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Augsburger Lech: Gutachten belegt dringende Notwendigkeit für Renaturierung

Projekt Licca Liber muss Naturschutz- und Wasserbaubelange gleichrangig berücksichtigen

06.11.2012

Eine von der Regierung von Schwaben bei der Universität für Bodenkultur Wien in Auftrag gegebene und bisher noch nicht veröffentlichte Studie zur Bewertung der ökologischen Situation des Lechs im Bereich Augsburg zeigt gravierende ökologische Schäden auf und empfiehlt dringend eine Renaturierung.
„Ökologisch intakte Fließstrecken an großen Flüssen sind in Mitteleuropa bereits eine ausgesprochene Rarität. Vom gesamten Lech in Bayern besteht in Augsburg die letzte Chance zur Erhaltung, Verbesserung und Wiederherstellung einer freien Fließstrecke. Diesem Ziel gilt aus naturschutzfachlicher Sicht, aber auch vor dem Hintergrund der EU-Wasserrahmen-richtlinie höchste Priorität“ schreibt Prof. Dr. Mathias Jungwirth in der Studie. Prof. Jungwirth hat in Österreich zahlreiche Erfahrungen mit Renaturierungen an großen Flüssen und kennt Probleme, die mit denen in Augsburg vergleichbar sind. Wichtig war für diese Projekte eine interdisziplinäre Leitbilderstellung und eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten.
Günther Groß, Sprecher der Lechallianz fordert daher: „Umweltminister Huber muss nun mit dem angekündigten Projekt Licca Liber beginnen. Grundlage für die Renaturierungsplanungen darf nicht nur die wasserbauliche Studie der TU-München sein, sondern muss auch eine umfangreiche ökologische Betrachtung der Situation im Naturschutzgebiet Augsburger Stadtwald sein. Einseitige Vorfestlegungen durch die Wasserwirtschaft darf es nicht geben.“
Thomas Frey, Regionalreferent für Schwaben beim Bund Naturschutz ergänzt: „Die Trägerschaft eines Licca Liber-Projektes darf nicht allein bei der Wasserwirtschaft liegen, sondern muss gemeinsam von Naturschutz- und Wasserwirtschaftsverwaltung übernommen werden.
Laut Jungwirth würde eine Entscheidung für ein Wasserkraftwerk zum jetzigen Zeitpunkt die Renaturierungsmöglichkeiten stark beschneiden.
Eberhard Pfeuffer, Vorstandsmitglied der BN-Kreisgruppe Augsburg stellt deshalb klar: „Ein Wasserkraftwerk hat keinen Platz in einem renaturierten Lech. Im Augsburger Stadtwald muss der Naturschutz Vorrang haben.“


Die Lechallianz, ein Bündnis von zahlreichen Verbänden, das sich für eine Renaturierung des Lechs einsetzt, hatte mit Hinweis auf das Umweltinformationsgesetz bei der Regierung von Schwaben um Einblick in die Studie gebeten.
Unter dem Titel „Bewertung naturschutzfachlicher Potenziale geplanter Gewässerausbauten am Lech“ analysiert Prof. Dr. Mathias Jungwirth zunächst die Defizite des Augsburger Lechs:
„Aktuell bestehen vielfältige Defizite im gesamten Lech-Auensystem. (…) Praktisch alle Lech-Lebensräume und in Folge auch alle Lech-Lebensgemeinschaften sind stark degradiert (…). Die wichtigsten abiotischen Defizite betreffen v. a. den Geschiebehaushalt, die Sohleintiefung und damit Entkoppelung der Niveaus von Fluss und Aue, die Hydromorphologie und Konnektivitätsverhältnisse, die Struktur- und Habitatvielfalt. Als charakteristische biotische Defizite können Artenausfall, Rückgang von Pionierarten, Überhandnehmen von Klimaxgesellschaften zufolge unzureichender Verjüngungsprozesse, reduzierte Vitalität, abnehmende Biodiversität gelten. Nichts desto trotz finden sich bei vielen Arten Restpopulationen, die ein hohes Potential für die Wiederbesiedelung darstellen.“

Deshalb empfiehlt Prof. Jungwirth u.a. folgende Maßnahmen:

  • Entfernung von Längs- und Querbauwerken (also Sohlschwellen und Seitenverbauung). Aufweitung des Flusses, um Platz für Kies-Umlagerungsbereiche zu geben.
  • Rückversetzung der Dämme und damit Wiederherstellung der Überschwemmungsmöglichkeiten für die Lechauen.
  • Bekämpfung der Sohleintiefung durch größtmögliche Wiederanhebung der Flusssohle und damit des Grundwasserspiegels . Dabei sollten folgende Möglichkeiten geprüft werden: Flussaufweitung, Geschiebedotation, Geschiebeeintrag aus Seitenerosion, Grobkornzugabe.
  • Wiederherstellung der Durchgängigkeit für Fische

Diese Forderungen entsprechen auch den von der Lechallianz immer wieder vorgebrachten Zielsetzungen für eine Lechrenaturierung. Eine Entscheidung für ein Wasserkraftwerk zum jetzigen Zeitpunkt wird vom Gutachter als unvertretbar gesehen:
„Eine dem Gesamtkonzept vorgezogene Planung und Umsetzung eines Kraftwerk-Projektes wäre in diesem Sinne quasi ein Widerspruch in sich, eine Präjudizierung und damit unvertretbare Festlegung und Einengung des Planungsspielraumes.“

Die Lechallianz und der Bund Naturschutz sehen für ein erfolgreiches licca liber-Projekt folgende Grundbedingungen:

  • Zu Beginn des Prozesses muss eine interdisziplinäre Leitbilderstellung stehen. Es darf keine einseitigen Vorfestlegungen von Seiten der Wasserwirtschaft oder anderer wirtschaftlicher Belange geben.
  • Ein detailliertes ökologisches Gutachten muss parallel zum jetzt veröffentlichten wasserwirtschaftlichen Gutachten der TU die Notwendigkeiten aus Sicht des Naturschutzes erarbeiten.
  • Das Projekt licca liber braucht eine gemeinsame Trägerschaft von Wasserwirtschaft und Naturschutzverwaltung. Nur dann kann beiden Belangen gleichmäßig Rechnung getragen werden. Dem Naturschutz ist am Lech wegen seines Schutzgebietsstatus eine höhere Wertigkeit einzuräumen als an der Wertach.


Für Rückfragen:

Thomas Frey, Bund Naturschutz, Regionalreferent für Schwaben
Tel: 089-548298-64 oder 0160-95501313; thomas.frey@bund-naturschutz.de

Günther Groß, Sprecher der Lechallianz, 08231-348191, guenther.gross@maxi-bayern.de