„BREITWASSER STATT HOCHWASSER“
Die derzeitige Hochwasserkatastrophe in vielen bayerischen Regionen ist für die Betroffenen erschütternd. Der BUND Naturschutz begrüßt die großen Hilfsmaßnahmen und hofft, dass damit noch schlimmere Verwüstungen verhindert werden können. Sicherlich sind die extremen Niederschläge der vergangenen Wochen hauptverursachend, die von vielen Klimaforschern als Folge der Klimaveränderung gesehen werden. Bei der Ursachenanalyse und den erforderlichen Maßnahmen für die Zukunft verweist der BN allerdings auf seine seit Jahren erhobenen und nicht erfüllten Forderungen:
„In Bayern muss es endlich einen klaren Vorrang für den ganzheitlichen, flächendeckenden und ökologischen Hochwasserschutz geben“, so BN-Landesvorsitzender Hubert Weiger.
„Für den Wasserrückhalt in der Fläche, z.B. den Moorschutz, wird zu wenig Geld ausgegeben. Ein nachhaltiges, ökonomisch und ökologisch sinnvolles Gesamtkonzept für die Sicherung eines intakten Landschaftswasserhaushaltes fehlt“, so Weiger. Gepaart mit falscher Siedlungs- und Verkehrspolitik sei dies angesichts zunehmender Extreme und Starkniederschläge durch die Klimaerwärmung eine gefährliche Entwicklung.
Der BUND Naturschutz fordert daher einen absoluten Vorrang des ökologischen Hochwasserschutzes durch Schutz und Reaktivierung von Flüssen und Auen, eine echte Klimaschutz- und Verkehrsvermeidungs-Politik, einen konsequenten Rückhalt von Wasser im Einzugsgebiet der Flüsse durch Reduzierung der Flächenversiegelung und gerade in Südbayern durch Schutz der Moore sowie eine bodenschonenendere Land- und Forstwirtschaft. Technischer Hochwasserschutz sei dabei durchaus als wichtige Ergänzung für den unmittelbaren Siedlungschutz nötig.
„Hochwasserschutz in Bayern wird von der bayerischen Staatsregierung bislang eher durch teure technische Großprojekte definiert. Doch Beton, Polder und noch eine Erhöhung der Deiche können die Bevölkerung vor einer erneuten Flut nicht wirklich schützen und verlagern die Probleme zu den Unterliegern. Der ökologische Hochwasserschutz, bespielsweise die Rückverlegung von Deichen und Reaktivierung natürlicher Hochwasserräume wie der Auen oder Moore geht dabei unter“, kritisiert der BN-Landesbeauftragte Richard Mergner.
Der BN fordert die bayerische Staatsregierung, aber auch alle Kommunen auf, in der bayerischen Hochwasserschutz-Politik umzusteuern und den Schwerpunkt auf einen ganzheitlichen ökologisch und ökonomisch dauerhaft tragfähigen Hochwasserschutz zu legen – vor dem nächsten Hochwasser.
Zentrale Defizite in der Hochwasserschutzpolitik
Der Freistaat Bayern investierte bislang vor allem in höhere Deiche, obwohl diese für Anwohner nur eine trügerische Sicherheit bieten und den Abfluss für die Unterlieger verschärfen. Es fehlt ein Gesamtkonzept für die Flüsse und ihre Zuflüsse mit ihrem gesamten Einzugsgebieten. In den bayerischen Alpen wird Bergwald für den Skisport gerodet, obwohl dieser wichtig für den Wasserrückhalt ist und obwohl der „Bergwald-Beschluss“ des Bayerischen Landtages Bergwald-Rodungen eigentlich verbietet.
Wirklich positive Beispiele eines ganzheitlichen und damit auch ökologischen Hochwasserschutzes sind dagegen rar.
Dazu gehört für den BN v.a. die Reaktivierung von natürlichen Wasserrückhalteräumen in Auen, in Mooren und in der gesamten Landschaft (Mulden etc.). Beispielhaft sind hierfür die teilweise bereits durchgeführten und weitere geplante Deichrückver -legungen an der mittleren Isar. Der Auwald zwischen München und Freising hatte beim Hochwasser 2005 den Scheitelabfluss um 180 m³, d.h. ca. 20% des Gesamtabflusses verringert und das Hochwasser verzögert.
Der ökologische Hochwasserschutz ist zwar eine der drei Säulen des Bayerischen „Hochwasserschutzkonzeptes 2020“ (vorgestellt im Jahr 2001), „doch diese Säule ist sehr schwach und existiert hauptsächlich in den Reden, nicht jedoch in der Praxis.“ kritisiert der BN. Das gleiche Schicksal hat offensichtlich das bayerische Auenprogramm, das ebenfalls hervorragende Grundlagen erarbeitet hat und nun der Umsetzung, d.h. einer aktiven systematischen Förderung neuer Projekte harrt. Auch für die Moorentwicklung haben die bayerischen Behörden mit dem Moorentwicklungskonzept sehr gute Fachgrundlagen geschaffen, doch die Moorrenaturierung wird in Bayern nicht aus Hochwasserschutz-Geldern finanziert.
Wie nötig Deichrückverlegungen und die Rückgewinnung von Retentionsraum sind, zeigen die Zahlen zum Verlust an den deutschen Flüssen: sie haben nur noch rund 20% ihrer früheren natürlichen Überschwemmungsfläche. Ursachen dafür sind Flussbegradigungen, Deichbauten, Verkehrswege, Staustufen und die Ausweisung von Bau- und Gewerbegebieten. 90 % der Fließgewässer in Bayern sind verbaut. Mit einer Deichrück- verlegung gewinnen der Hochwasserschutz und die Aue, deren Lebensräume weitgehend zerstört und gefährdet sind. Die Aue ist vom Fluss und von Hochwasser geprägt, ihre Lebensräume sind auf den Wechsel von Hoch- und Niedrigwasser angewiesen. Die natürliche Überflutung von Auen entschärft die Hochwasser- gefahren für die Menschen und belebt die Lebensräume der Aue.
Das Grundproblem am ganzheitlichen ökologischen Hochwasserschutz ist der Flächenbedarf. Der BN fordert deshalb verstärktes finanzielles und personelles Engagement der Staatsregierung beim Flächenerwerb und bei nötiger Entschädigung. Einen weiteres zentrales Defizit sieht der BN nach wie vor in der Bauleitplanung. „Es darf nicht sein, dass weiterhin in Überschwemmungsgebieten neue Schadenspotentiale geschaffen werden, die die Allgemeinheit später bezahlen muss“. Der BN fordert eine Überprüfung aller Flächennutzungspläne auf ihre Vereinbarkeit mit den Überschwemmungsgebieten und den überschwemmungsgefährdeten Gebieten.
Für Rückfragen:
BN Landesbeauftragter Richard Mergner
Tel.: 0911-8187825 oder 0171-6394370