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Schutzfunktionen im Staatswald auf dem Prüfstand

Wald Bündnis Bayern legt aktuellen Bürgerwaldbericht vor

24.04.2008

Die Verbände im Wald Bündnis Bayern legen knapp  3 Jahre nach dem Start der Bayerischen Staatsforsten einen detaillierten Bürgerwaldbericht vor. Darin werden für den Staatswald die Ziele und deren Umsetzung kritisch bilanziert. Aufgegriffen werden u.a. die Themen Bergwald, Artenvielfalt, Holzernte und Waldpflege und Jagd. Die Bilanz fällt dabei zwiespältig aus. Insgesamt zeigt sich, dass zwar Zielvorgaben existieren, die das Wald Bündnis begrüßt, wie z.B. für den Schutz von Biotopbäumen oder für den Grundsatz Wald vor Wild. Allerdings wird immer deutlicher, dass diese positiven Ansätze oft von konkurrierenden bzw. gegenläufigen wirtschaftlichen Zielen überlagert werden und vielerorts nicht umgesetzt werden, nicht zuletzt wegen des Personalabbaus.

 

Das Wald Bündnis Bayern befürchtet, dass aufgrund der gewinnorientierten Ausrichtung der Staatswälder der Schutz der Gemeinwohlfunktionen hinter kurzfristige betriebswirtschaftliche Interessen gestellt wird. Kritisiert wird das Ziel einer 15-Prozentigen Umsatzrendite durch die Bayerische Staatsforsten (BaySF), die weder vom Bayerischen Landtag vorgegeben wurde noch im Bayerischen Waldgesetz verankert ist. Das Wald Bündnis Bayern fordert die Verantwortlichen dazu auf, die vielfältigen Schutz- und Erholungsfunktionen in den staatlichen Wäldern Bayerns für alle Bürgerinnen und Bürger zu sichern und zu verbessern. Deshalb soll den Gemeinwohlfunktionen wie Trinkwasser-, Hochwasser, oder Klimaschutz, Erholung, Natur- und Artenschutz insbesondere im Bergwald Vorrang eingeräumt werden.

 

Ein Schwerpunkt des Bürgerwaldberichtes ist der Zustand des Bergwaldes, der zu großen Teilen als Schutzwald besondere Funktionen zu erfüllen hat. Beanstandet wird die Intensivierung der Erschließung und Holznutzung. Bislang unerschlossene Bereiche wurden dabei neu erschlossen bzw sollen neu erschlossen werden. Sehr kritisch wird auch die geplante Ausweitung der Vollbaumnutzung gesehen, weil die Entnahme ganzer Bäume mitsamt der Krone zu großen Nährstoffverlusten und massiven Schäden am Baumnachwuchs und alten Bäumen führen. Die nach wie vor zu hohen Schalenwildbestände behindern auch in vielen Bergwäldern den Aufbau stabiler Mischwälder.

 

Die BaySF hat zwar im Rahmen eines Nachhaltigkeitskonzeptes ein Bewertungssystem mit ökologischen Kriterien entwickelt und gute Zielvorgaben für Totholz und Biotopbäume im Naturschutzkonzept vorgestellt. Doch um eine vorbildliche Waldnutzung zu garantieren, müssten verbindliche Standards eingeführt und durch messbare Kriterien dokumentiert werden, wie im Bürgerwaldbericht vorgeschlagen. Ansonsten kommt es wie in der Vergangenheit immer wieder zu Defiziten, wie z.B. schweren Bodenschäden, wenn das Holz mit Großmaschinen bei ungünstigen Bodenverhältnissen transportiert wird.

 

Zunehmende Kritik erfährt die einseitige Strukturpolitik der BaySF zu Lasten kleiner und mittelständischer Sägewerke und Forstunternehmer. Kritisiert werden vor allem die Ansiedlung von Großsägewerken mit staatlicher Hilfe, die Sonderkonditionen für die Großabnehmer und die Ausschreibungspraxis für Dienstleistungen, die klein- und mitteständische Forstunternehmer vor Ort benachteiligt. Dies steht im Widerspruch zur Mittelstandspolitik der Staatsregierung.

 

Bei der Sicherung der Biologischen Vielfalt im Wald sieht das Wald Bündnis Bayern zwar gute Ansätze, aber große Defizite in der Umsetzung im Wald. Begrüßt wird, dass dem Erhalt von Biotopbäumen stärkere Bedeutung beigemessen wird und dass zum Aufbau hoher Totholzvorräte anspruchsvolle Ziele formuliert wurden. Doch inwieweit diese angesichts konkurrierender Zielsetzungen umgesetzt werden können, bleibt fraglich. Immer wieder werden Höhlenbäume und andere Biotopbäume gefällt. Die Waldbewirtschaftung in FFH-Gebieten muss dazu dienen, deren ökologischen Zustand zu erhalten bzw. zu verbessern. Stattdessen ist zu beobachten, dass in die ökologisch wertvollen alten Laubwälder sehr stark eingegriffen wird, z.T. werden sie sogar flächig genutzt. Die im April vorgelegte Biodiversitätsstrategie der Bayerischen Staatsregierung bleibt insbesondere beim Schutz wertvoller Waldökosysteme deutlich hinter den Vorgaben der Nationalen Biodiversitätsstrategie Deutschlands zurück, die 10 % nutzungsfreie Wälder im öffentlichen Wald vorsieht. Mit nur ca. zwei Prozent des Staatswaldes als Waldschutzgebieten ohne Nutzung lässt sich das Naturerbe Buchenwälder in Bayern nicht erhalten, für das auch Bayern eine besondere Verantwortung trägt.

