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Staatswaldförster bald auf der Roten-Liste

Wald Bündnis befürchtet skandinavische Verhältnisse

03.05.2006

Wie das Wald Bündnis erfahren hat, soll im Rahmen des sogenannten "Nachhaltigkeitskonzeptes" die Zahl der Staatswaldreviere von derzeit 558 auf 330 radikal verringert werden. Diese massive Streichung von 40% der Revieranzahl bedeutet eine Vergrößerung der Reviere um etwa 70 % von durchschnittlich 1300 ha Waldfläche auf 2200 ha und übertrifft damit die schlimmsten Befürchtungen des Wald Bündnisses. Im Rahmen der Forstreform haben die Staatsregierung und der Bayerische Landtag eine Einsparung der Revierförster von maximal 20 % in 15 Jahren und die Beibehaltung des Revierprinzips beschlossen. "Davon ist nun keine Rede mehr. Wir appellieren deshalb an den Aufsichtsrat und den Bayerischen Landtag, skandinavische Verhältnisse im Staatswald zu verhindern", so Hubert Weiger, 1. Vorsitzender des Bundes Naturschutz und Sprecher des Wald Bündnisses.

Die Bayerischen Staatsforste sind eine Anstalt des Öffentlichen Rechts, ihr gesetzlicher Auftrag ist eine nachhaltige und naturnahe Waldwirtschaft. Der Vorstand agiert jedoch mehr und mehr wie eine Aktiengesellschaft mit dem Ziel der Gewinnmaximierung durch Kostenreduktion, sprich Personaleinsparung. Damit werden die Fortschritte bei der Staatswaldbewirtschaftung der letzten Jahrzehnte - vielerorts naturnähere, vorratsreichere, stabilere und artenreichere Wälder - in Frage gestellt, die hierfür aus Steuergeldern finanzierten Aufwendungen werden wieder verspielt. Langfristig bedeutet das auch den wirtschaftlichen Ruin, denn in der billigen Produktion von Massensortimenten für den Export können wir in Mitteleuropa auf Dauer nicht mit Sibirien, Kanada oder Chile konkurrieren.

Ein Schlüsselfaktor hierfür ist die "Überschaubarkeit" der Reviere. Ein gut ausgebildeter Förster muss den Zustand und die Dynamik des Waldes im Blick und unter Kontrolle haben. Gerade die Staatswälder erfüllen eine Vielzahl verschiedener Waldfunktionen. Um die differenzierten, standorts- und betrieblich unterschiedlichen Funktionen vorbildlich erfüllen zu können, ist qualifiziertes Personal in überschaubaren Reviergrößen unerläßlich, das den Wald nicht nur vom Schreibtisch aus kennt. Zwar kann mit dem technischen Fortschritt die Reviergröße weiterhin allmählich ansteigen, wie dies schon seit Jahrzehnten der Fall ist. Eine Vergrößerung der Reviere um etwa 70 % auf einen Schlag kann jedoch nur eines bedeuten: Waldpflege, Waldentwicklung, Walderhaltung spielen keine Rolle mehr! Es geht nur mehr um Land Management zur Maximierung der Rendite, die von derzeit 1,8 % auf 15 % oder mehr erhöht werden soll. Es geht vor allem um Bereitstellung von Holz ohne großen Aufwand, ohne ausreichende Arbeitsvorbereitung und Qualitätskontrolle, durch langfristige Verträge mit Großkunden und maschinellen Einschlag durch Unternehmer. Damit lässt sich freilich jahrelang ein schöner Gewinn "erwirtschaften", an dem die Unternehmensleitung finanziell beteiligt sein soll. Wenn die Wälder dann später auf Grund von Boden- und Bestandesschäden saniert werden müssen, trägt die Allgemeinheit die extrem hohen Kosten. So kostet den Freistaat Bayern z.B. die technische Sanierung geschädigter Schutzwälder im Gebirge bis zu 500.000 € pro Hektar. Die jährlichen Kosten für einen Förster, der den Bergwald pflegt, überhöhte Wildbestände bejagt und ggfs. für die Holzernte liegen dagegen bei ca. 100 € pro Hektar.

Die Qualität der Staatswälder darf nicht nur anhand der Rendite bemessen werden, sondern eine umfassend nachhaltige Waldwirtschaft wird entscheidend von der Arbeit der Revierförster im Wald bestimmt. Das "Auszeichnen" der Bäume für die Ernte oder eine effektive Jagd waren bisher grundlegende Aufgaben, in denen bayerische Förster in den letzten Jahren vielerorts erfolgreich gearbeitet haben. Diese für eine nachhaltige und funktionengerechte Forstwirtschaft entscheidenden Aufgaben sollen Förster künftig nicht mehr ausüben, weil es zu teuer kommt. Damit nähert sich Bayern der skandinavischen Waldwirtschafts-AG immer mehr an. Offenbar ist dies für die Führung der Bayerischen Staatsforste das große Vorbild. Dabei sind die Wälder dort von Natur aus ganz anders aufgebaut. In Skandinavien nutzen die Forstbetriebe Baumarten, die dort von Natur aus großflächig vorkommen. Im Gegensatz dazu arbeitet die bayerische Forstwirtschaft vielfach mit Baumarten, die am jeweiligen Standort von Natur aus nicht vorkommen würden. Um das erklärte forstpolitische Ziel zu erreichen, diese Wälder naturnäher zu gestalten, braucht es aber viel hochqualifizierte man-power. Die Bayerische Staatsregierung muss sich schon fragen lassen, ob sie für Renditen skandinavischer Forstbetriebe von 15 bis 30 % auch die dort übliche Großkahlschläge und Monokulturen in Kauf nehmen will. Für die viele Bürgerinnen und Bürger in Bayern wäre dies ein Horrorszenario. Schon mit der jetzigen Personalausstattung war es schwierig, die sich häufenden Schadensereignisse zu bewältigen, Bsp. Borkenkäfer. Mit dieser radikalen Vergrößerung der Reviere sind Katastrophen durch Borkenkäfer oder Sturm im Staatswald nicht mehr zu bewältigen.

