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Gentechnik im Essen per Gesetz: Gerd Müller in der Kritik

Start für die bayerische Aktionstour mit Großplakatwänden gegen eine Verwässerung des Gentechnik-Gesetzes am 25. Juni in Kempten

25.06.2007

Im Rahmen einer bundesweiten Aktionstour vom 23. Juni bis 2. Juli werden die fünfundzwanzig für die Entscheidung wichtigsten Bundestagsabgeordneten auf Groß-Plakatwänden und mit einer „vor Ort Aktion“ mit den Forderungen der Verbraucher, Landwirte und Umweltschützer nach Sicherung gentechnikfreier Produktion und gentechnikfreiem Essen konfrontiert. Mehrere dieser Politiker haben Ihren Wahlkreis in Bayern. Die Kritik richtet sich schwerpunktmäßig an den parlamentarischen Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Herrn Dr. Gerd Müller (CSU) aus Kempten, Wirtschaftsminister Michael Glos(CSU) aus Schweinfurt, die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Dagmar Wöhrl (CSU) und den Staatsminister für Europa Günter Gloser (SPD), beide aus Nürnberg, die Sprecherin des Forschungsausschusses im deutschen Bundestag, Frau Ilse Aigner (CSU) aus Starnberg sowie Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) aus Ingolstadt.

In dem vom Kabinett vorgelegten Entwurf zu Änderung des Gentechnikgesetzes sind bislang nicht akzeptable Regelungen enthalten, die die Wahlfreiheit der Verbraucher und Landwirte unmöglich machen würden. Ende Juli will das Bundeskabinett seinen endgültigen Beschluss fassen, der dann im Bundesrat und Bundestag im Herbst verabschiedet werden soll.

Gegen den vorliegenden Gesetzesentwurf hat sich ein breiter Widerstand in der Bevölkerung, bei Landwirten und Verarbeitungsbetrieben gebildet.

In Kempten kämpfen der Bioring Allgäu gemeinsam mit dem Bayerischen Bauernverband Oberallgäu, Sennereien und Naturschützern um die Durchsetzung des Verursacherprinzips für gentechnische Verunreinigungen, die Wahlfreiheit für gentechnikfreie Lebensmittel und Abstandsregelungen, die ihren Namen verdienen. „Bei 150 Meter Abstand zu Genfeldern und der Zulassung immer neuer gentechnisch veränderter Saatgutlinien wäre das Ende der Wahlfreiheit für gentechnikfreie Lebensmittel schnell in Sicht“, so Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern.

 

Union und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag vom November 2005 darauf verständigt, das Gentechnikgesetz zu novellieren. Ziel sei, die Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland zu befördern. Die Union hat dazu im November 2006 Eckpunkte vorgelegt, die Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion haben ihre Vorstellungen am 30. 1. 2007 in einem eigenen Papier veröffentlicht.

Die Positionen beider Parteien liegen weit auseinander:

 Die Unionprivilegiert Forschungseinrichtungen und Firmen, die Gentech-Pflanzen experimentell erproben sowie Bauern, die sie kommerziell anbauen.Die SPD-Berichterstatter haben dem Schutz der gentechfreien Landwirtschaft oberste Priorität eingeräumt. Der Kabinettsbeschluss vom 28.2. übernahm das Eckpunktepapier der Union, ohne die Vorschläge der SPD- Bundestagsfraktion zu berücksichtigen.

 

Der Bund Naturschutz fordert Staatssekretär Gerd Müller nachdrücklich auf, folgende Kritikpunkte zu berücksichtigen:

 

Die Kritik im Einzelnen:

1. Der Haftungsanspruch für die konventionelle Landwirtschaft soll ausgehebelt werden. Durch die Streichung eines rechtsrelevanten Begriffs in Paragraphen 36 a, der die Haftungstatbestände beschreibt, würde anders als derzeiteine Entschädigung erst für Verunreinigungen oberhalb von 0,9 Prozent einklagbar werden. Bereits heute lehnen Verarbeiter wie Mühlen oder Lebensmittelhersteller im konventionellen Bereich auch gering verunreinigte Chargen am Beginn der Verarbeitungskette ab, da sie ihrerseits einen Puffer benötigen, um den Kennzeichnungsschwellenwert für Lebensmittel nicht zu überschreiten. Das heißt für konventionell wirtschaftende Landwirte: Sie müssen ihren Abnehmern entweder die Gentechnikfreiheit ihrer Produkte oder einen Verunreinigungsgrad deutlich unter 0, 9 Prozent garantieren, andernfalls ist ihre Ernte unverkäuflich. Würde über die vorgesehene Änderung der Haftungsregelung  eine Klagemöglichkeit ausgehebelt, wäre eine allgemeine Ausbreitung der Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion nur noch eine Frage der Zeit.

