmung in eine strafrechtliche und polizeirechtliche Globalhaftung genommen wird.
3) Es gibt eine Vielzahl von bürokratischen Einzelregelungen, die vielleicht bei Großversammlungen durchführbar sind, aber bei kleineren Versammlungen erhebliche organisatorische Anforderungen an ehrenamtlich tätige Organisationen stellen oder deren politische Handlungsfähigkeit beeinträchtigen. Beispielsweise handelt es sich um folgende Bestimmungen:
- Art. 3 Abs. 3, wonach die Bekanntgabe oder Einladung zu einer Versammlung öffentlich erfolgen muss. Dies ist für Pressekonferenzen vor Ort unter freiem Himmel nicht nötig und würde im Übrigen die „polizeiliche Gefahr“ durch die Vergrößerung der Versammlung durch Gegendemonstrationen nur erhöhen.
- zur Verfügungsstellung eines angemessenen Platzes für die Polizei mit Bußgeldbewährung
- – weitgehendes Uniformierungsverbot, das z.B. das gemeinsame Tragen von T-Shirts unter Strafe bzw. unter Bußgeldbewährung stellt
- Statuierung einer telefonischen Erreichbarkeit eines Versammlungsleiters § 13 Abs. 2
4) Alle Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz sind mit Strafen oder weitergehenden Ordnungswidrigkeiten pönalisiert. Bereits kleinste Verstöße können mit Bußgeldern belegt werden. Die Straf- und Ordnungswidrigkeitstatbestände sind teilweise unbestimmt gefasst – und damit teilweise verfassungswidrig –, außerdem bekommt der Leiter einer Vereinigung über die in Art. 3 enthaltene Fingierung eines Versammlungsleiters in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Nr. 8 u. 9 eine strafrechtliche Verantwortung für nicht angemeldete oder sogar falsch angemeldete Versammlungen zugewiesen. Dies bedeutet eine erhebliche Gefährdung von verantwortlichen Vorsitzenden von Vereinen, Verbänden aber auch politischen Parteien.
Für Rückfragen:
BN Landesbeauftragter Richard Mergner Tel. 0911/81 87 8-25 oder 0171-6394370