Landesentwicklungsprogramm: Staatsregierung geht Herausforderungen für Bayern nicht an
Vor der Anhörung im Landtag am Donnerstag haben drei der neun geladenen Sachverständigen in einer Pressekonferenz massive Kritik an der überarbeiteten Version des Landesentwicklungsprogramms (LEP) geübt. Gemeinsam mit der gesellschaftlich breit verankerten Initiative „Wege zu einem besseren LEP“, in der sie aktiv sind, zeigten sie auf, dass das zentrale Instrument der Landesplanung derzeit nicht ausreichend genutzt wird, um Bayerns Entwicklung zukunftsfest zu steuern. Die großen Herausforderungen für Bayerns Zukunft wie der Klimawandel, die Digitalisierung, gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land oder räumliche Gerechtigkeit sind mit dem Entwurf der Staatsregierung nicht zu meistern.
„Die ganze junge Generation bewegt das Thema Klimakrise und wie wir besser als die vorherigen Generationen mit den vorhandenen Ressourcen wirtschaften und planen können“, erklärt Antonia Kainz, Landesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung. „Viel zu wenig davon findet sich im neuen LEP, auch wenn bessere Vorschläge aus der Wissenschaft und den Fachverbänden vorliegen. Besonders wichtig sind uns die klaren Ziele für den Klimaschutz bei der Raumplanung und spezielle Formate zur Jugendbeteiligung, die bisher kaum vorhanden sind. Wenn die Jugend mehr gefragt wird, bringt das ganz viel neuen Schwung etwa bei Mobilität und erneuerbaren Energien auf dem Land!“
„Angesichts der aktuellen Herausforderungen erachten wir eine starke Landesplanung mitsamt gestärkter Regionalplanung als zwingend notwendig“, erklärt die vom Landtag als Expertin geladene Barbara Weihs vom Bund deutscher Landschaftsarchitekt:innen, Landesverband Bayern. „Ein zukunftsfähiges LEP muss landschaftsbasierte, räumlich integrierte Strategien und zukunftsfeste Handlungskonzepte formulieren, klare Ziele unter der Prämisse von Klima-, Biodiversitäts- und Flächenschutz vorgeben. Vorrausetzung ist ein gemeinsamer, ergebnisoffener Planungsprozess, der positive Visionen, lebenswerte Zukunftsbilder entwickelt und zu einem von allen getragenen transformativen Gestaltungsprozess führt. Leider sind weder die notwendigen fachlich-inhaltlichen Ziele durch die zweite Fortschreibung gesetzt, noch wird eine belastbare Perspektive für die Umsetzung das LEP aufgezeigt.“
„Grundsätzlich erkennen wir im Entwurf der Staatsregierung einen wiederbelebten Anspruch, die Entwicklung des Freistaats aktiv zu steuern“, erläutert der ebenfalls als Experte geladene Richard Mergner, Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern e.V. „Aber bei zu vielen zentralen Aspekten fehlen verbindliche Ziele und vor allem wirksame Umsetzungsinstrumente. Das Ergebnis ist nicht nur Stückwerk, es beinhaltet zwangsläufig zahlreiche Zielkonflikte – etwa wenn verstärkter Klimaschutz gleichberechtigt neben das weiter bestehende Ziel des anhaltenden Wachstums gesetzt wird, oder wenn der Bau von noch mehr Straßen Ziel bleibt und Flächensparen einfach daneben gestellt wird. Alles zusammen ist ganz einfach nicht möglich. Genauso problematisch ist, dass die umfassende und fundierte Arbeit der Zivilgesellschaft zum LEP im finalen Entwurf praktisch nicht berücksichtigt wurde. Das zeigt klar: Das LEP muss sowohl inhaltlich als auch im Entstehungsprozess komplett neu aufgesetzt werden.“
„Trotz massiven Handlungsdrucks wird die Chance vertan, einen wirksamen Gestaltungsrahmen für eine klimagerechte und gleichwertige Entwicklung in Stadt und Land zu schaffen“, kritisiert Franz Damm, Vizepräsident der Bayerischen Architektenkammer. „Zentrale Prinzipien wie Suffizienz und die Endlichkeit von CO₂- und Flächenbudgets werden gesehen, jedoch nicht als notwendige Ziele der Raumordnung festgelegt. Es fehlen qualifizierende Zielaussagen zur räumlich integrativen Entwicklung der Natur- und Kulturlandschaft in Bayern, bei der auch historisch gewachsene Dorf- und Stadtstrukturen und ortsbildprägende Bauten stärker berücksichtigt werden. Kreislaufwirtschaft, Umnutzen wertvoller Bausubstanz, multifunktionale Flächennutzungen müssen zu verbindlichen Zielen des LEP werden. Deshalb fordern wir mit Nachdruck eine Landes- und Regionalplanung mit mehr innovativer Steuerungskraft für die erforderlichen Transformationsprozesse.“
„Das Sendai-Rahmenprogramm zur Katastrophenvorsorge der UN muss integraler Bestandteil des LEP werden. Nur so können wir langfristig Katastrophen verhindern oder die Auswirkungen reduzieren“, ergänzt Prof. Dr.-Ing. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. „Diese systemische Betrachtung vermisse ich in der Teilfortschreibung des LEP bisher vollständig. Im Hinblick auf die Flächennutzung in Bayern fordert die Bayerische Ingenieurekammer-Bau eine konsequente CO2-Bepreisung, damit der Bestand mehr Wert bekommt und wir damit die Neuversiegelung reduzieren. Dazu ist eine staatliche Förderung für Maßnahmen der Entsiegelung notwendig. Außerdem fordern wir den Umbau öffentlicher urbaner Räume mit grüner und blauer Infrastruktur.“
„Die Konzeption des LEP ist aus der Zeit gefallen“, fasst Stephan Reiß-Schmidt von der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung, Landesgruppe Bayern, zusammen, der ebenfalls vom Landtag geladen wurde. „Sie stammt aus einer Epoche großer Wachstumshoffnungen ohne Beachtung der planetaren Grenzen und ohne politischen Gestaltungswillen. Zahlreiche raum- und planungsbezogene Akademien, Kammern und Verbände haben sich deshalb bereits 2018 zusammengeschlossen und Vorschläge zu einem besseren LEP entwickelt. Um Bayern fit für eine sozial- und klimagerechte Zukunft zu machen brauchen wir einen kompletten Neustart mit einem offenen und demokratischen Verfahren. Für eine Landes- und Regionalplanung neuen Typs sind räumliche Gerechtigkeit, der Schutz der Biosphäre, eine schadstofffreie Umwelt und die Eindämmung der Klimakrise unverrückbare Leitplanken.“
Mehr Informationen zur Initiative „Wege zu einem besseren LEP“ finden Sie unter https://www.besseres-lep-bayern.de/.