Keine Freisetzung von genmanipulierten Kartoffeln
Die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft plant, gentechnisch veränderte Kartoffeln in den Gemeinden Manching, Reichertshofen und Geisenfeld, alle im Landkreis Pfaffenhofen freizusetzen. Der BN lehnt den Versuch, der von 2006 bis einschließlich 2015 auf jährlich bis zu 10 Hektar im Rahmen einer Fruchtfolge auf insgesamt 30 Hektar stattfinden soll, ab.
Insbesondere kritisiert der BN, dass die bayerische Landesanstalt die Sorten nicht nur entwickeln und erproben will, sondern das Projekt darauf abzielt, in die kommerzielle Vermehrung der Kartoffeln einzusteigen. Und dies gegen den erklärten Willen des Großteils der Landwirte und der Verbraucher, die das Ausbringen gentechnisch veränderten Materials in die Umwelt ablehnen. "Wir werfen der bayerischen Staatsregierung vor, sich vor den Karren der Gentechnikindustrie spannen zu lassen, die den Willen der großen Mehrheit der Verbraucher und der Landwirte mit Füssen tritt", so Hubert Weiger, BN Vorsitzender. "Es ist nicht akzeptabel, Steuergelder einzusetzen, um im Bereich Agrogentechnik Fuß zu fassen, und damit die Risiken zu maximieren", so Weiger weiter. Eine gentechnikfreie Landwirtschaft wird es nicht mehr geben, wenn durch den Versuchsanbau auf größeren Flächen von gentechnisch veränderten Pflanzen eine unkontrollierte und schleichende Verbreitung in die Umwelt erfolgt ist. Wie fatal der Ansatz der Staatsregierung ist, zeigt sich auch daran, dass bei den Forschung zur Ausbreitung gentechnisch manipulierter Pflanzen im staatlichen Erprobungsanbau nicht die Gentechnikfreiheit das Ziel ist, sondern eine gezielte Verunreinigung. So ist beim staatlichen Erprobungsanbau mit Bt-Mais das Versuchsdesign auf Abstandsempfehlungen ausgerichtet, die eine flächendeckende Verunreinigung mit 0,9 % GVO-Anteil in Kauf nehmen.
Der Bund Naturschutz kritisiert diese Planungen und fordert einen sofortigen Stopp des Bayerischen Erprobungsanbaus und aller neuen staatlichen Freisetzungsversuche in Bayern.
Die Ablehnungsgründe zu den genmanipulierten Kartoffeln im Einzelnen:
1.Der Versuch ist überflüssig und geht an den Marktinteressen vorbei
Der Versuch zielt auf die Entwicklung neuartiger Stärkekartoffeln für die industrielle Nutzung ab. Es existieren jedoch Verfahren, Amylopektin aus herkömmlichen Kartoffelsorten zu gewinnen, so dass die Risiken, die mit dem Anbau von gentechnisch veränderten sogenannten Amylopektin-Kartoffeln verbunden sind, nicht zu rechtfertigen sind. Bislang gibt es keinen Industriepartner, der die transgenen Kartoffeln verarbeiten möchte. Dies zeigt, dass die Stärke-verarbeitende Industrie keine Notwendigkeit für den Gentechnikpfad erkennt bzw. kein Interesse daran hat.
