Landtagspetition für gentechnikfreie Landwirtschaft
Im März 2004 wurde vom „Bündnis Bayern für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft“ beim Bayerischen Landtag eine Petition für ein bayerisches „Koexistenzgesetz“ eingereicht. Mit diesem Gesetz soll die gentechnikfreie Landwirtschaft und der Schutz der Natur vor gentechnischen Verunreinigungen in Bayern dauerhaft gesichert werden. Mittlerweile wurden rund 32.000 Unterschriften zur Unterstützung der Petition gesammelt. Diese wurden am 13. Oktober dem Vorsitzenden des federführenden Agraraus-schusses im bayerischen Landtag, Herrn Helmut Brunner, von Vertretern des Bündnisses übergeben. Der Agrarausschuss befasst sich in seiner Sitzung an diesem Tag mit der Petition.
Das Bündnis war im Herbst 2003 in München gegründet worden. Ihm gehören neben dem Bund Naturschutz, dem Landesbund für Vogelschutz, den Öko-Anbauverbänden und Organisationen konventioneller Landwirte auch Imkerverbände, Verbraucherschützer und kirchliche Organisationen an. Ziel dieser Verbände und Organisationen ist die dauerhafte Erhaltung der gentechnikfreien Landwirtschaft und Natur im Freistaat.
Das „Bündnis Bayern für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft“ wünscht vom Landtag, den Entwurf zur Grundlage eines eigenen bayerischen Gesetzes zu machen. Gleichzeitig soll der Landtag die Bayerische Staatsregierung auffordern, im Bundesrat eine entsprechende Initiative zur Konkretisierung des Gentechnikgesetzes zu verlangen. Ziel des Gesetzentwurfs ist, Fragen der „Koexistenz“ zwischen konventioneller Landwirtschaft und Gentechnik-Landwirtschaft zu regeln. Konkret werden Schutzabstände zwischen Anbauflächen mit genveränderten Pflanzen (GVP) und Flächen von konventionellen und Biobauern gefordert. Ein Anbau von genverändertem Mais kann nach der jüngsten Sortenzulassung durch die EU im kommenden Jahr auch in Bayern bevorstehen. Durch die geforderten Schutzabstände soll das Risiko für Kontaminationen verringert werden. So sollen GVP anbauende Landwirte ihre Nachbarn rechtzeitig informieren müssen, damit diese Präventivmaßnahmen ergreifen können, wie beispielsweise eine entsprechende Anbauplanung. Der Anbau bestimmter gentechnisch veränderter, als nicht-koexistenzfähig bezeichneter Pflanzen, soll nicht zugelassen werden. So gilt z. B. Raps wegen der Reichweite seines Pollens und der Übertragung durch Bienen als nicht koexistenzfähig. Auch zum Mais mehren sich die kritischen Stimmen. Die Imker weisen darauf hin, dass im blütenarmen Juli und August Mais mittlerweile eine für Bienen sehr wichtige Pollenpflanze darstellt. Schließlich sollen Naturschutzgebiete und andere unter gesetzlichem Schutz stehende Gebiete vor GVP-Einwirkungen geschützt werden.
Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz hat zu der Petition bereits Stellung genommen. Darin heißt es, Bayern habe keine gesetzgeberische Kompetenz für Fragen der Koexistenz. Hier sei allein das deutsche Gentechnik-Gesetz zuständig. Dem widerspricht das Bündnis, das dazu rechtlichen Rat eingeholt hat. Demnach habe Bayern hier sehr wohl Gesetzgebungskompetenz. Dies gelte zum Beispiel für den Bereich der „guten fachlichen Praxis beim GVP- Anbau“, der im Bundesgesetz selbst nicht geregelt wird. Die Vertreter des Bündnisses betonen, dass Bayern bisher schon über den Bundesrat Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren im Bundes-Gentechnikrecht ausgeübt hatte. Diese Einflussnahme sei aber zu Lasten der gentechnikfreien Landwirtschaft gegangen. So wurden in der Bundesrats-Stellungnahme vom April 2004 zahlreiche Änderungen an dem vorgelegten Gentechnikgesetz-Entwurf verlangt. Unter anderem forderte der Bundesrat von der Bundesregierung, auf eine Verordnung zur guten fachlichen Praxis zu verzichten. Auch die Haftung für den Anbau genveränderter Pflanzen sollte auf Initiative der unionsregierten Länder abgeschwächt werden. Der Vermittlungsausschuss wird das Gentechnik-Gesetz am 27. Oktober 2004 erneut verhandeln. Zumindest bis dahin könnte Bayern noch die geforderten Koexistenz-Regeln in das Gesetzgebungsverfahren einbringen.
