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Gegen Verödung und Flächenverbrauch

Stadt Bischofsheim entwickelt vorbildliche Alternativstrategien für eine zukunftsweisende Stadtentwicklung

18.06.2009

Trotz eindeutiger politischer Zielaussagen zur Reduzierung des Flächenverbrauches und drohender Verödung vieler Ortszentren geht die Ausweisung neuer Bau- und Gewerbegebiete auf kommunaler Ebene scheinbar ungebremst weiter.

Aufgrund der negativen ökonomischen wie ökologischen Folgewirkungen des Flächenverbrauches ist ein gezieltes Gegensteuern durch Städte und Gemeinden ebenso geboten wie wirksam.

Die von der Stadt Bischofsheim entwickelten Konzepte beweisen, dass es praktikable und Erfolg versprechende Alternativen für eine nachhaltige Kommunalentwicklung gibt.

Sie können auch anderen Gemeinden in Bayern als Vorbild und Anregung dienen.

 

Ausgangssituation

 

Entgegen klaren politischen Zielvorgaben auf höchster Ebene zur Reduzierung der täglichen Neuinanspruchnahme unverbauter Freiflächen für Siedlung und Verkehr auf 30 ha/Tag (bis 2020) wächst die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland weiterhin praktisch ungebremst auf hohem Niveau.

Von 1992 bis 2007 ist die Siedlungs- und Verkehrsfläche von über 16% auf 46.789 km2 angewachsen. Das entspricht einer täglichen Flächenversieglung von über 120 Hektar.

Trotz eher schwachen Wirtschaftswachstums erreicht die Neuinanspruchnahme derzeit immer noch 113 ha/Tag und liegt damit fast um 300% über der Zielvorgabe der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Eine Trendwende, mit der eine Reduzierung des Flächenverbrauches auf 30 ha/Tag auch nur annähernd erreichbar wäre, ist nicht erkennbar.

 

Bayern ist beim Flächenverbrauch nach wie vor Spitzenreiter:

In nur 18 Jahren ist von 1979 – 1997 die Siedlungsfläche um 51% ausgeweitet worden – in nicht einmal einer Generation! Nach einer kurzen konjunkturell bedingten Verschnaufpause nimmt der Flächenverbrauch wieder zu und liegt bei über 16 Hektar/Tag.

Damit gehen in Bayern pro Sekunde fast zwei Quadratmeter freie Landschaft u.a. für neue Bau- und Gewerbegebiete, aber auch für Straßenbauprojekte verloren. Tagtäglich sind dies mehr als 20 Fußballfelder!

 

 

Politische Vorgaben

 

Schon im November 2001 forderte der bayerische Umweltminister
Dr. Schnappauf eine landesweite Trendumkehr beim Flächenverbrauch. Die Nutzung vorhandener Siedlungsflächen und die Wieder-/Umsetzung von Industrie- und Gewerbebrachen müssen Vorrang vor Neuausweisungen haben

Ähnliche Forderungen hat auch Innenminister Dr. Beckstein 2002 und 2003 in mehrseitigen Schreiben an die bayerische Gemeinden erhoben und dabei sehr detailliert umweltverträgliche Lösungsansätze und Alternativen aufgezeigt.

 

Im Juli 2003 ist zudem vom Umwelt- und Innenministerium zusammen mit ca. 40 Partnern (Kirchen, Architekten und Umweltverbände) auf Landesebene ein Bündnis zum Flächensparen gegründet worden, von dem bereits 2005 ein umfangreiches Aktionsprogramm zur Reduzierung des Flächenverbrauches vorgelegt worden ist. Seit Jahren wird sogar mit einer eigens konzipierten Wanderausstellung landesweit für einen schonenden Umgang mit der begrenzten Ressource Boden geworben.

Obwohl in diesem Bündnis der Bayerische Städtetag ebenso wie der Bayerische Gemeindetag engagiert mitarbeiten, sehen viele Gemeinden in der ungebremsten Neuausweisung weiterer Bau- und Gewerbegebiete noch immer den einzigen Weg zur Schaffung neuen Wohnraums und Ansiedlung neuer Gewerbebetriebe während die Verödung ihrer Ortskerne scheinbar unaufhaltsam weiter geht.

 

 

Auswirkungen

von Flächenverbrauch und Ortskernverödung

 

Tempo und Ausmaß des galoppierenden Flächenverbrauchs sind der Bevölkerung, aber auch zahlreichen (Kommunal-)Politikern vielfach ebenso wenig bewusst wie seine Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlagen und die damit verbundenen ökonomischen Belastungen.

 

·       Versiegelte bzw. überbaute Flächen gehen i.d. Regel für den Naturhaushalt ganz bzw. weitgehend verloren.

·       Niederschläge fließen schneller ab, die Hochwassergefahr steigt.

·       Versiegelte Böden besitzen keine Filter- und Pumpfunktion mehr.

·       Es fehlen wichtige Flächen für die Frischluftproduktion v.a. im siedlungsnahen Bereich.

 

 

Die Konsequenz:

·       Erhöhte finanzielle Aufwendungen von Staat und Gemeinden z.B. für technischen Hochwasserschutz, für Trinkwasseraufbereitung usw.

·       Überbaute Flächen stehen für die land- und forstwirtschaftliche Produktion nicht mehr zur Verfügung.