 

2. Die Kosten für die Sicherung der gentechnikfreien Landwirtschaft werden ignoriert

 Diejenigen, die gentechnikfrei weiter wirtschaften möchten bereits jetzt mit zusätzlichen Kosten in Form von Analysen auf Gentechnikfreiheit und den Aufbau getrennter Erfassungs und Handelswege belastet.: Der Einsatz der Gentechnik verteuert die gentechnikfreie Produktion, und die Kosten tragen nicht etwa die Verursacher, sondern die Betroffenen. Dass der Entwurf diese Ungerechtigkeit nicht einmal erwähnt, zeugt von klarer Parteinahme gegenüber den Profiteuren der Gentechnik, den Chemie- und Saatgutmultis.

3.Das Standortregistersoll beschnitten werden. Damit würde Transparenz vernichtet und Vorsorgemaßnahmen unmöglich gemacht werden

Der allgemein zugängliche Teil des Standortregisters umfasst bisher „das Grundstück der Freisetzung und des Anbaus sowie die Flächengröße. Geplant ist,  nur noch „ die Postleitzahl, die Gemeinde und die Gemarkung der Freisetzungs- oder Anbaufläche sowie deren Größe“ öffentlich zugänglich sein. Damit entfällt die flurstückgenaue Angabe der Flächen, auf denen gentechnisch veränderte Pflanzen wachsen. Auf Landwirte, die ihre Ernten vor gentechnischen Verunreinigungen schützen wollen, kommt ein erheblicher bürokratischer Aufwand zu, ebenso auf Imker, die Gentech-Einträge im Honig vermeiden wollen, auf Pächter und Verpächter von Land, auf Grundstückseigentümer und alle BürgerInnen, die wissen wollen, ob in ihrer Nachbarschaft Gentech-Pflanzen angebaut werden. Der bürokratische Aufwand trifft selbstverständlich auch die zuständige Bundesbehörde, die die Anfragen prüfen und beantworten muss.

 

4. Forschungsfreisetzungensollen  erleichtert werden und damit , Umweltbedingungen und Bürgerrechte ignoriert

Das so genannte vereinfachte Verfahren soll zum Standard der Genehmigungsverfahren werden. Damit würde nur noch für die erste Freisetzung eines neuen GVO ein  Genehmigungsverfahren inklusive einer Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung nötig sein, alle anderen würden nur noch nachgemeldet. Eine Prüfung der Umweltbedingungen für die einzelnen Freisetzungsstandorte entfiele. So könnten auch die Belange des Naturschutzes, etwa die Nähe zu einem Natura 2000-Gebiet, nicht ausreichend in die Bewertung eines Freisetzungsstandortes eingehen. Auf der Strecke blieben Umwelt und Bürgerrechte.

Durch private Absprachen können Koexistenzmaßnahmen ausgehebelt werden.

 

5. Der Abstandswert für Gentech-Mais zu herkömmlichem und biologischem Mais soll 150 Meter betragen, eine dauerhafte Verunreinigung der Ernten wird in Kauf genommen

Im Entwurf für die Regelungen der  guten fachlichen Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen legt einen Mindestabstand von 150 Metern zwischen dem Rand einer Anbaufläche mit Gentech-Mais und einer solchen mit gentechnisch unveränderten Mais fest.

Dieser Wert ist viel zu niedrig. Selbst Monsanto empfiehlt Landwirten, die in Deutschland Mon 810-Mais anbauen, 300 Meter Abstand zu biologisch bewirtschafteten Flächen. Die 2006 veröffentlichte Studie des Joint Research Center der EU-Kommission zur Koexistenz rechnet unter bestimmten Bedingungen bei einem Abstand von 1000 Metern mit einer Einkreuzung von 0,31 Prozent. Die Einkreuzung in Nachbarflächen hängt von zahlreichen Variablen ab wie Windrichtung, Windstärke, Größe der Felder und topographischen Gegebenheiten. GVO-Anteile nehmen nicht linear mit der Entfernung ab, sondern steigen in Entfernungen von 100 – 150 m zur Pollenquelle teilweise sogar an.