Zahlreiche aktuelle Untersuchungen belegen, dass Koexistenz in kleinräumigen Landschaften wie Bayern sehr schwer möglich ist. Ohne geeignete Schutzmaßnahmen besteht ein erhebliches Risiko, dass durch den Anbau genveränderter Pflanzen innerhalb kurzer Zeit Ernte und Saatgut von gentechnikfrei wirtschaftenden Bauern durch genveränderte Pollen oder Samen kontaminiert werden. In den USA und Kanada sind bei Soja, Mais und Raps bereits heute große Teile von Ernte und Saatgut verunreinigt. In der EU hingegen gilt das Grundprinzip der Wahlfreiheit. Danach haben Verbraucher und Landwirte das Recht, selbst zu entscheiden, ob sie gentechnisch hergestellte Pflanzen oder Lebensmittel kaufen wollen. Um diese Wahlfreiheit zu erhalten, fordert das Bündnis konkrete Schutzmaßnahmen für die gentechnikfreie Landwirtschaft. Die Kosten dafür müssten von denjenigen Landwirten getragen werden, die genveränderte Pflanzen anbauen. In einigen Nachbarländern Bayerns wurde der Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft bereits verbessert. So wurden in Oberösterreich und Salzburg entsprechende Gesetzentwürfe vorgelegt bzw. beschlossen. Diese Landesgesetze verfolgen ähnliche Ziele wie der als Petition eingereichte Entwurf des „Bündnis Bayern für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft“.
Die im Gesetzentwurf genannten Maßnahmen sollen zudem dem Schutz der Lebensräume von Pflanzen und Tieren in der Umgebung der Anbauflächen dienen. Verschiedene Kulturpflanzen – wie z.B. der in Europa heimische Raps – können sich mit verwandten Wildarten kreuzen. Die Auswirkungen auf den Naturhaushalt sind derzeit nicht abschätzbar. Auch langfristige Effekte auf die Nahrungsketten und das Bodenleben sind nach Meinung des Bündnisses kaum vorhersehbar. Es wird auch befürchtet, dass genveränderte Arten, natürlich vorkommende Arten verdrängen könnten. Deshalb dürfen nach Ansicht des „Bündnisses Bayern für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft“ in Schutzgebieten keine gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ausgebracht werden.
Das Bündnis erhofft sich vom Bayerischen Landtag, dass dieser die Petition würdigt und als Grundlage für ein Landesgesetz verwendet. Dies könnte, so Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes Naturschutz (BN), Beispiel gebend für die Bundesrepublik Deutschland sein.
Für Rückfragen:
Kurt Schmid, Regionalreferent Bund Naturschutz (BN),
Tel. 089/54 82 98 63
Email: kurt.schmid@bund-naturschutz.de
Dr. Martha Mertens, Sprecherin des BN-Arbeitskreises Gentechnik;
Tel.: 089/ 58 07 693
Email: martha.mertens@t-online.de
Dr. Klaus Wiesinger, Geschäftsführer der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern e.V. (LVÖ),
Tel 08161/9171-0
Fax 9171-1
Email: info@lvoe.de
Mitglieder des Bündnisses Bayern für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft:
Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN); Landesvereinigung für ökologischen Landbau in Bayern (LVÖ); Landesbund für Vogelschutz (LBV); Bioland, Landesverband Bayern; Naturland, Regionalverband Süd-Ost; Demeter Bayern, Biologisch-Dynamische Vereinigung; Biokreis e.V.; Initiative „nahrungs-kette“; Landesverband Bayerischer Imker (LVBI); Deutscher Berufs- und Erwerbsimkerbund (DBIB); Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Bayern; Der Krisenstab; Interessengemeinschaft Milchviehhalter Oberbayern (IGM); Arbeitsgemeinschaft noch produzierender Landwirte in Ostbayern (AnpLO); Arbeitsgemeinschaft evangelischer Haushaltsführungskräfte (AEH); Arbeitsgruppe Ökolandbau im Bayerischen Bauernverband (BBV); Interessengemeinschaft Mischfruchtanbau; Kein Patent auf Leben; Tagwerk-Erzeuger-Verbrauchergemeinschaft; Weilheim-Schongauer-Land-Solidargemeinschaft; Ökologischer Ärztebund; Umweltbeauftragter der Diözese Passau; Katholische Landvolkbewegung (KLB) Bayern; Katholische Landjugendbewegung (KLJB) München-Freising; Freisinger Land; Unser Inn-Land e.V.; Förderkreis für Umweltgesundung e.V.; Naturkost Südbayern e.V.