GUTACHTEN: SCHIEDSGERICHTE IN TTIP SIND VERFASSUNGSWIDRIG
Erstellt wurde das Gutachten am Institut für Öffentliches Recht und Völkerrecht der Universität der Bundeswehr München von Prof. Dr. Kathrin Groh (Lehrstuhl für Öffentliches Recht) und Prof. Dr. Daniel-Erasmus Khan (Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht).
„Wer sich vom Staat in seinen Rechten verletzt fühlt, muss selbstverständlich vor einem Gericht klagen können, aber dies kann eben regelmäßig nur ein deutsches Gericht sein“, erläutert Prof. Khan. „Eine Flucht aus der deutschen Gerichtsbarkeit mittels Schiedsgerichtsvereinbarung à la CETA oder TTIP begegnet nämlich durchgreifenden rechts- und verfassungsstaatlichen Bedenken.“ „Auch und gerade bei Schadenersatzanforderungen ausländischer Investoren gegen den deutschen Staat“, so Prof. Groh, „muss daher die deutsche Justiz zumindest das letzte Wort haben.“
Die beiden Juristen kommen deshalb zu dem Schluss: Die in geplanten Freihandelsabkommen wie CETA oder TTIP vorgesehenen Schiedsgerichte sind verfassungswidrig.
Die Wahl des verfassungsgemäßen Rechtsweges ist deshalb so wichtig, weil dadurch indirekt über den Erfolg einer Schadensersatzklage mitentschieden wird. „Es macht einen gravierenden Unterschied, ob Vertreter internationaler Anwaltskanzleien als Freihandelsrichter oder vom deutschen Staat demokratisch und transparent bestimmte Richter solche Entscheidungen treffen“, erläutert Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND Naturschutz. So schafft formelles Verfahrensrecht (zum Beispiel die Wahl des Rechtsweges) auch materielles Recht (zum Beispiel die Einhaltung ökologischer Standards).
Der BUND Naturschutz sieht sich durch dieses Gutachten in seinen Bedenken gegenüber den geplanten Freihandelsabkommen bestätigt. „Wir sind in großer Sorge, dass durch diese Abkommen mühsam erkämpfte Standards zur Disposition gestellt, der Spielraum für künftige politische Regulierung beschränkt und unsere demokratischen und rechtsstaatlichen Verfahren ausgehebelt werden“, betont der BN-Vorsitzende.
Konkreter Anlass, das Gutachten in Auftrag zu geben, war die Klage von Vattenfall vor einem solchen Schiedsgericht gegen den deutschen Staat. Der schwedische Energiekonzern verklagt Deutschland wegen der Stilllegung der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel auf 4,7 Milliarden Euro Schadenersatz. „Wird ein Staat von Schiedsgerichten zu hohen Zahlungen verurteilt, ist wahrscheinlich, dass dies Auswirkungen auf das künftige Handeln des Staates hat“, so Christian Hierneis vom BN-Landesvorstand. „Das lässt befürchten, dass Umwelt- und Verbraucherschutzstandards schleichend abgebaut werden.“
Die breiten Proteste gegen TTIP zeigen offenbar Wirkung: Am Wochenende hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgeschlagen, statt der umstrittenen Schiedsgerichte einen internationalen Handelsgerichtshof ins Leben zu rufen. „In der Politik scheint ein Nachdenken einzusetzen“, kommentiert der BN-Landesbeauftragte Richard Mergner. „Damit liegt zwar ein neuer Vorschlag auf dem Tisch, der aber bei genauem Hinsehen nur dazu dient, den Investorenschutz in diesen Abkommen beizubehalten. Fraglich ist auch, ob die Handelspartner außerhalb der EU sich darauf überhaupt einlassen.“
Für Rückfragen:
Peter Rottner
Landesgeschäftsführer des BUND Naturschutz
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E-Mail: peter.rottner@bund-naturschutz.de
Weiterführende Informationen:
BUND-Position zu TTIP