Die bayerische Heimat bewahren - das größte Problem Flächenverbrauch jetzt lösen
Bayern ist mit der Ausweisung von Wohn-, Gewerbe- und Verkehrsflächen derzeit Spitzenreiter mit über 28 Hektar Flächenverbrauch pro Tag. Die Landschaft wird zersiedelt und verschandelt, der Boden täglich mehr zubetoniert. Nicht zuletzt als Folge davon sind Jahrhunderthochwässer mittlerweile ein fast jährliches Ereignis. Gleichzeitig verliert Bayern sein Gesicht und mit der Zerstörung der landwirtschaftlichen Flächen ein Potential für nachhaltig umweltverträgliche Entwicklung. Mit der kommunalen Konkurrenz bei der Flächenausweisung sind Fehlinvestitionen und weitere kommunale Verschuldung vorprogrammiert.
Seit dem ersten europäischen Naturschutzjahr im Jahr 1970 wurden in den alten Bundesländern rund 11 Milliarden Quadratmeter Land, meist landwirtschaftlich nutzbarer Boden verbraucht. Von den 35 Millionen Hektar in Deutschland werden 4,2 Millionen oder 11,8 Prozent als Siedlungs- und Verkehrsfläche genutzt. Die neuen Bundesländer ziehen im Flächenverbrauch nach. Allein die überörtlichen Straßen von der Autobahn bis zur Kreisstraße sind in diesem Zeitraum zusammen mit dem Straßennetz in den neuen Bundesländern um 68.000 Kilometer auf eine Länge von 231.000 Kilometer erweitert worden. In Bayern gab es in diesem Zeitraum ein Wachstum um 4500 auf rund 42.000 Kilometer im Jahr 2000. In nur 18 Jahren (1979 bis 1997), das heißt in nicht einmal einer Generation, wurde die bayerische Siedlungsfläche um 51 Prozent dramatisch ausgeweitet. Trotz aller aktueller politischer Aussagen der Staatsregierung zum Schutz der Landschaft und einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung , insbesondere von Ministerpräsident Edmund Stoiber und Umweltminister Werner Schnappauf, ist eine Trendwende nicht in Sicht.
Der Bund Naturschutz fordert, für die aktuelle Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms eine deutliche Umkehr bei der Wohngebietsausweisung und der Gewerbeflächenpolitik mit dem Ziel, ab 2015 keine neuen Flächen zu bebauen oder in dem Maß des Neubaus an anderer Stelle versiegelte Flächen zu renaturieren. Dies erfordert Vorrang für Flächenrecycling, Nachverdichtung und Umnutzung, Maßnahmen gegen die kommunale Konkurrenz bei Gewerbegebietsausweisungen und ein Ende des Straßenneubaus.
Bauland- und Gewerbegebietsausweisung boomen
Gigantomanie bei der Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten lässt sich in allen Regierungsbezirken feststellen. Wohngebiete mit freistehenden und damit besonders flächenverbrauchenden Einfamilienhäusern werden sowohl in den "Speckgürteln" in den Randbereichen der Ballungsräumen aber auch auf dem Land in großem Umfang ausgewiesen. Die Ansiedlung von Gewerbegebieten an Autobahnen und Bundesstraßen führt langfristig zur Maximierung des PKW- und LKW-Verkehrs und verhindert die Umorientierung auf den Gütertransport mit der umweltfreundlicheren Bahn.
Einige gravierende Beispiele, die in allen Regionen Bayerns zu finden sind:
Oberbayern
- Landkreis München (Neubiberg, Infineon, Taufkirchen, Ikea)
- Landkreis Landsberg (Iglinger Str. 300 ha)
- Landkreis Eichstätt ("Interpark; ca. 200 ha)
- Landkreis Freising (Stadt Freising, Clemensänger, 20 ha, Neufahrn, Am Römerweg, 38 ha)
- Ein noch nicht entschiedener Konfliktfall in der Region München ist die im neuen Landesentwicklungsprogramm geplante Vorrangfläche am Flughafen München von ca. 1500 Hektar für Gewerbegebiete und die Flughafenerweiterung (u.a. 3. Startbahn).