·       Sich in die Landschaft fressende Bau- und Gewerbegebiete, neue Autobahntrassen etc.

-          zerschneiden und zerstückeln v. a. ortsnahe Erholungsflächen

-          überfremden das einstmals unverwechselbare Erscheinungsbild vieler Städte und Gemeinden

-          verschandeln unsere gerade auch von Touristen wegen ihrer Schönheit und Vielfalt hoch geschätzten Kulturlandschaft

 

·       Die mit der Flächeninanspruchnahme verbundene „Suburbanisierung“ führt zu

-          längeren Wegstrecken (Wohnung – Arbeit – Einkauf – Freizeit)

-          erhöhtem Verkehrsaufkommen

-          höherem Energieverbrauch

 

·       Abwanderung an den Stadtrand bzw. ins Umland schwächt das wirtschaftliche Potenzial der Kernstädte und verteuert gleichzeitig öffentliche Versorgungsleistungen

 

Vielfältige Lösungsansätze

 

Lt. Umweltbundesamt könnte in Deutschland in den nächsten 25 Jahren die zusätzliche Flächeninanspruchnahme um fast 85 Prozent reduziert werden.

Erreichbar wäre dies durch die konsequente Nutzung bereits ausgewiesener und vielfach voll erschlossener Gewerbeflächen (in Bayern: über 12 000 ha), v.a. aber durch Strategien und Konzepte zur Erschließung neuen Wohnraums in den oft schon jetzt von der Verödung bedrohten Ortskernen.

 

Dies bedeutet u.a.:

 

  • Erarbeitung kommunaler Leerstandskataster als Grundlage für mittel – und langfristige (Um-) Nutzungs-/Sanierungskonzepte, Ankäufe etc.
  • Reaktivierung/Sanierung leer stehender bzw. leer fallender Bausubstanz
  • Förderung von Nachverdichtung (z.B. durch Baulückenschließung/Dachgeschoßausbau)
  • Umnutzung leer stehender (Neben-) Gebäude (z.B. Scheunen, Ställe, Werkstätten …) als Wohnraum
  • Umnutzung brach liegender, ehemals baulich genutzter Flächen (z.B. von Post, Bahn, Gewerbe) für Wohnen/Gewerbe
  • Mobilisierung von Baulandreserven (z.B. durch Baugebote)
  • Flächensparende Siedlungs- u. Erschließungsformen (statt Einzelhausbebauung)

Bei einer intensiveren Nutzung der innergemeindlichen Bauflächenpotentiale müssen gleichzeitig gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der innerörtlichen bzw. ortsnahen Wohn-, Freizeit – und Lebensqualität realisiert werden – um die Attraktivität des „Wohnens im Ortskern“ zu erhöhen, aber auch um die Auswirkungen des Klimawandels im Siedlungsraum durch Grünstrukturen und Freiräume abzupuffern.

Hier gilt es, das Leitbild einer „doppelten Innenentwicklung“ umzusetzen, wonach die Verdichtung im Bestand gekoppelt wird mit einer Erhaltung und Verbesserung von Qualität, Angebot und Nutzbarkeit von Grünelementen und Freiflächen.

 

Modellfall Stadt Bischofsheim

 

Wie in vielen anderen Kommunen setzte in Bischofsheim ab 1960 eine Zersiedelung der Landschaft durch Neubau-, Ferien – und Gewerbegebiete ein.

Die vordergründig höhere Attraktivität der Neubaugebiete, der innerstädtische Strukturwandel (Aufgabe/Auslagerung von Landwirtschaft & Handwerk) und die demografische Entwicklung förderten & forcierten die Abwanderung aus dem historischen Ortskern.

Trotz engagierter Altstadtsanierung seit 1983 kam es zu einer hohen Leerstandsquote bei Geschäften, Anwesen und Wohnungen in der Altstadt:

40 Komplettleerstände & 10 Teilleerstände – Tendenz steigend

Das Alter und die soziale Stellung der Bewohner sowie der Zustand und die Nutzung der Gebäude steht im direkten Zusammenhang zu den Leerständen.

 

Seit einigen Jahren versucht die Stadt Bischofsheim a.d. Rhön, die Innenstadt wieder lebenswert zu machen und finanzielle Anreize, insbesondere auch für junge Familien mit Kindern zu geben.

Grundlage ist ein 2007 erstelltes Leerstandskataster, das bereits grundstückspezifische Neuordnungs – u. Sanierungskonzepte für „Problemfälle“ enthält.

 

In einem aufwendig gestalteten Faltblatt wird beispielhaft an einem Gebäude in der Altstadt aufgezeigt wird, wie Kaufpreis und Sanierungskosten finanziert werden können – mit deutlich geringerer Belastung als bei einem Neubau.

 

Ergänzend zur Städtebauförderung wurde im August 2007 die Einführung eines kommunalen Baukindergeldes beschlossen.

 

Im Rahmen des Stadtentwicklungskonzeptes sollen durch die Renaturierung von Gewerbebrachflächen Naherholungsgebiete geschaffen werden.

 

 

gez.  Helmut Schultheiß (Regionalreferent Bund Naturschutz)

 

 

Ansprechpartner für Rückfragen & weitere Unterlagen:

Stadt Bischofsheim (Tel. 09772-9101-23/www.bischofsheim-rhoen.de)