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Wenn Flüsse fiebern: Atomkraft abschalten

Bund Naturschutz fordert angesichts der Sommerhitze schnellen Wandel der Energiepolitik

25.07.2006

Die Firma E.ON, Betreiberin des Atomkraftwerks Isar 1 in Ohu bei Landshut, hat auch in diesem Sommer beim Landratsamt Landshut eine befristete Aus-nahmegenehmigung beantragt, das Wasser der Isar durch den Kühlbetrieb des Reaktors bis auf 27 Grad Celsius erwärmen zu dürfen.
Auf wissenschaftlicher Grundlage wurde im Wasserrechtsbescheid von 1999 für den Betrieb von Isar 1 die höchste Flusstemperatur auf 25 Grad festgesetzt. Fische und andere Wasserlebewesen in der Isar müssen vor zu hohen, lebensbedrohenden Wassertemperaturen geschützt werden.
Da die Temperaturprobleme von E.ON hausgemacht sind, fordert der Bund Naturschutz schon vor Erreichung der Grenzmarke das Atomkraftwerk Isar 1 abzuschalten.
Der Schutz des Wassers hat Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen.


Verursacherprinzip schlägt zurück

Der "Jahrhundertsommer" 2003 und der "Jahrhundert-Juli" 2006 sind Folge des rasant beschleunigten Klimawandels, der durch den hohen Kohlenstoffdioxidausstoß der Industrieländer ausgelöst wird.
In Deutschland ist seit Jahrzehnten die Stromerzeugungsbranche der mit Abstand größte Abgassünder: rund 40% des Kohlendioxids kommt aus den Kaminen der Kraftwerke, mehr als aus dem Straßenverkehr und der Industrie zusammengenommen. Es entspricht auf makabre Weise dem Verursacherprinzip, wenn bei der großen Hitze den Kraftwerken mit dem schlechtesten Wirkungsgrad, den Atomkraftwerken, als ersten das Kühlwasser ausgeht.
Denn Atomkraftwerke wandeln nur ein Drittel der Atomenergie in Strom um, doppelt so viel Energie wird umweltbelastend in Flüsse und Atmosphäre (Kühltürme) abgegeben.

Das Verursacherprinzip darf nicht zulasten der Fische und anderen Flussle-bewesen umgangen werden.


Ungenutzte Kraftwerksabwärme größer als Gebäude-Heizung

Die jahrzehntelange falsche Kraftwerkspolitik hat dazu geführt, dass die Kraftwerke der Großversorger E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall die Umwelt gewaltig aufheizen, da sie mehr Wärmeenergie ungenutzt abgeben, als alle Haushalte, Firmen und Unternehmen Deutschlands zur Heizung benötigen.

Anders als in vielen EU-Ländern haben die deutschen Stromversorger vorrangig Kraftwerke ohne Abwärmenutzung errichtet, den Anteil der "kraft-wärme-gekoppelten" Anlagen aber von 25% auf 10% reduziert. (Zum Ver-gleich: in Holland oder Dänemark liefern Anlagen mit hoher Energienutzung - Strom und Wärme - 50% des Stroms)


Energiegipfel gibt falsche Zielrichtung vor

Beim Energiegipfel von Kanzlerin Merkel am 3. April 2006 hat die Stromwirtschaft ein immenses Ausbauprogramm für Kohle- und Gas-Großkraftwerke vorgelegt, das auf die Forderungen zum Klimaschutz keine Rücksicht nimmt: Die deutschen Stromversorger planen 18.000 MW fossiler Kraftwerke, nahezu ohne Abwärmenutzung, darunter in Bayern die Kraftwerke Irsching, Zolling und Dettelbach. An den beiden letzten ist auch die Nürnberger N-ERGIE beteiligt, die bisher die Kraftwärmekopplung (z.B. in Sandreuth) in den Vordergrund stellte.

Die von den Stromkonzernen geplanten fossilen Kraftwerke haben einen Wirkungsgrad von 50% oder geringer. D.h. mehr als die Hälfte des eingesetzten Brennstoffs geht über Wasserkühlung verloren. Die Flüsse werden weiter fiebern.

Wenn die Bundesregierung diesen Ausbau nicht stoppt, wandern Milliarden-investitionen für Jahrzehnte in die falsche Technologie. Dann ist der Klima-wandel nicht mehr zu stoppen. Dass die Bundeskanzlerin dieses Programm als "willkommene Investition begrüßt" hat, passt nicht zu den sonst auch von ihr gerne ausgesprochenen Forderungen nach mehr Klimaschutz.

Ein Comeback der Kohleverstromung und der fossilen Kraftwerke ohne Abwärmenutzung muss unbedingt vermieden werden. Deutschland hat bei der Kraft-Wärme-Kopplung einen gigantischen Nachholbedarf.

Die Bundestagsenquete-Kommission "Nachhaltige Energieversorgung" bezifferte 2002 "ein technisches Potential für die KWK-Stromerzeugung in der Bandbreite von 220 bis 380TWh", was einer Kraftwerksleistung von mindestens 75.000 MW entspricht. Kein Bedarf also an Kraftwerken ohne Abwärmenutzung.


Aktueller Strompreis: 2" - Solarstrom ist billiger

Während dieses Pressegespräch läuft, ist der Strompreis, zu dem Stromversorgungsunternehmen an der Leipziger Börse EEX einkaufen, von 4 Cent auf 2 Euro je Kilowattstunde emporgeschnellt (offizieller Preis für 25.7. 12 Uhr).

In vielen Teilen Deutschlands und Frankreichs fehlt wegen der hitzebedingten Drosselung der Atomkraftwerke bereits so viel Strom, dass nur noch teuerste Anlagen einspringen können. Gleichzeitig laufen stromfressende Klimaanlagen auf hohen Touren.

Solarstrom liefert in Deutschland zur Mittagsspitze derzeit eine Leistung von 1.400 MW (also bereits mehr als ein Atomkraftwerk), wird für ca. 50 Ct je Kilowattstunde (laut Erneuerbare-Energien-Gesetz) offenbar unter Wert eingespeist und dämpft damit den Strompreisanstieg.

Wäre in den zurückliegenden Jahrzehnten staatlicherseits nicht die Atomenergie sondern die Solarenergie vorrangig gefördert worden, sähe die Strombilanz bei Extremsituationen wie heute wesentlich entspannter aus.


Forderungen des Bund Naturschutz:

Der Bund Naturschutz fordert die Bayer. Behörden auf, keine Sondergenehmigungen mehr zum Betrieb von Atomkraftwerken zu erteilen, die die Umgebung unnütz aufheizen.

Der Bund Naturschutz fordert, den Bau fossiler Kraftwerke ohne Abwärmenutzung sofort zu stoppen, stattdessen eine Verdoppelung der Kraft-Wärme-Kopplung, die Beschleunigung der Gebäudesanierung, ein Markteinführungsprogramm für stromeffiziente Geräte und den Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht nur im Strombereich.

Der Bund Naturschutz wünscht sich, dass Deutschland, wie dies bei Wind- und Solarkraft bereits der Fall ist, auch bei der Energieeffizienz Weltmeister wird. Nicht nur die Umwelt, auch die heimische Wirtschaft und die Handelbilanz würden davon profitieren.


gez. Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des Bundes Naturschutz, gez. Dr. Ludwig Trautmann-Popp, Energiereferent

Bei Rückfragen: Tel. 0951/5190 609
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