Niederbayern
- Landkreis. Straubing-Bogen ("Hafen", "Bogen", "Geiselhöring"; zus. 320 ha)
- Landkreis Passau (Aicha vorm Wald, 10 ha)
Schwaben
- Stadt Augsburg ("Nordwest", "Süd-West", "West"; Gersthofen)
- Landkreis Lindau ( "An der Autobahn" u.a., 7 ha)
Mittelfranken
- Stadt Nürnberg, Lkr. Nürnberger Land, Lkr. Roth ("Gewerbepark Feucht" mitten im Reichswald)
- Landkreis Erlangen-Höchstadt (Gewerbegebiete "Am Langgraben" und "Am Läusberg", Adelsdorf")
- Landkreis Nürnberger Land (Autohof und Gewerbegebiet Schnaittach)
- Landkreis Roth (Gewerbegebiet auf der grünen Wiese an der A9)
Unterfranken
- Landkreis Kitzingen ("Mainfrankenpark" und "Dettelbach-Ost"; ca. 30 ha)
- Landkreis Schweinfurt ( Mainpark 35 ha)
Oberfranken
- Landkreis. Kulmbach (Gewerbegebiet Himmelkron; 50 ha, an der A9),
- Stadt Selb (Industriegebiet West und Ritbühl, 23 ha)
Oberpfalz
- Landkreis. Schwandorf ("Wackersdorf-Nord" und "-Süd"; 200 ha),
- Stadt Cham (Chammünster, u.a., 25 ha)
Bayern fördert factory outlets und verstößt gegen Baugesetzbuch
Nach §1a des Baugesetzbuches (BauGB) muss mit Grund und Boden sparsam umgegangen und Eingriffe in Natur und Landschaft vermieden werden. Die Neuausweisung von Siedlungsflächen muss deshalb begründet, der Bedarf nachgewiesen werden. Für den Bund Naturschutz ist es symptomatisch für den schrankenlosen Umgang mit Freiflächen, dass nach einer BN-Umfrage über 90 Prozent aller bayerischen Stadtverwaltungen und Landratsämter keine umfassenden Unterlagen über wiederzunutzende Gewerbebrachen oder mindergenutzte Flächen haben und damit deren Flächennutzungs- und Bebauungspläne rechtlich zu beanstanden sind. Vorausgesetzt, dass die nur in sieben Landkreisen und kreisfreien Städten (zum Beispiel Nürnberg) vorhandenen Kataster beachtet werden, wird in den anderen 89 Fällen die Flächennutzungs- und Bebauungsplanung quasi gegen geltendes Bundesrecht betrieben.
Die im Juni 1997 vorgelegte Entschließung der Ministerkonferenz für Raumordnung ("Handlungskonzept zur Entlastung verkehrlich hochbelasteter Räume") fordert, dass kompakte Siedlungsstrukturen mit maßvollen Dichten und einer stärkeren Nutzungsmischung als Beitrag zur Vermeidung von Großeinrichtungen auf der "Grünen Wiese" geschaffen und neue Vorhaben, die in erster Linie ihr Angebot auf Autokunden und einen größeren Einzugsbereich ausrichten, unterbleiben sollen.
Trotzdem hat das bayerische Kabinett erst vor wenigen Wochen eine Sonderfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms gegen breiten Widerstand aus Umwelt-, Einzelhandels- und Handwerksverbänden, dem Bayerischen Städtetag, dem Bayerischen Gemeindetag, dem DGB und den Oppositionsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen. Auf deren Grundlage sollen flächenverschwendende und Verkehr erzeugende Einkaufszentren und Factory Outlet-Center auf der Grünen Wiese möglich werden. Die raumordnerische Genehmigung für ein FOC Ingolstadt wurde zwischenzeitlich erteilt.