Der Entwurf legt keine Abstände zu Saatgutvermehrungsflächen und zu Naturschutzgebieten fest. Das ist fahrlässig.Der Abstandwert von 150 Metern würde dazu führen, dass dauerhaft Gentech-Einträge in nicht gentechnisch verändertem Mais zu finden sein werden. Damit wäre das Schutzgut gentechnikfreie Landwirtschaft abgeschafft.

 

BN Forderungen

1. Haftung: Der die Haftung und Entschädigung auslösende Schwellenwert („wesentliche Nutzungsbeeinträchtigung“) muss nach dem Vorbild des Gentechnikvorsorgegesetzes der Steiermark vom Mai 2006 auf 0,1 % gesenkt werden (Ausschöpfung des Spielraums § 26 a der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18: „Die Mitgliedsstaaten können die geeigneten Maßnahmen ergreifen, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in anderen Produkten zu verhindern.“) .

 

2. Gentechnikbetreiber müssen verpflichtet werden, die Vorsorgekosten der Nichtanwender zu übernehmen.

 

3. Das Standortregister muss in seiner bisherigen Form aufrechterhalten werden.

 

4. Vereinfachte Verfahren darf es nicht geben, und es muss für jede einzelne Freisetzung ein Monitoring durchgeführt werden, das die Betreiber nach staatlichen Vorgaben auf eigene Kosten umstzen.

 

5. Die Gute fachliche Praxis muss so ausgestaltet werden, dass Schadensfälle die absolute Ausnahme bleiben, und sie muss die gesamte Kette vom Saatgut bis zum Produkt im Verkaufsregal umfassen.

 

für Rückfragen:

Marion Ruppaner

BN Referentin für Landwirtschaft

Tel. 0911/81 87 8-20
 E-Mail: marion.ruppaner@bund-naturschutz.de

 

Anlage 1 :

 

Forderungen

des Bündnis Bayern für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft :

 

von EU-Parlament und EU-Kommission:

·         ein gesetzlich garantiertes Selbstbestimmungsrecht der europäischen Staaten für ein Verbot des Anbaus von genmanipulierten Pflanzen und der Sicherung der gentechnikfreien Regionen,

·         die Wiederherstellung eines Moratoriums für die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen in der EU,

·         die Kennzeichnungspflicht für Milch, Fleisch, Eier etc. von Tieren, die mit genmanipuliertem Futter ernährt wurden,

·         das Reinheitsgebot für Saatgut – mit der Festlegung der Nachweisgrenze als einzig akzeptablem Wert,

 

von Bundeslandwirtschaftminister Horst Seehofer:

·         Sicherung der gentechnikfreien Produktion, Wahlfreiheit und Transparenz im deutschen Gentechnikgesetz

·         die vollständige Haftungs- und Risikoübernahme durch Gentechnikkonzerne und Gentechnikbauern,

·         Beibehaltung des Zugangs zum Anbauregister, damit die Informationsrechte der Öffentlichkeit gesichert werden.

·         den Schutz sensibler Gebiete im Gentechnikgesetz,

·         Rücknahme der Sortenzulassungen für gentechnisch veränderten Mais

 

von Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber

·         Einsatz für Bayern als gentechnikfreie Region

·         Kein Versuchsanbau mit genmanipulierten Pflanzen auf bayerischen Staatsgütern

·         Keine Steuergelder für Pro-Agro-Gentechnik-Kampagnen in bayerischen Schulen, Universitäten und der Öffentlichkeit

 

Mitglieder des Bündnis Bayern für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft: Stand: 22.4.2005

