GEWERBEPARK RATHSMANNSDORF: EIN DRASTISCHES NEGATIVBEISPIEL FÜR NATURZERSTÖRUNG UND UNNÖTIGEN FLÄCHENVERBRAUCH IM RÜCKSICHTSLOSEN KAMPF DER KOMMUNEN UM GEWERBEANSIEDLUNGEN
Wie die Ausweisung des Gewerbegebiets Rathsmannsdorf und die damit verbundene Rodung von 19 Hektar Wald abgelaufen ist, kann nach Ansicht des BN nicht akzeptiert werden. „Dieses Verfahren stellt einen Präzedenzfall dar, gegen den der BN auch rechtlich vorgehen musste“, betonte BN-Landesvorsitzender Hubert Weiger. Das Vorhaben steht aber auch beispielhaft für viele andere Engriffsprojekte, bei denen ohne Bedarfsnachweis und mit dem Argument eines angeblich überwiegenden öffentlichen Interesses die gesetzlichen Vorgaben zum Schutz von Natur und Landschaft ausgehebelt werden. Der BN kritisiert dies aufs Schärfste und appelliert an die verantwortlichen Politiker derartige Fehlplanungen, die auch baurechtliche und landesplanerische Vorgaben ignorieren, nicht mehr zu unterstützen, wie das bei diesem Baugebiet offensichtlich der Fall war.
„Der kommunale Konkurrenzkampf ohne Rücksicht auf Verluste, muss endlich beendet werden“, sagte Weiger. „Denn das Gewerbegebiet Rathsmannsdorf zeigt einmal mehr, dass die im Artikel 141 der bayerischen Verfassung festgelegte Verpflichtung der Städte und Gemeinden zum Schutz der Landschaft und der Böden viel zu oft nicht ernst genommen wird. Gleiches gilt für die klaren politischen Zielsetzungen und Vorgaben der Staatsregierung zum Flächenschutz“. Aktuelle Beispiele, bei denen diese Aspekte sträflich missachtet werden und bei denen der BN zusammen mit vielen anderen entschiedenen Widerstand leistet, sind das Gewebegebiet Interfranken bei Feuchtwangen (Landkreis Ansbach), das über 80 Hektar eine wertvollen Kulturlandschaft zerstören würde, oder ein neues Gewerbegebiet der Stadt Weiden (Oberpfalz), dem 75 Hektar Staatswald geopfert werden sollen. Ein besonders drastisches Beispiel im Landkreis Passau, bei dem eine falsche staatliche Förderpolitik zu maximalen Natureingriffen führte, war bereits 1999 die Ausweisung eines Gewerbegebiets in der Gemeinde Thyrnau für den Neubau des Zweigwerks der Zahnradfabrik Passau.
In diesem Zusammenhang sieht der BN auch mit großer Sorge den jüngsten Kabinettsbeschluss zur neuen „Heimatstrategie für Bayern“. „Die von Heimatminister Markus Söder vorgelegte Strategie fördert Flächen fressende Gewerbegebiete auf der grünen Wiese und läutet eine neue Runde der Heimatzerstörung in Bayern ein“, kritisierte Hubert Weiger. Es sollen damit auch die Vorschriften bei der Ausweisung neuer Siedlungsgebiete gelockert und Gewerbegebiete oder Tourismuseinrichtungen an Autobahnanschlüssen weitab von bestehenden Siedlungen zuglassen werden. „Unter dem Deckmantel der Förderung kleiner Gemeinden sollen nun auch noch die letzten Reste einer sinnvollen Regional- und Landesplanung abgeschafft und renditeorientierter Investorenplanung Tür und Tor geöffnet werden“, sagte Weiger. Der BN befürchtet, dass damit die Beschlüsse der Staatregierung zum Flächenschutz und die Bekenntnisse zur Bewahrung bayerischer Heimatlandschaften endgültig zur Makulatur würden und appelliert an den Landtag die Umsetzung dieser Teile der Strategie zu stoppen. Ansonsten wären wir in Bayern sicher schon bald wieder bei einem Flächenverbrauch von 21 Hektar pro Tag wie es zuletzt 2010 der Fall war (derzeit 17 Hektar).
