BN fordert bayernweites Moratorium und Alternativenprüfung bei neuen Klärschlammverbrennungsanlagen
In Bayern werden derzeit zahlreiche neue Klärschlammverbrennungsanlagen geplant. Eine große Anlage soll in Gersthofen bei Augsburg entstehen. Der BUND Naturschutz (BN) kommt dabei zu folgender Bewertung:
„Bayern braucht nachhaltige Lösungen für die Behandlung und Verwertung von Klärschlamm“, erklärt der BN-Landesbeauftragte Martin Geilhufe. „Wir fordern von der bayerischen Staatsregierung ein Moratorium für den Aus- und Neubau von Klärschlammverbrennungsanlagen. Ziel müssen geschlossene Stoffkreisläufe, eine Minimierung der Schadstoffbelastung für die Umwelt und Klimaneutralität sein. Mit dem Bau von Klärschlammverbrennungsanlagen in ganz Bayern können diese Ziele nicht erreicht werden.“
„Bayern begibt sich derzeit in eine Einbahnstraße. Stehen die Verbrennungsanlagen einmal, kann kaum mehr auf nachhaltigere Verfahren umgestellt werden“, ergänzt Waltraud Galaske, Sprecherin des BN-Landesarbeitskreises Abfall. „Durch die zahlreichen aktuellen Planungen in Bayern drohen sogar Überkapazitäten.“
„Bei der Verbrennung von Klärschlamm wird eine Vielzahl von Schadstoffen in die Umwelt abgegeben. Gewässer können belastet werden. Außerdem kann es zu einer Anreicherung von umweltschädlichen Stoffe in Böden, Pflanzen oder Tieren kommen“, berichtet Peter Hirmer, Sprecher des BN-Landesarbeitskreises Wasser.
Johannes Enzler, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Augsburg fordert daher die Regierung von Schwaben auf, die Klärschlammverbrennungsanlage Gersthofen nicht zu genehmigen. „Im Antrag der Gersthofener Klärschlammverbrennung sind noch zu viele Fragen ungeklärt. Daher fordern wir auch im Genehmigungsverfahren für diese Anlage ein Moratorium“.
Hintergrund für den Bauboom bei Klärschlammverbrennungsanlagen ist die Pflicht für die Betreiber von Kläranlagen bis 2029 (Großanlagen) und 2032 (mittlere Anlagen) Phosphor rückzugewinnen. Das Verfahren, Phosphor aus der Asche rückzugewinnen, wird derzeit als einfachste Lösung propagiert.
Der BUND Naturschutz hält dieses Verfahren allerdings für nicht nachhaltig und fordert ein Umdenken bei der Abwasserbeseitigung und der Klärschlammverwertung und -entsorgung. Klärschlämme enthalten zahlreiche wertvolle Pflanzennährstoffe, die im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft wiederverwertet werden sollten. Hierzu ist es aber notwendig, dass die weitgehende Schadstofffreiheit von Klärschlämmen sichergestellt wird.
Eine Verbrennung von Klärschlämmen ist sowohl aus Klimaschutzgründen als auch im Hinblick auf die Schadstofffreisetzung keine nachhaltige Lösung für die Zukunft.
Folgende zentrale Aspekte haben zu der Bewertung des BN geführt:
- Klärschlammverbrennung ist nicht schadstoffneutral. Über Stäube und Abgase gelangen Schadstoffe in die Luft.
- Klärschlammverbrennung ist klimaschädlich, sie setzt Klimagase frei. Zudem ist die CO2-Bilanz für den Gesamtprozess negativ.
- Klärschlammverbrennung verhindert die Rückführung wertvoller Rohstoffe wie Stickstoff, Kalium, Magnesium und Huminstoffe in den Nährstoffkreislauf.
- Klärschlammverbrennung ist nicht dezentral umsetzbar und erzeugt deswegen zusätzlichen CO2-Ausstoß und zusätzliche Verkehrsbelastung in den Regionen, in denen die Anlagen gebaut werden.