 

Bei der Umsetzung des Grundsatzes Wald vor Wild konnten erfreuliche Fortschritte im Staatswald festgestellt werden. Nach den geringen Abschusszahlen für Rehwild im Jagdjahr 2006/2007 wurde der Schalenwildabschuss im Jagdjahr 2007/2008 deutlich intensiviert. Derartige Fortschritte und eine Erfolgskontrolle durch das neue Traktverfahren sind auch notwendig, weil immer noch zu hohe Schalenwildbestände das Aufwachsen der standortheimischen Baumarten vielerorts verhindern und dadurch hohe Kosten verursachen. Dies ist vor dem Hintergrund des Klimawandels nicht tolerierbar. Durch den zunehmenden Ausfall der Fichte sind inzwischen große Kahlflächen entstanden, die dringend aufgeforstet werden müssen. Das Wald Bündnis Bayern fordert verstärkte Anstrengungen beim Waldumbau, denn große Flächen naturferner Nadelholzbestände sind stark gefährdet. Da auch im Privat- und Körperschaftswald große Flächen vom Waldumbau betroffen sind, muss hier die Forstverwaltung die Beratung und Förderung deutlich intensivieren.

 

Nicht zuletzt wird der Personalabbau in der BaySF und der Forstverwaltung als wichtiges Problem gesehen. Eine nachhaltige Waldbewirtschaftung ist nur mit ausreichendem und ausgebildetem Personal zu leisten. Steigende Anforderungen und wichtige Zukunftsaufgaben wie der Waldumbau, die Beratung des Privatwaldes und der Kommunalwaldbetriebe, sowie der Schutz der Biologischen Vielfalt und die Sicherung aller Gemeinwohlfunktionen erfordern die Schaffung und Sicherung solcher Arbeitsplätze besonders auch im Ländlichen Raum.

 

Kernforderungen

1. Insbesondere im staatlichen Bergwald müssen die Gemeinwohlfunktionen Vorrang vor wirtschaftlichen Überlegungen haben. Auf neue Erschließungen und Vollbaumnutzung ist grundsätzlich zu verzichten.

2. Die Umsetzung des Grundsatzes Wald vor Wild mit dem Ziel, dass alle standortheimischen Pflanzenarten ohne besondere Schutzmaßnahmen aufwachsen können, muss oberste Priorität haben, besonders im Bergwald und im Schutzwald.

3. Der Schutz der Biologischen Vielfalt muss sowohl auf der gesamten Fläche erfolgen (integrativer Ansatz), als auch im Rahmen der Ausweisung neuer Schutzgebiete, die von der Holznutzung und anderen Eingriffen verschont bleiben. Entsprechend den Vorgaben der Nationalen Biodiversitätsstrategie ist eine Zielgröße von etwa 10 Prozent des öffentlichen Waldes anzustreben.

4. Bei der Waldpflege und Holzernte müssen Schutzfunktionen und Naturschutzbelange gesichert werden, so wie es das Waldgesetz vorsieht. Erforderlich sind waldpflegliche Maschinen bzw. Holzernteverfahren, eine maschinengerechte Waldwirtschaft wird abgelehnt.

5. Die Geschäftspolitik der Bayerischen Staatsforsten darf sich nicht durch Bevorzugung von Großkunden negativ auf die Regionalentwicklung und Standortpolitik auswirken. Zur Sicherung der Arbeitsplätze im Ländlichen Raum dürfen in Zukunft die kleinen und mittleren Betriebe der Sägewerke und Forstunternehmer nicht benachteiligt werden.

6. Die Staatsregierung muss die angesichts des Klimawandels dringenden Aufgaben beim Waldumbau ernst nehmen. Die finanziellen Mittel und das Fachpersonal müssen deutlich aufgestockt werden, damit die Umwandlung problematischer Nadelholzbestände in zukunftsfähige Mischwälder aus heimischen Baumarten gelingt. Im Staatsforst sind die erwirtschafteten Gewinne in den Waldumbau zu investieren, anstatt sie an den Fiskus abzuführen.

7. Damit auch im Kommunalwald eine vorbildliche Waldwirtschaft gesichert werden kann, ist diese entsprechend zu honorieren.

 

i.A. Dr. Ralf Straußberger, Geschäftsführer Wald Bündnis Bayern

Tel. 0911/81 87 8-21, Handy 0171/7381724