2. Risiken der Methode der gentechnischen Veränderung an den Stärkekartoffeln
Die gentechnische Veränderung von Pflanzen ist kein gezielter Vorgang, bei dem bekannt wäre, welche Effekte sich auf molekularer Ebene ergeben. Der Einbau der Transgene in das pflanzliche Erbgut erfolgt rein zufällig. Auch ist die Stabilität transgener Merkmale in transformierten Pflanzen unter Umweltbedingungen nicht gesichert, da eine Vielzahl noch unbekannter Regulationsprozesse eine Rolle spielt (vergl. UBA-Studie Nr. 53/02 zur Stabilität transgen-vermittelter Merkmale in gentechnisch veränderten Pflanzen). Dass der Prozess der Transformation und Antisense-Hemmung nicht verlässlich ist, ergibt sich auch daraus, dass unter 5000 regenerierten Pflanzen lediglich eine Pflanze mit den gewünschten Eigenschaften gefunden wurde (Amylopektin-Bildung, kein Antibiotikaresistenzgen und ohne offensichtlich negativen Effekte). Transgene Pflanzen freizusetzen, deren Veränderungen im Einzelnen nicht verstanden sind, ist deshalb fahrlässig und widerspricht einem vorsorgenden Umweltschutz.
Nebeneffekte der gentechnische Veränderung können auch die Aktivität anderer Gene verändern und beispielsweise den Glykoalkaloid-Stoffwechsel beeinflussen und so möglicherweise zu erhöhten Solaningehalten führen (Weitere Details siehe Anhang)
3. Risiken durch Weiterverbreitung der genmanipulierten Kartoffeln
Eine Übertragung gentechnisch eingebauter Eigenschaften auf andere Kartoffelpflanzen und eine Weiterverbreitung kann nicht ausgeschlossen werden.
Die Pollen von Kartoffeln, deren Bestäubung u. a. durch Insekten erfolgt, können durch Insekten über größere Distanzen verbreitet werden. In Freilanduntersuchungen wurden zahlreiche Insektenarten auf Kartoffelblüten beobachtet. Der im Antrag genannte Isolierabstand von 20 m zwischen den Freisetzungsflächen und benachbarten Flächen mit Kartoffelanbau ist deshalb zu gering, um Auskreuzung mit Sicherheit zu verhindern.
4. Weitere Risiken ergeben sich durch die mögliche Überdauerung der Knollen in milden Wintern (Durchwuchs) oder durch Wechselwirkungen mit Nichtzielorganismen. Nach der Ernte verbleiben bis zu 30 000 Kartoffelknollen pro Hektar im Boden, die 4 - 5 Jahre im Boden überleben und, wenn sie 10 - 15 cm unter der Bodenoberfläche liegen, auch harte Winter überstehen können. Gebildete Samen bleiben bis zu 13 Jahre lang keimfähig (Neuroth 1997). Die Verschleppung transgener Kartoffelbeeren durch Tiere wie
etwa Vögel ist nicht ausgeschlossen, entsprechende Sicherheitsvorkehrungen fehlen, auch gibt es keinen Schutz vor Kaninchen oder Wildschweinen,
die die Kartoffeln weiterverbreiten könnten. Damit wird das Argument, dass die Verbreitung der genmanipulierten Kartoffeln wegen ihrer Knollenvermehrung nicht zu befürchten ist, als falsch widerlegt.
Schutzgebiete möglicherweise unzulässig beeinträchtigt
Ein Einfluss auf Insektenpopulationen in benachbarten Naturschutz- und FFH- Gebieten kann nicht ausgeschlossen werden. Im Umkreis von 0 - 1,5 km Entfernung liegen verschiedene Biotope und Naturschutzgebiete. Das FFH Gebiet Feilenmoos mit Nöttinger Viehweide (7335-371.03) grenzt unmittelbar an eine der zum Anbau vorgesehenen Flächen.
gez.
Marion Ruppaner
Landwirtschaftsreferentin
Tel. 0911/81 87 8-29
Fax 0911/86 95 68
gez.
Dr. Martha Mertens
Sprecherin BN Arbeitskreis Gentechnik
Tel. 089/58 07 693
Anhang:
Ergänzende Punkte zu den GVO-Kartoffeln der LfL
Die GVO-Kartoffel enthält Mehrfachinsertionen des Antisense-GBSS-Gens und entspricht demzufolge nicht der Anforderung, dass nur die absolut notwendigen DNA-Sequenzen übertragen werden. Laut Antragsteller ist von drei Integrationsorten auszugehen, die möglicherweise auf unterschiedlichen Chromosomen liegen. Die betreffenden Chromosomen wurden allerdings nicht bestimmt. Auch zu den Integrationsorten wird Näheres nicht dargestellt, zumindest nicht in der der Öffentlichkeit zugänglichen Antragsversion.