-          Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Bayern/Arbeitsgemeinschaft evangelischer Haushaltsführungskräfte im Deutschen Evangelischen Hausfrauenbund/Arbeitsgemeinschaft noch produzierender Landwirte in Ostbayern/Arbeitsgruppe Ökolandbau im Bayerischen Bauernverband/Biokreis/Bioland, Fachgruppe Imker/Bioland, Landesverband Bayern/Bioring Allgäu/Bund Naturschutz/Demeter/Der Krisenstab/Deutscher Berufs- und Erwerbs-Imker-Bund/Förderkreis für Umweltgesundung/Freisinger Land/Friends of the Earth7Initiative Nahrungskette/Interessengemeinschaft Milchviehhalter Oberbayrn/Interessengemeinschaft Mischfruchtanbau/Hermanndorfer Landwerkstätten/Katholische Landjugendbewegung München-Freising/Katholische Landvolkbewegung (KLB) Bayern/Kein Patent auf Leben/Landesbund für Vogelschutz/Landesverband Bayerischer Imker/ Bezirksverband Imker Oberbayern/Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern e. V./Naturland/Naturkost Südbayern/Ökologischer Ärztebund/Region aktiv (Chiemgau)/Tagwerk-Förderverein/Unser Inn-Land/Weilheim-Schongauer-Land Solidargemeinschaft


Anlage 2

 

Fehlender Nutzen und Risiken

 

Die gentechnische Veränderung von Pflanzen birgt Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt: Neu in transgenen Pflanzen gebildete Stoffe und Eiweiße können toxisch oder allergen wirken, wie am Beispiel eines in Erbsen gebildeten Bohneneinweißes gezeigt wurde, das zu Immunreaktionen bei Mäusen führte. Ein durch den Einbau der Fremdgene möglicherweise veränderter Stoffwechsel kann Qualität und Verträglichkeit der aus transgenen Pflanzen hergestellten Lebensmittel beeinflussen.

Vielfältige Effekte von Gentech-Pflanzen auf die Umwelt werden diskutiert, angesichts der Komplexität der Ökosysteme sind sie aber kaum abzuschätzen. Pflanzen mit neuen Resistenzeigenschaften und Inhaltsstoffen wirken sich auch auf andere Organismen aus, die nicht getroffen werden sollen (Nichtzielorganismen). So gefährden die in insektenresistentem Bt-Mais gebildeten Giftstoffe Schmetterlinge wie Schwalbenschwanz und Tagpfauenauge, Effekte auf Nützlinge und das Bodenleben sind nicht ausgeschlossen. Der Anbau von herbizidresistenten Pflanzen beeinträchtigt die Artenvielfalt von Wildpflanzen und der davon lebenden Tiere, wie Studien in England gezeigt haben. Der Herbizidverbrauch nimmt mit dem Anbau derartiger Pflanzen nicht ab sondern zu, nicht zuletzt bedingt durch das Auftreten herbizidresistenter Unkräuter, die mit höheren Dosen und zusätzlichen Spritzmitteln bekämpft werden. Überdies sind gentechnisch veränderte Pflanzen, einmal freigesetzt, praktisch nicht mehr rückholbar, da Wind und Insekten (und auch der Mensch) für die Verbreitung von Pollen und Samen sorgen.

 

Gentechnik trägt zur Industrialisierung der Landwirtschaft bei und begünstigt intensive Monokulturen. Statt auf einfache Rezepte zu setzen, wie ausgewogene Fruchtfolgen oder Unterpflügen von Ernteresten, um Schädlingsbefall zu vermeiden, werden gänzlich neue Risiken geschaffen. Erfahrungen aus den USA und Kanada belegen, dass über das Patentrecht Farmer immer weiter entrechtet werden, der soziale Zusammenhalt in den Dorfgemeinschaften untergraben wird, und private Konzernpolizeien die Landwirte ausspionieren und unter Druck setzen, Saatgut, Dünger und Pestizidprogramm im Paket abzunehmen, was einer Art moderner Leibeigenschaft entspricht. GVO-Kontamination gefährdet die gentechnikfreie Landwirtschaft, bürdet der traditionellen Landwirtschaft neue Kosten auf und verweigert den VerbraucherInnen echte Wahlfreiheit.

 

Falsche Versprechungen

 

Die Versprechungen der Agrogentechnik, zu höheren Erträgen und geringerem Pestizideinsatz zu führen, haben sich als hohl entpuppt, ebenso wenig wird sich die Vorstellung, ein komplexes Problem wie der Hunger in der Welt lasse sich durch eine technologische Lösung beheben, bestätigen.

Nichtsdestotrotz sollen mit vermehrtem Aufwand an Steuermitteln Informationskampagnen über Potentiale der so genannten neuen Generation von transgenen Pflanzen gestartet werden. So werden Steuergelder verschleudert, statt auf Förderung und Ausbau umwelt- und gesundheitsverträglicher Landwirtschaft zu setzen.