„Das wird der Musterfall für eine Klimaschutzklage in Bayern“
Der BUND Naturschutz hat entschieden, die umstrittene Planung zur Ortsumfahrung Dinkelsbühl zu einem bayernweiten Musterfall für den Klimaschutz im Verkehr zu machen.
Seit dem 17. Dezember 2019 gibt es in Deutschland ein Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG), das starke Reduktionen beim CO2-Ausstoß verpflichtend macht. Das Gesetz gibt dem Bund einen rechtlich verbindlichen Handlungsrahmen vor, innerhalb dem Minderungsziele und Jahresbudgets für einzelne Sektoren, wie die Energiewirtschaft oder den Verkehr, bis zum Jahr 2030 festgelegt worden sind. Das Bundesverkehrsministerium unter Minister Andreas Scheuer (CSU) hat seit Jahren nichts getan, um die CO2-Emissionen des Verkehrs zu reduzieren. Alle anderen Bereiche wie Industrie, Energiewirtschaft oder Haushalte haben begonnen, den Ausstoß zu reduzieren.
Erst am 29.4.2021 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mehrere Klimaklagen für teilweise begründet erklärt. Das BVerfG erklärt die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klima-Abkommens mit seinem Urteil letztlich für verfassungsrechtlich verbindlich. Die grundrechtliche Freiheit und das Staatsziel Umweltschutz verpflichteten den Gesetzgeber, einen vorausschauenden Plan zu entwickeln, um mit den noch möglichen Restemissionen sorgsam umzugehen. Das sei mit dem jetzigen Klimagesetz der Bundesrepublik Deutschland nicht gewährleistet, wenn keinerlei konkrete Planung für die Zeit nach 2030 stattfinde, da überdies fast das gesamte Budget nach der bisherigen Klimapolitik bis 2030 aufgebraucht sein werde. Die Klimapolitik muss also jetzt stark beschleunigt werden.
„Wir wollen erstmals in einem Klageverfahren gegen einen Straßenneubau die damit verbundenen Erhöhungen beim CO2-Ausstoß und deren Vereinbarkeit mit dem Klimaschutzgesetz gerichtlich prüfen lassen. Das laufende Klageverfahren gegen die Ortsumfahrung Dinkelsbühl bietet sich besonders an, weil hier nicht nur die klimafreundliche Bahn zur Reaktivierung kommen soll, sondern auch eine klimaschonendere Straßenalternative an der Bahnlinie entlang besteht“, so Martin Geilhufe, Landesbeauftragter des BN. „Wir betreten hier juristisches Neuland und setzen dafür auch erhebliche Finanzmittel ein“, so Geilhufe.
„Wir freuen uns über diese Unterstützung unseres langjährigen Kampfes gegen die Umfahrung. In allen Debatten und in allen Verfahrensschritten haben wir immer wieder darauf hingewiesen, dass mit dem Bau auch die Klimakrise verschärft würde. Und wir haben immer wieder die klimaschonenden Alternativen vorgebracht. Das interessierte aber das Staatliche Bauamt und die Genehmigungsbehörde, die Regierung von Mittelfranken, nicht“, so Paul Beitzer, 1. Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Ansbach aus Dinkelsbühl.
„Statt in dem soeben gelaufenen Ergänzenden Planfeststellungsverfahren Fehler in der Planung zu heilen, hätte das Bauamt auch den Grundfehler angehen können, nämlich die Planung an sich in Frage zu stellen. Leider hat sie die Möglichkeit vertan. Der Bau ist nicht mehr gerechtfertigt“, so Stefan Klein, BI Mutschachfreunde.
Seit Mai 2019 klagt der BUND Naturschutz mit Unterstützung der BI Mutschachfreunde gegen den im Jahr 2019 erlassenen Planfeststellungsbeschluss, mit dem der Bau der 3,5 km langen Umfahrung von Dinkelsbühl genehmigt wurde. Die Klage führte dazu, dass der Bau nicht begonnen wurde. Der damit verbundene große Flächenverbrauch, die Zerstörung des Naherholungsgebietes Mutschach, die Beeinträchtigungen des Grundwassers und die Beeinträchtigungen von bedrohten Arten wie Rebhuhn, Laubfrosch, Knoblauchkröte und Co. waren und sind für den BN gute Gründe, gegen das Vorhaben vor Gericht zu gehen.
Bisher konnte der Klimaschutz nicht vor Gericht gebracht werden, weil es trotz internationaler Verpflichtungen und europäischer Vereinbarungen in Deutschland kein Klimaschutzgesetz gab. Das ist nun anders. Deutschlandweit gab es noch kein Klageverfahren, in dem geprüft wurde, ob der immer weiter voranschreitende Bundesfernstraßenbau dem Klimaschutzgesetz entspricht.
Die Möglichkeit, das Thema Klimaschutz im Klageverfahren zur Ortsumfahrung Dinkelsbühl einzuführen, hat das Staatliche Bauamt selbst herbeigeführt: Weil die BN-Klage durchaus Aussicht auf Erfolg hatte, besserte das Bauamt die Planung nach und die Regierung von Mittelfranken erließ am 30.11.2020 willfährig einen Ergänzenden Planfeststellungsbeschluss. Dabei übersahen das Bauamt und auch die Regierung, dass mittlerweile das Klimaschutzgesetz beachtet werden muss. Weder wurden aber die Auswirkungen des Baues (z. B. Beton für Brücken, Aufschütten von Dämmen, Verbrauch Asphalt) noch des Betriebes der Straße (z. B. Mehrverkehr, höhere Geschwindigkeiten) unter Klimaschutzgesichtspunkten betrachtet oder in die Abwägung aller Belange eingestellt. Da sich die klimafreundlicheren Alternativen geradezu aufdrängen, ist das Vorgehen des Bauamtes und der Genehmigungsbehörde überhaupt nicht nachzuvollziehen.
In einer ergänzenden Klageschrift hat der BN - neben einigen weiteren rechtlichen Punkten - das Thema Klimaschutzverträglichkeit dem Verwaltungsgerichtshof in München (VGH) soeben vorgelegt. Der BN sieht hier einen Verstoß gegen § 13 Klimaschutzgesetz.
Die bayerische Landesanwaltschaft, die rechtliche Vertretung der Regierung von Mittelfranken, hat das VGH zwischenzeitlich um Terminverlängerung für ihre Erwiderung gebeten, weil diese „eine gutachterliche fachliche Bewertung“ erfordere.
Im Sektor „Verkehr“ müssen gemäß Klimaschutzgesetz in Verbindung mit im Zeitraum 2020 bis 2030 sukzessive absinkende Jahresemissionsmengen erreicht werden. Im Verkehrssektor sollen die CO2-Äquivalente von 150 Mio. Tonnen auf 95 Mio. Tonnen (minus 36,6%) abgesenkt werden. Der motorisierte Straßenverkehr ist für 94 Prozent der Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors verantwortlich.
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Tom Konopka
Regionalreferent für Mittel- und Oberfranken
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