Klage gegen Freisetzung von "Gen-Kartoffeln"
Das Freisetzungsvorhaben der Technischen Universität München (TU) ist angesichts der potentiellen Risiken, sowie der naheliegenden Alternativen für eine ausgewogene, gesunde Ernährung, nicht zu rechtfertigen und sinnlos. Der dennoch erteilte Genehmigungsbescheid des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 28.03.2003 verstößt gegen die einzuhaltenden Genehmigungsvoraussetzungen des geltenden Gentechnikrechts und ist daher rechtswidrig.
Mit der Erhebung der Klage hat der BN die Möglichkeit genutzt, zugleich auf einen weiteren Missstand im deutschen Recht hinzuweisen. Mit Unterzeichnung der sog. Aarhus-Konvention am 21.12.1998 hat sich die Bundesrepublik Deutschland nämlich verpflichtet, der jeweils betroffenen Öffentlichkeit – und damit auch den anerkannten Umweltverbänden – in Umweltangelegenheiten den Zugang zu den Verwaltungsgerichten zu ermöglichen. Während viele andere Unterzeichnerstaaten bereits entsprechende Regelungen getroffen haben, hat die Bundesregierung im Jahre 2000 lediglich erklärt, dass sie beabsichtige, den Umweltverbänden ein Verbandsklagerecht einzuräumen. Dieser Verpflichtung ist die Bundesrepublik Deutschland bislang nur eingeschränkt auf den Bereich des Naturschutzrechtes nachgekommen. Eine völkerrechtsfreundliche Interpretation der Verwaltungsgerichtsordnung führt dazu, dass der BN seine Einwendungen auch im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Klage geltend machen kann.
Im Rahmen einer solchen Verbandsklage können grundsätzlich auch Verfahrensfehler gerügt werden. Im vorliegenden Fall wurde in der amtlichen Bekanntmachung als Standort fälschlicherweise die Gemeinde Emmering angegeben, so dass die Öffentlichkeit nicht richtig über das Vorhaben informiert worden ist. Darin liegt ein erheblicher Verstoß gegen die Öffentlichkeitsbeteiligung, der – entgegen der Auffassung des RKI – weder geheilt worden noch insgesamt unbeachtlich ist. Bereits dieser grobe Verfahrensfehler führt daher zur Rechtswidrigkeit des Genehmigungsbescheides und dazu, dass die erteilte Genehmigung aufzuheben sein wird. Auch die Gemeinde Olching hat eine eigene Klage beim Verwaltungsgericht Berlin eingereicht. Sie macht u. a. geltend, dass eine direkt angrenzende ökologisch wertvolle Fläche, die sich im Gemeindebesitz befindet, von dem Vorhaben beeinträchtigt werden könnte.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass bereits jetzt im Rahmen des Freisetzungsvorhabens gegen die Bestimmungen des Genehmigungsbescheides verstoßen wird. So hatte das RKI zusammen mit der Genehmigung angeordnet, dass die Freisetzungsfläche während der Vegetationsperiode mit einem Zaun zu umgeben ist, der geeignet ist, Kleintiere abzuhalten. Tatsächlich errichtet wurde jedoch lediglich ein grobmaschiger Zaun, der dazu keinesfalls in der Lage ist. Die Art und Weise, wie die Auflage im Bescheid umgesetzt wurde, dokumentiert die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin. Auch auf die Frage, wie eine Verbreitung genmanipulierter Samen durch Vögel, die Kartoffelbeeren fressen, verhindert werden soll, geben weder die TU noch das RKI eine Antwort. Dies begründet Zweifel an der weiteren Einhaltung der Sicherheitsvorschriften sowie an der Sicherheit des Freisetzungsvorhabens insgesamt.
Der BN hat auch kritisiert, dass eine großflächige Ausbringung von gentechnisch ver-änderten Pflanzen grundsätzlich im Widerspruch steht zum erklärten Ziel der Bundesregierung, eine nachhaltige, umweltverträgliche Landwirtschaft zu fördern. Die zahlreichen direkten und indirekten Risiken, die der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen für die Umwelt sowie die menschliche Gesundheit zur Folge haben kann, sind bislang nicht ausreichend erforscht. Dies gilt insbesondere für Pflanzen, bei denen – wie im vorliegenden Fall – der sehr komplexe Sekundärstoffwechsel gentechnisch manipuliert wurde. Zahlreiche fachliche Kritikpunkte, die der BN in seiner Einwendung vorgebracht hat, sind im Genehmigungsbescheid des RKI nicht ausreichend gewürdigt bzw. werden durch die Bewertung des RKI nicht widerlegt. Vielfach wird zwar eingestanden, dass die aufgezeigten Risikopotentiale durchaus bestehen und die Auswirkungen bisher nicht bekannt sind. Dennoch wiederholt das RKI gebetsmühlenartig seine Behauptung, dass dennoch keine Gefahren für Menschen, Tiere und die Umwelt bestünden. Die erteilte Genehmigung ist daher auch deshalb rechtswidrig, da von dem Freisetzungsvorhaben schädliche Einwirkungen durchaus zu erwarten sind.
Gefahren bestehen darüber hinaus insbesondere für benachbarte Öko-Bauern. Finden sich in ihrer Ernte nämlich auch nur geringe Reste gentechnisch veränderter Organismen, dürfen sie diese nicht mehr als Bio-Produkt auf den Markt bringen und müssen zudem die Kündigung ihrer Erzeugerverträge befürchten. Ein Bio-Landwirt aus Esting, der in ca. 700 m Entfernung des Freisetzungsareals Speisekartoffeln erzeugt, hat sich deshalb der Klage des BN angeschlossen. Die Tatsache, dass eine solche Gefahr nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt eine amerikanische Umfrage der „Organic Farming Research Foundation“ – danach waren mindestens zwei Prozent der befragten Betriebe mit gentechnisch veränderten Organismen kontaminiert. Etwa acht Prozent der Betriebe haben für einen Teil ihrer Produkte dadurch die Bio-Zertifizierung verloren.
gez. Kurt Schmid
Regionalreferent
gez. Dr. Michael Bihler
Rechtsanwalt
gez. Dr. Martha Mertens
Sprecherin BN Arbeitskreis Gentechnik