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Pestizide belasten Grundwasser und Biodiversität - Zulassungsverfahren nachbessern:

Reduzierung des Pestizideinsatzes wichtig - BN fordert vermehrte Anstrengungen, um den Einsatz gefährlicher Pflanzenbehandlungsmittel verbieten zu können – Auswirkung der Notfallzulassungen von Neonikotinoiden auf Bienen und Wildbienen in Mittel- und Unterfranken nicht geklärt.

16.03.2022

Der BUND Naturschutz fordert von der Bundesregierung, den Bedenken des Umweltbundesamtes nachzukommen und umweltschädliche Pestizide, die das Grundwasser belasten, die Trinkwassergewinnung gefährden bzw. das Bodenleben nachhaltig schädigen können, mit einem nationalen Verbot zu belegen. Es ist ein Skandal, dass Auswirkungen von Pestiziden auf das Nahrungsnetz und die ⁠Biodiversität bei der Pestizidzulassung auf europäischer Ebene, (obwohl deren Bewertung nach europäischem Pflanzenschutzrecht vorgeschrieben ist), nicht berücksichtigt werden. „Der Hilferuf des UBA, dass dort dem Auftrag einer umfassenden Umweltbewertung von Pestiziden nicht nachgekommen werden kann, ist ein dringlicher Handlungsauftrag an die grünen Landwirtschafts- und Umweltminister“, fordert Richard Mergner, BN-Landesvorsitzender.

„Die Defizite des Zulassungsverfahrens müssen dringendbehobenwerden“, so Marion Ruppaner, BN Agrarreferentin. Der BN fordert beispielsweise auch ein Verbot der Herbizide Pendimethalin und Prosulfocarb, die durch Abdrift auf Nachbarfelder gelangen und dort z.B. den Kräuteranbau von Biobetrieben gefährden.[1]

Keinesfalls darf die Glyphosatzulassung verlängert werden, die laut Pflanzenschutzanwendungsverordnung vom 2.9.2021 am 15.12.2023 ausläuft. Derzeit läuft ein europäisches Wiederzulassungsverfahren für Glyphosat. Die negativen Auswirkungen der Glyphosatanwendung auf den Rückgang der Artenvielfalt sind vielfach wissenschaftlich belegt, während über die Gefährdung der menschlichen Gesundheit in Bezug auf die krebserregende Wirkung von Glyphosat noch unterschiedliche Einschätzungen vorliegen.

Neonikotinoide: auch im Folgejahr Gefährdung möglich

Der BN wendet sich auch gegen die Notfallzulassungen von Neonikotinoiden, durch die Pestizidverbote ausgehebelt werden, die die Biodiversität schützen. Aktuelles Beispiel ist Thiametoxam, ein Insektizid aus der Wirkstoffgruppe der Neonikotinoide. Mit Thiamethoxam gebeiztes Rübensaatgut hatte im vergangenen Jahr eine Notfallzulassung für das Zuckerrübenanbaugebiet rund um die Südzuckerfabrik in Ochsenfurt erhalten. Dies betraf ca. 15.000 ha Fläche. „Auf 15.000 ha landwirtschaftlicher Fläche dürfen jetzt auch im Folgejahr keine Pflanzen zum Blühen kommen, das ist ein weiterer Verlust an Lebensraum und massive Folgeerscheinung des Insektizideinsatzes. Neonikotinoide dürfen deshalb keine Notfallzulassung mehr bekommen“, so Ruppaner.

Das Insektengift wird nicht nur über Nektar von blühenden Pflanzen, sondern auch über Guttationswasser aufgenommen. Neonikotinoide greifen bei Insekten in das zentrale Nervensystem ein. Nicht nur die Schädlinge, in diesem Fall eine Blattviruskrankheit übertragende Blattlaus, sondern auch andere Insekten wie Honigbienen und Wildbienen können geschädigt werden. Das Immunsystem von Bienen wird geschwächt, Orientierung und Fortpflanzung, und damit die wichtige Bestäubungsleistung beeinträchtigt. In der Folge werden auch die Nahrungsketten für Feldvögel gestört. Deswegen wurde bereits 2018 auf europäischer Ebene die Anwendung von drei Insektengiften aus der Wirkstoffgruppe der Neonikotionoide (Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam) im Freiland verboten.

Ein Monitoring der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau hatte gezeigt, dass in den Blütenständen der Zuckerrüben (sog. Schossern) und blühenden Beikräutern zum Teil sehr hohe Rückstände von Thiametoxam und dessen Abbauprodukt Clothianidin gefunden wurden. In Kleingewässern am Rand der betroffenen Zuckerrübenfelder hatten Imker ebenfalls hohe Rückstandswerte ermittelt, ebenso in blühenden Pflanzen neben den Feldern.

In den insgesamt 100 Pollen und Honigproben ließen sich laut LWG keine Rückstände ermitteln.

Kritische Imkerverbände sehen trotzdem Auswirkungen auf die Bienenvölker, deren Immunsystem untern den verschiedenen Umweltbelastungen und Klimaschwankungen geschwächt sei und beklagen mangelnde Informationen.

Für dieses Anbaujahr ist es wichtig, dass auf Zuckerrübenfeldern, bei denen mit Neonikotinoiden gebeitztes Saatgut zum Einsatz kam, keine blühenden Pflanzen wachsen, da diese bienenattraktiv sind und noch Rückstände enthalten könnten. In der Allgemeinverfügung der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) war dies festgelegt worden. Imker fordern jetzt eine bessere Information, wo diese Flächen sind, damit sie vorbeugend keine Stände in den betroffenen Regionen aufstellen. Denn es können auch an den Nachbarfeldern blühende Pflanzen wachsen, die noch mit Rückständen belastet sein könnten.

Für Rückfragen:

Marion Ruppaner, BN Agrarreferentin, Tel. 0911 81 87 8 -20
Mobil: 0160 76 14 336
marion.ruppaner@bund-naturschutz.de

Hintergrund

Bei den vom Umweltbundesamt kritisierten Zulassungen[2] handelt es sich aktuell um die Herbizide Flufenacet, das im Herbst im Getreideanbau eingesetzt wird und zu Trifluoracetat (TFA) abgebaut wird, und das Maisherbizid S-Metolachlor.

Erhöhte Konzentrationen beider Agrarchemikalien werden nach Angaben des UBA bereits in vielen Grundwasserkörpern deutschlandweit festgestellt.

Auch das Abbauprodukt von Glyphosat, AMPA, sowie Rückstände längst verbotener Herbizide im Maisanbau wie Atrazin und Desmethyatrazin werden immer wieder in Gewässern und Grundwasser vorgefunden.

Fungizide mit dem Wirkstoff Fluazinam, die gegen Kraut-und Knollenfäule im Kartoffelanbau eingesetzt werden, haben schädliche Wirkungen auf das Regenwurmvorkommen und vermutlich auch auf weitere wichtige Bodenorganismen. Firmen stellen ihre Zulassungsanträge jedoch in anderen EU Ländern, die diese Studien nicht berücksichtigen.

[1]https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Fachmeldungen/04_pflanzenschutzmittel/2016/2016_03_10_Anwendungsbestimmungen_Pendimethalin_Prosulfocarb.html

[2]https://www.umweltbundesamt.de/themen/pestizidzulassungen-hebeln-umweltschutz-aus