Im Regierungsbezirk Niederbayern ist der Landkreis Passau Spitzenreiter beim Flächenverbrauch und bayernweit an zweiter Stelle (nur übertroffen von Ansbach). Die Siedlungs- und Verkehrsfläche hat hier im Zeitraum von 1980 bis 2012 um rund 6.533 Hektar zugenommen, was einem Zuwachs von 54 % entspricht. Eine Trendwende dieser Natur und Boden zerstörenden Entwicklung ist nicht erkennbar. Laut den Angaben des Statistischen Landesamts betrug die Zunahme in der Marktgemeinde Windorf in diesem Zeitraum sogar 95 Prozent (269 Hektar).
Rechtsmittel als letzte Möglichkeit
Nachdem der Marktgemeinderat den Bebauungsplan beschlossen hatte (17.2.2014), wurde im Auftrag der BN Kreisgruppe Passau am 4. März eine Normenkontrollklage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) eingereicht und die Unwirksamkeit der Planung beantragt. Begründet wird dies vor allem mit Verfahrensfehlern sowie massiven Verstößen gegen Planungsgrundsätze und mit der Missachtung naturschutzrechtlicher Vorgaben. Die ausführliche Klagebegründung konnte jedoch erst nach der im Juni gewährten Akteneinsicht erstellt werden, so dass derzeit noch keine weiteren Ergebnisse vorliegen. „Durch die zunehmende Gleichsetzung von privaten und öffentlichen Interessen wird der Naturschutz immer mehr zurück gedrängt. Dies umso mehr, wenn es, wie im vorliegenden Fall, keinen dringenden Bedarf für die Planung gibt“, so Rechtsanwalt Thomas Tauer zur grundsätzlichen Problematik des Falles. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass nun vom Gericht das gesamte Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit geprüft wird und ein wichtiger Aspekt sind dabei auch die vom BN gerügten Ausnahmegenehmigungen für die naturschutzrechtlichen Eingriffe.
Naturschutzgesetze ausgehebelt
Die BN-Kreisgruppe Passau und die Ortsgruppe Vilshofen haben das im Januar 2012 von der Gemeinde beschlossene Bauleitplanverfahren für das Gewerbegebiet von Anfang an bekämpft und immer wieder erhebliche Planungsdefizite angeprangert. Die zentralen Kritikpunkte des BN waren dabei insbesondere der nicht genehmigte Kahlhieb des Waldbestands, die Zerstörung gesetzlich geschützter Biotope und der fehlende Bedarfsnachweis, sowie die Einflussnahme der Politik auf die zuständigen Fachbehörden bei der Regierung von Niederbayern und beim Landratsamt, was durch entsprechende Aktenvermerke, die dem BN vorliegen, auch belegt ist. „Die Politik hat bei der Durchsetzung des Vorhabens massiven Druck ausgeübt und faktisch die gewünschten Ergebnisse der Bewertungen vorgegeben“, betonte Karl Haberzettl, 1. Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Passau. Er kritisierte weiterhin die gravierenden Fehler der naturschutzfachlichen Gutachten bei diesem Verfahren und die erteilten artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungen, da ein schlüssiger Bedarfsnachweis nicht erbracht wurde und somit auch keine überwiegendes öffentliche Interesse erkennbar sei, mit dem dies zu rechtfertigen wäre. „Die Fachbehörden wurden hier zu Handlangern für Naturzerstörungen gemacht und die Naturschutzgesetze zur Farce degradiert“, so Haberzettl. „Dabei ist Windorf aber sicher kein Einzelfall, sondern nur ein Beispiel bei dem wir die Mauscheleien hinter den Kulissen und die inflationäre Rechtfertigung von Eingriffsprojekten mit angeblich öffentlichen Interesse belegen können“.