Es ist bekannt, dass nach Transformation mittels Agrobacterium häufig nicht nur mehr als eine Kopie der Transgene, sondern auch partielle Kopien und Plasmid-DNA eingebaut werden und Veränderungen der Einbauorte nicht selten sind. Umlagerungen der Einbauorte können dabei auch pflanzliche DNA-Sequenzen umfassen, dies sogar im Wechsel mit Transgensequenzen (Smith et al. 2001, Wilson et al. 2004). Im Antrag fehlen aber Daten zu den Integrationsorten der Transgene. Es wird einfach darauf verwiesen, dass drei T-DNA Fragmente unterschiedlicher Größe gefunden wurden, deren Sequenz wurde jedoch nicht analysiert. Daher ist auch nicht ersichtlich, ob zusätzliche Transgen-Bruchstücke ins pflanzliche Erbmaterial eingebaut wurden und ob die Integrationsorte Umlagerungen erfahren haben. Es sollte aber gute wissenschaftliche Praxis sein, das zur Freisetzung vorgesehene Material eingehend auf die Transgen-Integrationsorte und deren Zusammensetzung zu untersuchen.
Positionseffekte (durch die Integration der Transgene bedingte Effekte) können die Aktivität anderer Gene verändern. Sie könnten beispielsweise die Expression von Genen des Glykoalkaloid-Stoffwechsels beeinflussen und möglicherweise zu erhöhten Solaningehalten führen. Auch wenn die in den Freisetzungsversuchen ausgebrachten Kartoffeln nicht zum Verzehr gedacht sind, können sie doch von Wildtieren gefressen werden. Da jede Transformation einzigartig ist, wäre eine genauere Analyse der Glykoalkaloidgehalte der spezifischen Linie angezeigt, ein allgemeiner Literaturhinweis ist nicht ausreichend. Umweltstress kann die Glykoalkaloidgehalte möglicherweise verändern. Daten über entsprechende Gewächshausversuche unter Stressbedingungen (z.B. Hitze, Trockenheit, Kälte, Nährstoffmangel, Wasserstress) fehlen aber. Sollten derartige Kartoffeln später kommerziell angebaut werden, ist in der Praxis nicht zu erwarten, dass der Solaningehalt regelmäßig überprüft wird. Da die Genaktivität auch vom genetischen Hintergrund abhängt, sind bei Kreuzung mit anderen Kartoffelsorten eingehende Untersuchungen erforderlich.
Der im Antrag genannte Isolierabstand von 20 m zwischen den Freisetzungsflächen und benachbarten Flächen mit Kartoffelanbau ist zu gering, um Auskreuzung auf andere Kartoffelpflanzen mit Sicherheit zu verhindern. Nach einer von Neuroth (1997) zitierten Arbeit wurden bei einer Kartoffel-Wildart im Abstand von 10 m noch Auskreuzungsraten von 5,1 % erreicht und bei 20 m und 40 m betrug die Auskreuzungsrate 1,1 % bzw. 0,5 %. In 80 m Entfernung trugen immerhin noch 0,2 % der Samen die entsprechende Markierung. Insektenbestäubung schien dabei eine große Rolle zu spielen. Die Blüten wurden vor allem von Schwebfliegen, aber auch Hummeln, Honigbienen, Wespen, Schmeißfliegen, Libellen, Schmetterlingen und Nachtfaltern besucht. Weitere Besucher von Kartoffelblüten sind vermutlich Rapsglanzkäfer, Schimmelkäfer, Tangfliegen und Goldfliegen.