EU-Finanzkürzungen bedrohen Lebensqualität, Landwirtschaft und Tourismus in Bayern
Anlässlich drastischer Kürzungen der EU-Finanzmittel für den ländlichen Raum erwartet der Bund Naturschutz in Bayern e.V. und die Umweltstiftung EURONATUR von Bundesregierung und vom Freistaat Bayern eine klare Positionierung pro Ländlicher Raum und zugunsten einer nachhaltigen Landwirtschaft. Dazu ist angesichts knapper Finanzmittel im Haushalt der EU und Deutschlands eine Prioritätensetzung zugunsten einer arbeitsplatzfreundlichen, bäuerlichen und ökologischen Landwirtschaft und der Stärkung der Lebensqualität und der Wertschöpfung des Ländlichen Raums erforderlich. Insbesondere müssen Agrarzahlungen zukünftig stärker für die Honorierung besonderer gesellschaftlicher Leistungen der Landwirtschaft vorgesehen werden. Gegenüber den Steuerzahlern ist ein Höchstmaß an Transparenz gefordert, um auch zukünftig die Bereitschaft und Legitimation für eine Förderung im Ländlichen Raum und in den landwirtschaftlichen Betrieben zu ermöglichen.
Die Mehrheit der landwirtschaftlichen Betriebe - insbesondere in Bayern - wird auch zukünftig ihre wirtschaftliche Existenz und die entsprechenden Arbeitsplätze nur erhalten können, indem sie sich mit Qualitätsführerschaft wie z.B. dem Biolandbau oder mit Erwerbskombination dem Wettbewerb stellen. Eine Agrarpolitik, die dagegen die Betriebe zu weiteren Rationalisierungsschritten in Richtung billiger reiner Rohstoffproduktion animiert, führt in die falsche Richtung.
Eine besondere Herausforderung stellen die Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels zum Finanzhaushalt der EU für die nächsten sieben Jahre dar. Sie haben insbesondere für die Wirtschaftsentwicklung des ländlichen Raums in Deutschland schlimme Auswirkungen. Für Bayern bedeuten die Beschlüsse eine dramatische Kürzung der Finanzmittel in diesem Bereich um ca. 85 Mio. €. Damit droht Bayern ein Drittel aller in Deutschland zu erwartender Kürzungen. Dies gefährdet den Bestand erfolgreicher Agrarumweltmaßnahmen, Förderung des ökologischen Landbaus, Vertragsnaturschutzkonzepte und regionaler Entwicklungskonzepte wie Leader und der Dorferneuerung. Bayern ist das von diesen Kürzungen am stärksten betroffene Bundesland.
Ohne Kurskorrektur werden in Bayern aufgrund falscher Prioritätensetzungen künftig pro Jahr ca. 85 Mio. € EU-Mittel fehlen, mit denen bisher die Pflege der Kulturlandschaft, die Förderung von Regionalentwicklung und der Arbeitsplatz sichernden Qualitätsproduktion im Ländlichen Raum vorangebracht wurde. Auch für neue Aufgaben der ländlichen Entwicklung, wie der Umsetzung der Flora Fauna Habitat Richtlinie oder der Wasserrahmenrichtlinie fehlen dann Gelder. Neben Bayern wird noch Baden-Württemberg besonders durch die absehbaren Mittelkürzungen betroffen sein. Die beiden süddeutschen Bundesländer hatten auf die Versprechungen der Politik gebaut, die sog. 2. Säule der Europäischen Agrarpolitik zu stärken. Während hier nun allerdings Kürzungen anstehen, werden jene Bundesländer indirekt belohnt, die auf die Förderung der Großbetriebe gesetzt haben und wo es zu keinen Kürzungen kommt.
Denn die so genannte 1. Säule der Agrarpolitik, vornehmlich die allgemeinen Flächenprämien, bleibt auf fast unverändert hohem Niveau. Diese Direktzahlungen werden bisher ohne jegliche soziale Anbindung bereits bei Einhaltung minimalster Bedingungen (Einhaltung gesetzlicher Standards) gezahlt. In der Folge profitieren besonders die rationalisierten Betriebe, die möglichst billig und mit einem geringsten Arbeitskräftebesatz produzieren. Weil sich die Höhe der Zahlungen in Deutschland zudem noch an der Produktionsmenge der Vergangenheit richte, kommt es zu teilweise absurden Verhältnissen. So erhalten heute 1,1% der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland 25% des Subventionsvolumens. In Bayern erhielten 2004 knapp 28.000 Betriebe (entspricht 23 % aller Betriebe) mit 17 Mio. € gerade 2 Mio. € mehr an Direktzahlungen wie 103 Betriebe (0,1 % aller Betriebe) mit ca. 15 Mio. €.
Die von der EU erlaubte fakultative Modulation, d.h. Umschichtung der Direktzahlungen zur 2. Säule, von 20 % würde bei einer Kürzung von 14 % für die Betriebe welche über 100.000 € Direktzahlungen und Umschichtung in die 2. Säule die drohende Schwächung des Ländlichen Raums und der bäuerlichen Betriebe verhindern. Diese degressive Staffelung würde dazu führen, dass von den Kürzungen der 1. Säule 87% aller Betriebe in Deutschland nicht betroffen wären und trotzdem dadurch die massiven Kürzungen der Honorierung von Kulturlandschaftsleistungen vermieden werden könnten. Mit diesen Maßnahmen würden 300 Mio. € an Kürzungen verhindert, der ländliche Raum auch als Erholungsraum gesichert und zigtausende von Arbeitsplätzen erhalten werden.
Die moderaten Kürzungen der Direktzahlungen würden vorrangig die agrarindustriellen Betriebe treffen und wären damit auch einen Beitrag zu einer sozialverträglicheren Agrarförderung.
Bund Naturschutz und Euronatur fordern deshalb Agrarminister Seehofer auf, sich für diesen Vorschlag einzusetzen und damit die Agrarpolitik gesellschaftlich und sozial gerechter und verträglicher zu gestalten.