Petition im Landtag abgeschmettert
Auch die Biologin Helgard Gillitzer, Vorsitzende der BN-Ortsgruppe Vilshofen und Artenschutzbeauftragte der Kreisgruppe Passau, ist vom Ablauf des Verfahrens und der Missachtung natur- und artenschutzrechtlicher Vorgaben entsetzt. Sie hat sich intensiv mit dem Vorhaben befasst und unter anderem auch die drohende Zerstörung eines wertvollen Quellmoordobels in dem gerodeten Wald ausführlich thematisiert. In den ursprünglichen Planungen war dieses Biotop nicht eingezeichnet und überhaupt nicht berücksichtigt worden. Eine Petition, die im August 2013 von einer Windorfer Bürgerin mit dem Ziel eingereicht wurde, dass sich der Landtag mit dem Thema befasst und verhindert, dass weiter rechtswidrig vollendete Tatsachen geschaffen werden, blieb leider ohne Erfolg. Auf Grund einer kurzfristig eingereichten Gegenpetition der Marktgemeinde wies der zuständige Landwirtschaftsausschuss die Eingabe einstimmig, bei einer Enthaltung zurück. „Ich war maßlos davon enttäuscht, wie oberflächlich die Thematik in zehn Minuten abgehandelt wurde und wie einseitig es der Berichterstatter zu Gunsten der Marktgemeinde darstellte“, erklärte Gillitzer. Als letztes Mittel, um den Filz und das unseres Erachtens rechtswidrige Zusammenspiel von privaten und politischen Interessen sowie staatlichen Behörden aufzudecken, hat die BN daher Rechtsmittel in Anspruch genommen und einen Normenkontrollantrag eingereicht.
Forderungen des BUND Naturschutz
Der ungebremste Landverbrauch ist, neben dem Klimawandel, das größte ungelöste Umweltproblem in Bayern. Täglich werden 17 Hektar (Stand 2012) meist landwirtschaftlich genutzter Böden, vielfach aber auch Waldbestände, in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandet. Die Bebauung ist aller Regel ein irreversibler Prozess und eine dauerhafte Zerstörung des unvermehrbaren Schutzgutes „Boden“. Vor allem bei neuen Gewerbegebieten außerhalb von Siedlungsbereichen sind diese Entwicklungen besorgniserregend, auch vor dem Hintergrund, dass zahlreiche voll erschlossene, sofort bebaubare Gewerbegebiete in Bayern weitgehend leer stehen. Laut Standort-Informations-System (SISBY) der IHK sind derzeit im Landkreis Passau in 39 ausgewiesenen Gewerbegebieten noch rund 121 Hektar unbebaut.
Die viel beschworene Planungshoheit der Gemeinden wird täglich ad absurdum geführt, wenn die Bürgermeister im Wettbewerb um Investoren ihr Land verschleudern, auch weil sie bei den Kommunalfinanzen mit dem Rücken zur Wand stehen. Die Planungshoheit der Gemeinden muss wieder das werden, was sie einmal war: Planung im Wortsinne. Nicht das Setzen auf ein Prinzip Hoffnung mit Angebotsorientierung und Investorenwunschbefriedigung sondern Nachfrageorientierung und Bedarfsermittlung.
Konkret sind aus der Sicht des BN daher unter anderem folgende Maßnahmen dringend erforderlich:
- Bessere Planungsinstrumente, insbesondere eine Stärkung und Demokratisierung der Regionalplanung in Bayern.
- Die Genehmigung der Flächennutzungspläne muss wieder auf die Regierungen übergehen, weil es sich als Fehler erwiesen hat, die Landratsämter bzw. die Landräte damit zu betrauen und sie so dem Druck der Gemeinden auszuliefern.
- Verpflichtung zur Bedarfsprüfung in einem angemessenen Umkreis (z.B. Landkreis) vor der Ausweisung neuer Bauflächen.
- Neuregelung von Grund- und Gewerbesteuer zur Verringerung des „Bürgermeisterwettbewerbs“.
Für Rückfragen:
Karl Haberzettl
1. Vorsitzender BN-Kreisgruppe Passau
Tel.: 0851/9669366 oder 0160-7819190
Email: info@bn-passau.de
Helgard Gillitzer
1. Vorsitzende BN-Ortsgruppe Vilshofen
Tel.: 0170-8923084
Email: gillitzer.h@gmail.com
Pressemitteilung zum download:
PM_FA_22_14_Gewerbegebiet Rathsmannsdorf.pdf