CDU/CSU riskiert finanzielles Desaster für den Freistaat
Die Forderung von CDU-Fraktionschefin Angela Merkel und des parlamentarischen Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag Peter Ramsauer, die von der EU bis September geforderte " und in Bayern morgen mit einem landesweiten Dialogverfahren des Umweltministeriums beginnende - Nachmeldung von europäischen Schutzgebieten nicht zu vollziehen, ist an politischer Kurzsichtigkeit nicht zu überbieten. Deutschland ist vom Europäischen Gerichtshof bereits wegen Verzögerung der Gebietsmeldung verurteilt und die EU droht dann neben einer Strafzahlung von 800.000 " pro Tag (!) EU-Fördermittel im Agrarbereich und bei Infrastrukturprojekten auszusetzen. Die Größenordnung der damit für Bayern gefährdeten EU-Mittel liegt bei ca. 1,2 Milliarden " pro Jahr! Hubert Weiger, Vorsitzender des BN: "Nur der drohende Rechtsbruch gefährdet die bayerischen Bauern und die bayerische Wirtschaft, nicht der Vollzug dieer Richtlinie. Wir unterstützen deshalb den bayerischen Umweltminister Schnappauf, der im Interesse gerade auch der von EU-Mitteln abhängigen bayerischen Landwirte endlich klar für eine rechtskonforme Umsetzung der EU-Richtlinie eintritt und fordern den Ministerpräsidenten auf, hier kein in Europa beispielloses politisches Harakiri zu riskieren!"
Bereits am 24.2.1999 leitete die EU-Kommission gegen Deutschland wegen mangelhafter Gebietsmeldungen Klage beim Europäischen Gerichtshof ein. Am 11.9.2001 erfolgte die Verurteilung. Die EU-Kommission macht nun die Einleitung des der Verurteilung folgenden Bußgeldverfahrens - von 800.000 " pro Tag und rückwirkend ab 2001 vom Steuerzahler aufzubringen - nur noch davon abhängig, dass bis September 2004 als letzte Frist in ausreichendem und der EU-Richtlinie entsprechendem Umfang Gebiete nachgemeldet werden. Bereits im Frühjahr 2000 hatte die EU-Kommission klargemacht, dass nach europäischer Rechtslage bei Nichteinhaltung von zentralen EU-Richtlinien Fördermittel im Bereich Infrastrukturprojekte und Landwirtschaft ausgesetzt werden. Dies sind u.a. die Mittel der EU für Agrar- und Naturschutzförderprogramme des Freistaates, von der Tier- und Getreideprämie, KULAP, Vertragsnaturschutzprogramm bis zu Investitionsbeihilfen: es handelt sich um jährlich 993 Millionen ", die dann die bayerische Landwirtschaft verlieren würde. Das wäre der schlagartige Ruin praktisch aller landwirtschaftlicher Betriebe Bayerns, deren Einkommen entscheidend an diesen Förderungen hängt!
Die gefährdeten Mittel aus dem EU-Strukturfonds (darunter Hilfen für strukturschwache Gebiete an der Landesgrenze, Regionalförderungen wie Interreg und Leader) betragen für den Zeitraum 2000 bis 2006 nach Angaben des Bayerischen Wirtschaftsministeriums rund 950 Mio ".
Die Gegenrechnung des MdB Ramsauer von einem vermeintlichen Wertverlust landwirtschaftlicher Grundstücke bei Bankgeschäften ist gegenstandslos, wie zahlreiche klare Aussagen von Banken gegenüber dem Freistaat belegen und angesichts der riskierten Größenordnungen der EU-Fördermittel lächerlich. Ganz im Gegenteil: gerade durch die zu erwartende Konzentration von EU-Fördergeldern auf Natura 2000-Gebiete werden diese in Zukunft einen sichereren Beleihungswert darstellen als die übrigen landwirtschaftlichen Flächen!
Das politische Langzeitgedächtnis von Frau MdB Merkel und Herrn MdB Ramsauer ist zudem nicht besonders ausgeprägt: sie rufen zum Rechtsbruch einer EU-Richtlinie auf, die 1992 unter deutscher EU-Präsidentschaft nach fünfjähriger Diskussion im Rat und im europäischen Parlament entstand, mit einstimmigem Beschluss der Minister aller Mitgliedstaaten. Die Federführung hatte der damalige CDU-Umweltminister Klaus Töpfer, Amtsvorgänger der ehemaligen Umweltministerin Merkel, die sich damals selbstverständlich stets für die Richtlinie eingesetzt hatte. 1992 stimmte die Bundesregierung, damals bekanntlich mit der CSU in Regierungsverantwortung zu, 1988 das Land Bayern im Bundesrat. Der bayerische Landtag beschloss 1995 und ähnlich 2000: "die Staatsregierung wird ersucht darauf hinzuwirken, dass die Umsetzung der FFH-Richtlinie in nationales Recht mit Nachdruck vorangetrieben wird und dass die Länder noch im Jahr 1995 Schutzgebiete an den Bund melden". 1998 übernahm die CSU-Landtagsfraktion einstimmig die FFH-Richtlinie als zentralen neuen Bestandteil in das novellierte Bayerische Naturschutzgesetz. An der Richtlinie hat sich inhaltlich seit Erlass vor zwölf Jahren und 16 Jahre nach der ausdrücklichen Zustimmung Bayerns kein Federstrich geändert " jetzt wo alle europäischen Staaten endlich in der Schlussphase ihrer Gebietsmeldungen sind und das CDU-regierte Hessen mit 20% der Landesfläche das Doppelte von Bayern meldet, soll nach den Vorstellungen des CSU-MdB Bayern ausscheren.
Der BN wird nicht zulassen, dass das Schutzgebietssystem Natura 2000 als Herzstück des Naturschutzes im zusammenwachsenden Europas unterlaufen wird.
Hubert Weiger: "Frau Merkel hat jetzt ihr wahres Gesicht als "Umweltpolitikerin" gezeigt und sich erschreckend disqualifiziert. Der offene Aufruf zum Rechtsbruch von zentralen EU-Richtlinien aus den Reihen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nur Wochen nach der historischen EU-Erweiterung ist ein verheerendes Signal an die neuen Mitgliedsstaaten. So hat z.B. Slowenien 38% der Landesfläche als FFH-Gebiete ausgewiesen, auch weil sie genau wissen, dass sich dort zukünftig EU-Fördergelder konzentrieren werden."