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Hochwasserschutz am Scheideweg?

Bund Naturschutz fordert Vorrang für Deichrückverlegung vor Deichsanierung

01.09.2009

Kippt der Isarplan 2020?
Der „Isarplan 2020“ sieht eine weitgehende Renaturierung der Isar zwischen München und Moosburg vor. Gleichzeitig soll mit einem Neubau vieler Deiche weiter ab vom Fluss dem Wasser mehr Raum gegeben werden. So können Hochwasserspitzen effektiv und natürlich gekappt werden. Zu besichtigen ist dies beispielsweise an der Deichrückverlegung an der Isar bei „Rosenau“ (Lkr. Erding und Freising). Der BN hat diesen Plan bisher ausdrücklich als vorbildliches Beispiel für einen ökologischen Hochwasserschutz für ganz Bayern gelobt.  
Umso mehr kritisiert der BN nun, dass der Freistaat Bayern offenbar von seinen eigenen Zielen abrückt.

„Die Beispiele für Deichrückverlegungen lassen sich in Bayern an einer Hand abzählen, ganz im Gegensatz zu einer Vielzahl oft teurer technischer Großprojekte und Deichsanierungen.“ kritisiert Dr. Christine Margraf, Artenschutzreferentin Südbayern im Bund Naturschutz. „Umso kritischer ist es, wenn nun auch noch die wenigen geplanten Deichrückverlegungen ohne nachvollziehbaren Grund zurückgezogen werden.“ Der BN fürchtet einen generellen Rückschlag für die Realisierung von Deichrückverlegungen.

Als aktuelle Beispiele nennt der BN:

  • die Deichrückverlegung bei Pförring an der Donau im Landkreis Eichstätt, deren Planung vom damaligen Ministerpräsidenten Beckstein während einer Wahlkampfrede gestoppt wurde
  • die Deichrückverlegung bei Brandstadl/ Hallbergmoos an der Isar im Landkreis Freising, wo nun vor (!) der Deichrückverlegung erst eine Deichsanierung des bestehenden Deiches durchgeführt werden soll.


„Es ist doch schizophren, einen Deich zuerst aufwändig zu sanieren und ihn angeblich in einem Parallelverfahren durch einen völlig neuen Deich zu ersetzen.“ kritisiert Dr. Christian Magerl, Kreisvorsitzender des BN Freising, MdL. „Das ist Geldverschwendung und macht möglicherweise den Neubau unmöglich.“ Der BN befürchtet nämlich, dass nach einer Sanierung des bestehenden Deiches Klagen gegen eine Deichrückverlegung nicht mehr erfolgreich überwunden werden könnten. Diese Frage ist wohl auch in den Behörden umstritten, zumindest hat der BN auf seine Anfragen dazu bisher keine ausreichenden Antworten bekommen (siehe beiliegender Schriftverkehr).
Sollte die Deichrückverlegung nach Sanierung nicht mehr realisiert werden, würde ein möglicher neuer Retentionsraum von 950.000 m³ nicht genutzt werden.

Manfred Drobny, Geschäftsführer des BN Freising und Biologe, sieht auch einen anderen Grund, warum so viele wie möglich Deiche zurückverlegt werden müssen: „Deichrückverlegungen sind nicht nur für Hochwasserschutz wirksam, sondern tragen durch ihre Chance auf Auenreaktivierung auch zur Umsetzung von Natura 2000 und der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bei.
Ohne Deichrückverlegungen werden etliche dieser Ziele nicht erreicht werden können.“ Auch die Isar ist im Bereich der umstrittenen Deichrückverlegung Natura 2000-Gebiet und zwar über die Grenzen des bestehenden Deiches hinaus.
Die natürliche Überflutung von Auen entschärft die Hochwassergefahren für die Menschen (siehe Anlage 1) und belebt die Lebensräume der Aue, die vom Fluss und von Hochwasser geprägt und auf den Wechsel von Hoch- und Niedrigwasser angewiesen sind.

Als Gründe für die mangelnde Umsetzung von Deichrückverlegungen sieht der BN:

  • zu geringe Akzeptanz vor Ort für den Flächenbedarf, der mit einer Deichrückverlegung verbunden ist (Deichsanierung braucht wesentlicher weniger Fläche)
  • nach wie vor vorhandenes Kirchturmdenken: dass bei einer Deichsanierung das Hochwasser weiterhin schnell beim Unterlieger ankommt ist den Oberliegern meist egal.
  • fehlende politische Unterstützung
  • Abbau der Verwaltung, denn die Verhandlungen für eine Deichrückverlegung kosten mehr Zeit als für eine Deichsanierung.
  • hohe Investitionen in teure Großprojekte (z.B. Polder)
  • fehlende Gesamtkonzepte (dem Isarplan 2020 vergleichbar), um die Synergien – Hochwasserschutz, Naturschutz, Grundwasserschutz, Erholung – darzustellen.

Der BN fordert daher, den Deichrückverlegungen in Bayern endlich ein höheres politisches Gewicht beizumessen und dem ökologischen Hochwasserschutz Vorrang einzuräumen. „Breitwasser statt Hochwasser - so unser Motto für die Überflutung von Auen anstelle von Kellern“. Die positiven Wirkungen müssen deutlicher dargestellt werden und auch gegen lokale Widerstände mit der nötigen Konsequenz umgesetzt werden.“  fordert Margraf. Über Entschädigungen oder Tausch können lokale Betroffenheiten stark reduziert werden. Voraussetzung ist natürlich, dass hierfür nötige Kapazitäten und Geldmittel bereitstehen.Für Rückfragen: Dr. Christine Margraf, Leiterin Fachabteilung München: Tel.: 089/548298-89, christine.margraf@bund-naturschutz.deDr. Christian Magerl, Manfred Drobny, Kreisgruppe Freising, Tel.: 08161/66099, bn.freising@t-online.de Anlagen (in der pdf-Datei zum download, siehe unten):Anlage 1: Wirkung des ökologischen Hochwasserschutzes (Deichrückverlegung)Anlage 2: Elemente eines ganzheitlichen ökologischen Hochwasserschutzes