Für das Missmanagement beim Umgang mit der knappsten Ressource Fläche sind aber auch die Regionalen Planungsverbänden verantwortlich, die trotz Möglichkeiten zur Regionalplanung ihrer Aufgabe nicht gerecht werden und selbst die wenigen ausgewiesenen "landschaftlichen Vorbehaltsgebiete" regelmäßig ohne Not preisgeben an der Tagesordnung. Städte und Gemeinden als Träger der Planungshoheit stehen heute unter einem enormen Konkurrenzdruck. Sie suchen ihr Heil bei de Behebung der maroden Finanzsituation und der Arbeitsmarktprobleme im Verkauf ihres eigentlichen Kapitals, der freier Landschaft und landwirtschaftlich nutzbarer, unbebauter Böden.
Doch oft genug sind sie auch Scharfmacher in der Konkurrenz: Mit Dumpingangeboten - geringe Umweltstandards und geringe Bodenpreise - ziehen sie selbst Betriebe der Nachbarorte in ihre ausgewiesenen Gewerbegebiete.
Bund Naturschutz für eine zukunftsfähige Landesentwicklung
Für die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms als wichtigstem landeplanerischen Steuerungsinstrumentes schlägt der Bund Naturschutz zur Eindämmung des Flächenverbrauchs folgende Maßnahmen vor :
Nachweispflicht bei Ausweisung von freien Flächen zur Bebauung, dass es dazu keine umweltverträglichen Alternativen gibt. Derzeit wird die Planungshoheit der Gemeinden als ein Grundrecht zum Landverbrauch missverstanden, angemessen wäre eine Grundverpflichtung zur vorrangigen Erhaltung der freien Landschaft.
Werden trotzdem zusätzliche Siedlungsflächen benötigt, haben Stadt-/Dorferneuerung Vorrang vor der Stadt-/Dorferweiterung. Eine Strategie der Nachverdichtung und der kompakten Siedlungsformen durch Aufstockung vorhandener Gebäude, Neuaufteilung vorhandener Gebäude, Schließung von Baulücken usw. muss verfolgt werden.
Die Sicherung von Freiräumen muss über klare Vorgaben des Landesentwicklungsprogramms und über die Regionalpläne zu erfolgen. Dafür ist eine Planungskategorie "Vorrangfläche Landschaft" einzuführen, wie dies im Raumordnungsgesetz auch vorgesehen ist, von Bayern aber bislang nicht umgesetzt wird. Landschaftliche Vorrangflächen sollen überall dort ausgewiesen werden, wo die Siedlungsflächenentwicklung eingeschränkt werden muss. Die Konkretisierung der regionalplanerisch festgesetzten Freiräume soll durch flächendeckend erstellte Landschaftspläne als Grundlage der Flächennutzungsplanungen erfolgen. Dazu ist der Freistaat seit Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes seit kurzem verpflichtet.
Streichung des riesigen Straßenbauprogramms als wichtigem Faktor für Zersiedelung und Vorrang für Erschließung von Wohn- und Gewerbegebieten mit Bahn und Bus.
Für die Bedarfsprüfung sind den Städten und Gemeinden Gewerbeflächenkataster unter Einschluss der Flächenrecycling- und Nachverdichtungspotentiale zwingend vorzuschreiben. Beim Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung ist eine jährlich fortzuschreibende landesweite Statistik darüber zu führen, über die jährlich berichtet wird. Benachbarte Städte und Gemeinden sind zu gemeinsamem Gewerbeflächenmanagement zu verpflichten.
Die Landesregierung soll sich dafür einsetzen, dass als Ersatz für die den Flächenverbrauch begünstigende Grundsteuer eine Kombination aus Bodenwertsteuer und Versiegelungsabgabe zur Verteuerung der Freiflächeninanspruchnahme vom Bundesgesetzgeber geschaffen wird. Der zusätzliche Erlös ist für die Förderung innerstädtischen Bauens einzusetzen.
gez.
Prof. Dr. Hubert Weiger
Landesvorsitzender
gez.
Christian Magerl
BN-Regionalreferent
gez.
Christian Hierneis
Vorsitzender BN-Kreisgruppe München
gez.
Ernst Böckler
Vorsitzender BN-Kreisgruppe Rosenheim