Im bayerischen Staatsforst sollen die "überzähligen" 40 % der Revierförster in Servicestellen in zentralen Forstbetriebe abgeschoben werden, wo sie nach eine mehr oder weniger kurzen Übergangszeit ohne großes Aufsehen durch Vorruhestand oder Altersteilzeit wegrationalisiert werden können. Die Kosten hierfür trägt auch die Allgemeinheit.

Hintergrundinformationen

Wald Bündnis Bayern
Das Wald Bündnis Bayern hat sich 2004 gegründet, um durch das Volksbegehren "Aus Liebe zum Wald" die von der Bayerischen Staatsregierung beschlossene Forstreform und ihre negativen Auswirkungen auf Bayerns Wälder zu verhindern. Danach sollen die großen Staatswälder in Bayern durch eine vorrangig gewinnorientierte Anstalt öffentlichen Rechts bewirtschaftet werden. Dazu haben sich über 50 Verbände und Vereinigungen von Waldbesitzern, Naturschutzverbänden und Waldfreunden in einer breiten überparteilichen Allianz im Wald Bündnis Bayern zusammengeschlossen. Vorrangiges Ziel war es die vielfältigen Schutz- und Erholungsfunktionen der Wälder Bayerns für alle Bürgerinnen und Bürger zu sichern und zu verbessern und vor allem den Gemeinwohlfunktionen, wie Trinkwasser-, Hochwasser, oder Klimaschutz, Erholung, Natur- und Artenschutz im Staatswald einen Vorrang einzuräumen.
Auch wenn das Volksbegehren "Aus Liebe zum Wald" mit 9,3 % Wahlbeteiligung knapp an der 10-%-Hürde gescheitert ist, war es trotzdem ein Erfolg. Die Art der Waldbewirtschaftung war erstmals ein öffentliches Thema und durch den Druck des Volksbegehrens wurden etliche Verbesserungen bei der Forstreform erreicht. So z.B. wurde der Grundsatz Wald vor Wild im Waldgesetz aufgenommen, die Privatisierung der Staatswälder vorerst verhindert und für die Gemeinde - und Privatwälder zumindest übergangsweise ein Beratung bzw. Betreuung gesichert.
Wegen der einseitig gewinnorientierten Ausrichtung der Staatswälder besteht nach wie vor große Gefahr, dass die Gemeinwohlfunktionen kurzfristigen Gewinninteressen geopfert werden. Deshalb unterstützen weiterhin über zwei Dutzend Verbände das Wald Bündnis Bayern, so z.B. die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (Bayern), die Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (Bayern), das Bergwaldprojekt, der Bund Naturschutz, CIPRA Deutschland, der Deutsche Alpenverein, der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund, die IG Bauen-Agrar-Umwelt (Bayern), die Interessengemeinschaft Kommunale Trinkwasserversorgung (Bayern), der Landesbund für Vogelschutz, der Tierschutzverein München und der Verein zum Schutz der Bergwelt sowie weitere örtliche und regionale Organisationen.

Schulklassen wie Forstreviere um 70 % vergrößern?
Kein Politiker würde sich trauen, die Klassengrößen um 70 % zu erhöhen und die Lehrerzahl dementsprechend zu reduzieren, was ja tatsächlich eine erkleckliche Einsparung für den Staatshaushalt wäre. Nicht nur die Eltern würden protestieren, wenn die Klassengrößen von 28 auf über 48 Schüler im Durchschnitt anstiegen. Jeder würde wissen, dass solche Klassen nicht mehr überschaubar sind und die Schüler nicht mehr so gefördert werden können. Die Hoffnung, im Wald würde das schon funktionieren, ist sicher nicht erfüllbar. Anders als bei der Waldbewirtschaftung hat z.B. Finnland dagegen bei der Pisa-Studie vorbildhaft abgeschnitten. Der Grund: in Finnland sind die Klassengrößen überschaubar (unter 20 Schüler), die Schüler können individuell gefördert werden.

Bayern hat bereits jetzt zu wenig Förster im Staatswald
Eine Untersuchung der Bayerischen Staatsforstverwaltung aus dem Jahr 2001 über die Auswirkungen der Forstreform 1995 ergab, dass schon damals deutlich über 1/3 der Revierförster ihre Reviere als zu groß empfunden haben. Insgesamt schätzten 40 % der Förster die Qualität ihrer Arbeit als unbefriedigend ein, sahen die Vorbildlichkeit gefährdet und befürchteten Fehlentwicklungen. 60 % der Förster stuften ihre Arbeit als noch befriedigend ein, was aber nicht vorbildlich bedeuten muss, wie es das Waldgesetz fordert.