- Für das Phosphor-Recycling aus Klärschlammasche ist noch kein wirtschaftlich konkurrenzfähiges Verfahren nachgewiesen.
- Die Pflanzenverfügbarkeit des Phosphors aus der Asche ist noch nicht einschätzbar.
Deshalb fordert der BN die bayerische Staatsregierung auf:
- Stellen Sie eine landesweite Planung zur Verwertung von Klärschlämmen unter Beteiligung der Öffentlichkeit auf. Berücksichtigen Sie dabei auch Faktoren wie Herkunft der Klärschlämme, Transportkonzept, Klimawirksamkeit, Umweltverträglichkeit, usw.
- Legen Sie ein Programm für die Entwicklung und Förderung von innovativen Abwassersystemen auf.
- Setzen Sie sich für die konsequente Vermeidung von Schadstoffeinträgen in den Abwasserstrom ein.
- Durch Separierung oder Reinigung am Ort des Abwasseranfalls.
- Durch verschärfte Zulassungsverfahren für neue Stoffverbindungen und ein Einleitungsverbot von nicht abbaubaren Stoffen.
- Durch Regelungen zur Medikamentenrücknahme oder zur Rezeptpflicht für bisher rezeptfreie, umweltschädliche Arzneimittel (z. B. Diclofenac).
- Durch Beteiligung der Hersteller an Beseitigungskosten von Schadstoffen und schadstoffbelasteten Klärschlämmen.
4. Setzen Sie sich aktiv und intensiv für eine durchgängige Ökologisierung der Landbewirtschaftung, des Einkaufs- und Konsumverhaltens ein. Dazu soll die gesamte „öffentliche Hand“, inklusive der mittelbaren Staatsverwaltung, zu einer durchgängig umfassenden vorbildhaft ökologischen und fairen Praxis bei Einkauf, Beschaffung und Vergabe verpflichtet werden.
5. Setzen Sie sich für die landwirtschaftliche Verwertung von unbedenklichen Klärschlämmen ein.
6. Prüfen und fördern Sie innovative Verwertungsmöglichkeiten für Klärschlämme, die nicht mehr für die landwirtschaftliche Verwertung geeignet sind.
7. Fordern Sie für bestehende Anlagen zur Klärschlammverbrennung oder zur Mitverbrennung von Klärschlamm bis zur Realisierung von Kreislauflösungen jeweils die „best verfügbare Technik“ zur Verminderung von Schadstoffausträgen.
8. Setzen Sie sich dafür ein, dass die Planung und der Betrieb der Klärschlamm-Entsorgung in öffentlicher Hand bleibt.
Dem BN sind derzeit Planungen für Klärschlammverbrennungsanlagen an folgenden Standorten bekannt: Gersthofen (Lkr. Augsburg), Straubing, Breitenhart (Lkr. Straubing-Bogen), Nürnberg, Schweinfurt, München, Großheirath (Lkr. Coburg), Zolling (Lkr. Freising).
Eine große Klärschlammverbrennungsanlage soll in Gersthofen bei Augsburg entstehen. Die Kapazität würde ausreichen um große Teile der in Nordschwaben anfallenden Klärschlämme dort zu verbrennen.
Der BN hat im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Verfahrens zur Klärschlammverbrennungsanlage in Gersthofen umfangreiche Einwendungen vorgebracht.
Die ausführliche Stellungnahme zur Klärschlammverbrennung Gersthofen finden sie unter diesem Link.
Der BN fordert die bayerische Staatsregierung auf, durch geeignete Maßnahmen ein sofortiges Moratorium, also den Stopp für alle derzeitigen Planungen und Genehmigungsverfahren für die Schaffung weiterer Klärschlammverbrennungsanlagen zu erreichen.
Weitere Hintergrundinformationen zum Thema Klärschlammverbrennung in Bayern finden Sie hier.